M94.5 Albenreview
La Femme – Paradigmes
Mit ihrem dritten Album toben sich La Femme künstlerisch in jeder Hinsicht aus. Sowohl musikalisch als auch filmisch schaffen die Französ:innen eine neue Welt zwischen Zukunft und Vergangenheit. Dabei setzen sie ihren Stil fort und fabrizieren den – für sie typischen – wohligen Mix aus Psych-Rock, Synth-Pop und Cold Wave.
Neue Weltanschauungen, neue Paradigmen: Genau das will die französische Elektro-Pop-Band La Femme mit ihrem neuen Album Prardigmes schaffen. Mit 15 neuen Songs hat sich La Femme dieser ambitionierten Aufgabe angenommen. Die Band ist von Surf-Rock und Yéyé der 60er-Jahre bis hin zum Cold Wave der 80er beeinflusst und mischt diesen Oldschool-Sound mit ihrer ganz eigenen Note. So entsteht auf Paradigmes eine herrlich absurde Mischung aus Nostalgie mit Retrocharme und futuristischen Synthesizern mit tanzbaren Discoflair.
Ça fait longtemps
Nach ihrem letzten Album Mystère haben La Femme fast fünf Jahre auf neue Musik warten lassen. Nachdem Keyboarder Marlon Magnée und Gitarrist Sascha Got aus Biarritz La Femme 2010 gegründet haben, ist die Band immer weiter gewachsen: Zunächst war der Zuwachs mit Sam Lefevre (Bass), Noé Delmas (Drums) und Lucas Nuez (Percussion) rein männlich. Um dem Bandnamen – auf deutsch „Die Frau“ – gerecht zu werden und auch etwas gesangliche Varianz zu schaffen, wird die Gruppe von den Sängerinnen Alma Jodorowsky, Clara Luciani, Clémence Quélennec, Grâce Hartzel und Jane Peynot, unterstützt. Wie schon auf den vorherigen Alben kommt die Gruppe trotz wechselnder Besetzung auch auf Paradigmes ohne offizielle Features aus.
Mehr als nur ein Album (literally)
Nach der relativ langen Pause verschaffen sich La Femme ein spektakuläres Come-Back. Auf das Album soll im Laufe des Jahres noch ein eigener Film folgen, der eine Mischung aus Monty Python und Phantom of the Paradise verspricht. Momentan befindet sich der Film noch in der Postproduktion. Die bisher veröffentlichten Musikvideos kündigen aber eine retro-futuristische Bühnenshow an bei der Michel Foucault posthum einen Gastauftritt bekommt. Auch musikalisch macht die Band klar, dass sie aus Paradigmes mehr als nur ein Album machen wollen. Schon der Opener „Paradigme“ hat Potenzial einen kitschigen Retro-Actionfilm zu eröffnen. Durch den Einsatz von Bläsern in „Cool Colorado“ und „Paradigme“ bringen Magnée, Got und Kolleg:innen einen gewissen Touch der Golden Twenties mit ins Spiel, der auch in den Musikvideos zuerkennen ist.
Zwischen French-Rock und French-Pop
Nach dem etwas poppigen Einstieg zeigen La Femme mit „Foudre le Bordel“, dass sie auch New-Wave à la Plastic Bertrand draufhaben. Der mit Abstand schnellste und kräftigste Songs des Albums erinnert schon sehr an „Ça Plane Pour Moi“ und fällt damit fast etwas aus der Reihe. Sonst zeigen La Femme, durchgehend, dass sie besonders eines gut können: Mit softem französischen Gesang jedem Instrumental die richtige Portion Kitsch verleihen. Diese Kunst beherrschen sie aber auch auf spanisch und englisch, wie sie auf „Le Jardin“ und „Foreigner“ unter Beweis stellen.
Vampire statt Pandemie
Obwohl noch nicht ganz klar ist, was bei dem Film Paradigmes zu erwarten ist, haben La Femme mit ihrem neuen Album definitiv neue Weltanschauungen geschaffen. Gerade die etwas verwirrende Mischung aus Vampiren, Michel Foucault und 80er-Jahre Discoflair machen Paradigmes zu einem spannenden neuen Projekt. Auch wenn es schade ist, dass – wie so oft – die besten Songs des Albums schon als Vorabsingles erschienen sind und so das schönste schon vorweggenommen wurde. Trotzdem macht es Spaß mit in die Welt von La Femme einzutauchen und bei Tagträumen zur Vampir-Musik die Pandemie für fast eine ganze Stunde zu vergessen. Falls das Disco-High dann auch mal länger anhalten darf, wird einfach in unsere letzte Review reingehört.
Paradigmes von La Femme ist am 02.04.2021 bei Disque Pointu erschienen.