Covid-19 in Flüchtlingscamps
#leavenoonebehind – Flüchtende nicht vergessen!
Während die ganze Welt gegen Covid-19 kämpft, harren tausende Flüchtende in den griechischen Lagern ohne Zugang zu medizinischer Versorgung aus. Eine Petition will das jetzt ändern.
Social Distancing, Hände waschen, Desinfizieren: So will die Welt die Verbreitung des neuartigen Corona Virus verhindern. Doch was ist, wenn du keine Möglichkeit hast auch nur eine dieser Botschaften umzusetzen? Wenn es nur eine Wasserzapfstelle für 1.300 Menschen gibt und du dir deinen Schlafplatz mit fünf weiteren Menschen teilen musst?
Insgesamt 41.000 Geflüchtete
Diese Umstände sind im Flüchtlingscamp Moria auf der Insel Lesbos Realität. Derzeit harren dort 21.000 Asylsuchende aus. In einem Camp, das damals für 3.000 Menschen geplant wurde. Insgesamt sitzen über 41.000 Geflüchtete auf der griechischen Insel fest, scheinbar von der Europäischen Union vergessen. Nach Informationen von ‚Ärzte ohne Grenzen‘ sind die Hygienebedingungen mangelhaft und medizinische Hilfe nur äußerst eingeschränkt zugänglich. Wann dort das Corona-Virus ausbricht, dass die europäische Gesellschaft derzeit zum Stillstand bringt, ist nur eine Frage der Zeit. Auch wenn die Geflüchteten selbst vieles versuchen und beispielsweise Atemschutzmasken nähen, wird die medizinische Versorgung nicht ausreichen. So lautet auch der Vorwurf tausender Aktivist*innen, die sich jetzt auf virtuellem Wege versammelten, um ihrer Botschaft trotz geltender Ausgangsbeschränkungen eine Stimme zu verliehen.
Niemanden zurücklassen
Den Anstoß zu dieser Online Demonstration gab die Petition #LeaveNoOneBehind, die von dem grünen EU-Parlamentarier Erik Marquardt ins Leben gerufen wurde. Mittlerweile wurde sie schon mehr als 250.000 mal unterzeichnet. Erstunterzeichnende waren unter anderem Politiker*innen und Personen des öffentlichen Lebens wie Margarete Stokowski, Joko Winterscheidt, Aminata Toure oder Stephan Lessenich.
Online Marschieren
Die internationale Bewegung Seebrücke hat den virtuellen Protestzug organisiert und für das richtige Demogefühl live über Youtube gestreamt. Es gab Redebeiträge, Bilder von Aktionen und Musik. Sogar eine online Demoroute wurde festgelegt:
Europaweit haben Menschen bemalte Transparente aus ihren Fenstern gehängt und Beiträge auf Instagram, Twitter und Facebook geteilt. Die Forderung der Demonstrierenden: sofortige Evakuierung der Flüchtlingscamps, Zugang zu medizinischer Versorgung für obdachlose Geflüchtete und die Durchsetzung von Rechtstaatlichkeit.
Viele Stimmen, eine Forderung
Auch Lili aus Augsburg hat mit zum Demonstrieren aufgerufen. Im Gespräch mit M94.5 erklärt die 26-jährige Studentin, warum es wichtig war mitzumachen:
„Ich habe mitgemacht, weil die EU jetzt endlich handeln muss, wenn ihr Menschenrechte noch irgendwas bedeuten. Wir haben Platz und das haben bereits viele deutsche Städte klar gemacht, jetzt liegt es am BMI die Flüchtlingslager zu evakuieren. Die Lage dort ist schon seit Jahren katastrophal, aber mit Corona wird es dort ein Massensterben geben und diese Leichen werden nicht einfach im Meer verschwinden und vergessen werden“
Ronja will, dass jeder Verantwortung übernimmt. Die 20-jährige Studentin aus Marburg nutzte die Demo, um zum Spenden aufzurufen:
„Auch wenn die aktuelle Situation für alle schwierig ist – versucht bitte trotz allem auch an die Menschen zu denken, die wirklich Hilfe brauchen und spendet. Selbst die paar Euro die ihr spart weil ihr z.B. nicht in die Kneipe gehen könnt, sind schon eine große Hilfe“
Ricarda Lang ist stellvertretende Bundesvorsitzende und frauenpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen. Auch sie unterstützt die Petition:
“Alles was wir hier in Deutschland gerade an Verhaltensmaßnahmen vorschlagen und sogar gesetzlich vorgeben ist in Moria schlichtweg nicht umsetzbar. Es gibt keine Hygienevorkehrungen und in dem Moment, wo der Coronavirus dort ausbricht wir es zu einer Humanitären Katastrophe, die wir dann kaum noch in den Griff bekommen können. Aber an dem Punkt sind wir jetzt noch nicht”
Sie findet, auf politischer Ebene sollte ein gemeinsamer europäischer Weg eingeschlagen werden:
“Eine Lösung, die sowohl solidarisch ist, als dass die europäischen Staaten zusammenarbeiten, als auch solidarisch in dem Sinne, dass niemand zurückgelassen wird.“
Reaktionen der EU
Doch während das Corona-Virus die Einen dazu bewegt, jetzt erst recht zu handeln, ruft es vor allem auf staatlicher Ebene die umgekehrte Reaktion hervor: Die Verteilung von 1500 unbegleiteten Kindern und Jugendlichen in Moria, die lange von einigen EU-Länder, einer „Koalition der Willigen“ diskutiert wurde, ist nun ausgesetzt – wegen des Virus. Die einzelnen Länder verweisen mit der Verantwortlichkeit auf die EU-Kommission, die gerade prüfe. Wie lange die Prüfung durch die EU-Kommission andauern soll, wurde bisher allerdings nicht kommuniziert. Auch sonst erfährt Griechenland keine weitere Hilfe von anderen EU-Staaten. Vor Ort gebe es bisher „keinen glaubwürdigen Notfallplan”, so Hilde Vochten von Ärzte ohne Grenzen, “mit dem sich die Menschen die dort leben müssen, schützen und behandeln ließen”.