M94.5 Kulturkritik
Kunst für alle Sinne
100 Jahre ist die Gründung des Bauhaus 1919 her. Inspiriert von diesem Meilenstein der Architektur- und Kunstgeschichte zeigt das Muffatwerk zwischen dem 4. und 8.9. mit „Sensefactory“ eine interaktive Installation, die Mensch, Maschine und Bau miteinander verbinden soll.
Die Idee des Baus
„Das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit ist der Bau! Ihn zu schmücken war einst die vornehmste Aufgabe der bildenden Künste…“ dieses Zitat von Walter Gropius schallt allen Besucher*innen der Sensefactory entgegen noch bevor sie das Herzstück, die Installation, sehen können.
Ein Modell
Die Menschenschlange bewegt sich durch die Eingangstore und gleich der erste Blick fällt auf die unübersehbare Front der Installation. Der Quader aus weißem, mit Luft gefüllten Gummi, nimmt die ganze Muffathalle ein und sieht ein wenig so aus, als wäre das Michelin zur Spielburg geworden.
Diese begehbare Spielburg atmet, pumpt manchmal einzelne Segmente auf und lässt sie dann genauso unwillkürlich wieder in sich zusammenschrumpfen. Künstliche Intelligenz steuert diesen Prozess, genauso wie das Licht, das immer wieder aufblitzt, mal einen Abschnitt taghell ausleuchtet dann wieder in beinahe Dunkelheit taucht.
Begleitet wird meine Entdeckungstour durch die engen Gänge, die sich auch mal verschließen können, wenn die KI es will, durch eine wabernde Soundkulisse, die genauso wie das Licht, mal grell mal eher im Hintergrund zu hören ist. Auch sie variiert gesteuert durch die KI. Die gesamte Konstruktion wirkt nicht ganz, als wäre sie von dieser Welt.
Mensch & Maschine
Die Sensefactory will die Beziehung aus Mensch und Maschine im heutigen Zeitalter erforschen. Einem Zeitalter, in dem die Menschen alle Sinne verkümmern lassen – außer vielleicht dem Sehsinn mit Blick auf den jeweiligen Bildschirm ihrer Wahl. So lädt die Rauminstallation ein, sich in ihr zu bewegen, sie zu ertasten, sich auf sie zu legen und ihre Atmung zu fühlen. Selbst Gerüche sind Teil der Sensefactory– zumindest in der Theorie.
Erlebnis voller Menschen
Denn Deo und Parfum, der Atem vieler verschiedener Menschen – das sind die Geruchskomponenten, die die Sensefactorybestimmen. In einem der Gänge errieche ich auch Marihuana und bin mir bis heute nicht sicher, ob das nun Teil des Konzepts war oder nicht. Der Geruch steht in den engen Gassen. Die Stimmung in dieser Konstruktion mit ihren hohen Wänden ist beklemmend und vor allem die Soundkulisse dringt tief in mich ein und bereitet mir Übelkeit.
Also lege ich mich zu den anderen Menschen auf die Matten in der ersten Kammer der Installation und warte darauf, dass die KI sich dazu entscheidet sie aufzupumpen. Als das passiert kugeln einige lachend von den Matten. Ich schaffe es, mich darauf zu halten und genieße die Auszeit von der auslaugenden Installation. Als ich wieder aufstehe, sehe ich die anderen Menschen wie die Fliegen auf dem Boden liegen und warten.
Der Anblick ist absurd. In der kühlen, blanken Atmosphäre der Konstruktion wirken wir Menschen wie Fremdkörper. Als einige anfangen, sich gegen die Wände zu werfen, werden die Fremdkörper zu Parasiten. Eine Einheit von Mensch und Maschine ist nicht zu spüren.
„Zwischen körperlicher Euphorie und nervösem Unbehagen“ wie es das Programmheft schreibt, trifft mein Erlebnis recht gut. „You have never experienced“ ist dann aber doch etwas zu hoch gegriffen.