Filmkritik

Life in a day 2020

/ / Foto: Isabel Staudenmaier

Kevin Macdonalds kostenlos zugängliche Dokumentation Life in a Day 2020 auf YouTube lädt dazu ein, den 25. Juli 2020 Revue passieren zu lassen und über das, was die Menschen auf der Welt bewegt, nachzudenken.

Was passiert wohl an einem einzigen Tag in der Welt? Man weiß, irgendwo wird ein Kind geboren. Irgendwo stirbt ein geliebter Verwandter. Sicherlich hat irgendwer einen furchtbaren Tag und irgendjemand erlebt einen außergewöhnlich schönen Tag. Eingeschlossen in unsere eigene kleine Realität im Alltag, bleiben uns diese täglichen Ereignisse, Erlebnisse, Schicksale und Leben der Anderen aber verborgen.

Der auf YouTube seit dem 6. Februar kostenlos zugängliche Dokumentationsfilm Life in a Day 2020 von Kevin Macdonald entführt die Zuschauer:in in genau diese verborgenen alltäglichen Realitäten verschiedenster Menschen auf unserem Planeten. Und dabei ist es kein Kamerateam, das sich der Aufgabe verschreibt, um die Welt zu reisen und Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zu filmen. Es sind die Menschen selbst, die Videoclips drehen und ganz individuell von ihrem Tag erzählen.

EIN FILM AUS ÜBER TAUSEND VIDEOCLIPS

Wenige Monate vor dem Juli 2020 hat der britische Regisseur Kevin Macdonald via YouTube dazu aufgerufen, den 25. Juli 2020 selbst mit eigenen Themen subjektiv aufzunehmen und anschließend einzusenden. Daraus entstand dann in Zusammenarbeit mit Produzenten, wie unter anderem Ridley Scott, die Dokumentation Life in a Day 2020, die im Rahmen des Sundance Film Festival 2021 auf YouTube hochgeladen wurde. Über 324 Tausend Videoclips wurden eingesendet und zu einem Film zusammengeschnitten. Angelehnt ist die Dokumentation an ein vorheriges Filmprojekt. Life in A Day 2010 ist ebenfalls von Macdonald und war damals ein großer Erfolg. Zehn Jahre später soll nun gezeigt werden, welche Themen die Menschen 2020 beschäftigen. Das Jahr der Pandemie und des globalen Ausnahmezustandes eignet sich besonders gut, um das Porträt eines Tages auf der Welt zu erschaffen.

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Life in A Day 2010 von Regisseur Kevin Macdonald

EIN TAG AUF DER WELT

Die Dokumentation beginnt mit den Aufnahmen von schwangeren Frauen und werdenden Müttern in den Wehen. Der Morgen bricht an. Der Tag ist geboren. In der Mitte des Filmes wird Essen beleuchtet. Das Mittagessen ist angerichtet. Und der Tag endet, wie er begann. Mit einem Gute-Nacht Kuss und dem Ausschalten des Lichtes. Ein abgerundetes Bilderlebnis in 80 Minuten.

Die Zeilen dazwischen sind gefüllt mit thematisch sortierten Situationen. Dynamik und Ruhe wechseln sich nach und nach ab. Pärchen halten sich im Arm, küssen sich, erzählen davon, wie sie planen, Eltern zu werden. Freunde und Arbeitskollegen plappern wild durcheinander in Zoom- und Facetime-Meetings.  Die Welt liebt sich, die Welt arbeitet, sie protestiert, sie stirbt und lässt uns Anteil daran nehmen.

INTIMITÄT UND SCHMERZ: POLITISCH DURCH DIE HINTERTÜR

Der Film berührt durch seine Intimität. Seine Stärke ist seine Nähe und suggerierte Authentizität durch die Linse der eigenen (Handy-) Kamera. Suggeriert, da nicht immer sicher ist, ob es sich nicht doch um ein Trauerspiel handelt. Der Film ist politisch. Der Film tut weh. Eine Frau erzählt, wie sie ihre zwei Brüder durch Polizeigewalt in den USA verloren hat. Demonstrierende marschieren durch die Straßen und rufen nach Gerechtigkeit. Eine Mutter weint um ihren Sohn, der an Covid-19 gestorben ist. Dem Zuschauer werden die Schicksale zwar von den Protagonisten selbst erzählt, doch der Regisseur hat die Szenen zusammengeschnitten und damit selbstverständlich durch die Hintertür doch eine Themen-Selektion vorgenommen. Die ausgewählten Themen sollen bewusst provozieren und schockieren.

Manche Protagonisten avancieren in dem Film dabei zu Bezugspersonen. Sie tauchen immer wieder im Wechsel zwischen Ruhe und Dynamik auf und holen den Betrachter mit ihren eher neutralen Erzählsträngen wieder zurück aus dem schnellen Bildersturm der vorherigen Szenen. Die Inszenierung ist nahezu perfekt. Mit unterstreichender Musik, bewussten Pausen, Längen und schnellen Bildwechseln wird dem Zuschauer einfach nicht langweilig.

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Life in a day 2020

EINE HOMMAGE AN DIE MENSCHEN

Die atemlose Collage porträtiert das Jahr 2020 in a nutshell. Sie lässt uns nicht vergessen. Dass wir, zum Beispiel, für die Black Lives Matter Bewegung auf die Straße gegangen sind. Oder wir im Lockdown saßen und unsere Liebsten nicht sehen konnten. Dass uns alle die gleichen Themen beschäftigen: die Liebe, unsere Familie, ein Beruf, dem wir mit Leidenschaft nachgehen und unser Sinn in der Welt. Kevin Macdonald hat eine Dokumentation geschaffen, die schon fast eine Hommage an das menschliche Leben im Jahr 2020 ist. Denn zurück bleibt das Gefühl der Überwältigung von der Fülle des Lebens und der Gemeinschaft.

Life in a Day 2020 ist seit dem 6. Februar auf Youtube zu sehen.