Neues aus der Forschung
Künstliche Haut für echte Berührungen
Hunderte Kilometer Entfernung und trotzdem kann ein Pärchen händchenhaltend einschlafen. Ein Computerspiel nicht mehr nur akustisch und optisch sondern sogar taktil erleben: Was aktuell noch utopisch klingt, soll in Zukunft möglich sein. Aber wie soll das gehen? Durch künstlich entwickelte Pflaster können Berührungen hautnah wahrgenommen werden – in Form von Streicheleinheiten, in einem virtuellem Kampf im Bildschirm, oder in sämtlichen medizinischen Anwendungsbereichen.
Das künstliche Hautpflaster
Wie ein großes Pflaster sieht das synthetische Stück Haut aus, das die Wahrnehmung von Berührungen möglich macht. Entwickelt wurde es von einem Wissenschaftsteam um John Rogers von der Northwestern University in Evanston. Besonders an dieser Haut sind Antennen, die schlangenlinienartig integriert sind und Signale empfangen können. Zwar gibt es bereits ähnliche Geräte. Diese neue Entwicklung unterschiedet sich laut Rogers insofern von den Vorgängern, als dass für die Stromversorgung keine Batterien oder Kabel nötig sind. Die Energie wird stattdessen über Radiowellen übertragen.
Vom Touchscreen zur Berührung
Über einen Touchscreen ist es dann möglich, Berührungsempfindungen elektronisch auf die synthetische Haut zu übertragen. Die Standardausführung besteht aus 32 Bauteilen, die sich jeweils aus einer flachen Spule und einem Kunststoffring, umschlossen von einem Magneten, zusammensetzen. Wird also ein Signal am Touchscreen initiiert fließt Strom durch die Spule und der Magnet beginnt zu vibrieren. Und das fühlt man dann auf der eigenen Haut.
Wo kann man das nutzen?
Das Ganze kann dann sowohl in Bereichen der Medizin, der Unterhaltungsbranche wie auch der sozialen Interaktion genutzt werden. Menschen mit einer Prothese als Hand können zum Beispiel durch diese Entwicklung die Formen von Gegenständen wahrnehmen. Wenn etwas mit der Prothese ertastet wird, kann diese Berührung dann über die, beispielsweise auf dem Oberarm angebrachten, künstlichen Haut wahrgenommen werden.
Im Rahmen von Computerspielen könnten gleich mehrere „Kunsthautpflaster“ an verschiedenen Körperstellen angebracht werden – etwa an Hand, Ellenbogen, Brust oder Rücken. Dadurch können Spiele dann noch aktiver wahrgenommen werden.
Auch im sozialen Bereich können die Pflaster verwendet werden. Ganz konkret kann zum Beispiel eine Mutter ihr Kind aus der Entfernung „streicheln“. Die Berührung der Mutter auf dem Touchscreen wird dann auf das Kind übertragen und fühlt sich – laut den Forschern – wie eine echte Berührung an. Das könnte auch für Paare zum Beispiel in Fernbeziehungen interessant sein und bietet noch viele weitere Entwicklungsmöglichkeiten.
Aktuell wird kritisiert, dass der Gesamtstromverbrauch der Technologie noch sehr hoch ist und dadurch der praktische nachhaltige Einsatz noch eingeschränkt ist. Obwohl der Prototyp noch nicht auf dem Markt ist, ist er bereits weit entwickelt und könnte somit schon bald in die Industrie einsteigen.
Haut als Hülle
Zum Thema Haut gibt es in Frankreich auch eine etwas skurrile Innovation: eine Handyhülle aus künstlicher Haut. Die Hülle wurde im Rahmen des Forschungsprojekts „Skin-On Interfaces“ von einem Team unter anderem von der französischen Ingenieurschule Télécom ParisTech entwickelt. Sie basiert darauf, dass Menschen die Tendenz haben, Beziehungen zu ihren sozialen Partnern aufzubauen. Und das nicht nur zu Menschen sondern eben auch zu mobilen Geräten. Dadurch könnte ein neues Bedienkonzept für mobile Geräte entwickelt werden. Die Hauthülle kann nämlich Kneifen, Dehnen und sogar Kitzeln wahrnehmen. Bestimmte Gesten können sogar mit Emotionen assoziiert werden.
Man könnte also sagen, dass diese Entwicklungen eine neue radikale Ansicht wagen. Statt wie bisher oft Menschen mit maschinellen Möglichkeiten zu optimieren, könnten jetzt Maschinen mit menschlichen Fähigkeiten – wie Fühlen – erweitert werden.