Sucht nach Selbstverbesserung

Krankheit unter dem Deckmantel der Selbstverbesserung

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Den Winter nutzen, um sich zu stärken und an sich selbst zu arbeiten. Was erstmal positiv und gesund klingt, kann beim so genannten winter arc schnell zur krankhaften Sucht werden. In der Online-Gym-Kultur wird jungen Männern ein besseres Selbst vorgelebt. Das schickt viele von ihnen auf einen gefährlichen Grad zwischen Disziplin und Essstörung.

Eiserner Wille, Mindset und Selbstdisziplin. In diesem Zeichen stehen die kalten Monate für viele ambitionierte Sportler:innen, während ihrem sogenannten “winter arc”. Während das Leben draußen uninteressant scheint, wird die Zeit genutzt, um die “beste Version” seiner Selbst zu werden. Ein gut gemeintes Ziel, das leider zu oft auf Kosten von Sozialkontakten und mentaler Gesundheit geht.  

Gym-Kultur wird dann gefährlich, wenn der Wert einer Person an ihrem Fitnesslevel gemessen wird.

Rui Tanimura – Ernährungscoach

Im Grunde ist eine Community mit geteiltem Interesse an Bewegung und körperlicher Veränderung nichts grundlegend Schlechtes. Der Fokus auf regelmäßige Bewegung und gesunde Ernährung wird von vielen Fitnessenthusiast:innen in angemessenen Maßen gelebt. Auch Disziplin, Reflexion über persönliche Ziele und das Gemeinschaftsgefühl beim Sport wirken sich in erster Linie erstmal positiv auf viele Menschen aus.  

Der Einfluss von Social Media

Der Antrieb, an seiner Fitness und an seinem Körper zu arbeiten, kann aus einem gesunden Körperbild heraus entstehen. Schwierig wird es dann, wenn der Drang kein Ende nimmt und zur Sucht wird. Denn der Zusammenhang mit Krankheitsbildern zeigt sich durch eine erhöhte Zahl an Menschen mit Essstörungen in der Gym-Community. Diverse Studien belegen eine zunehmende Tendenz dazu, dass das gesunde Maß häufig überschritten wird.  

Und das wird auf den Social Media-Kanälen ungefiltwert gepusht : Durch den ständigen Vergleich mit vermeintlichen Fitnessvorbildern wird-das eigene Körperbild noch weiter verzerrt.  

Ein Blick in den Instagram Feed von Fitness-Interessierten vermittelt ein erschreckend verzerrtes Bild der Realität. Der “durchschnittliche” Männerkörper hat Sixpack, 10 Prozent Körperfettanteil und mindestens 45 Zentimeter Bizepsumfang. Und das alles problemlos antrainiert neben einem Vollzeitjob. Ein konventionell athletischer Körper wirkt beinahe schmächtig gegenüber einem Übermaß an Bodybuilding Influencern, mit höchst fragwürdigen Methoden und Substanzen. Hinzu kommen unreflektierte Ernährungstipps mit Proteinshakes und anderen Ergämzungsmitteln à la “muss ned schmecken muss wirken”, in denen ein krankhaftes Verhältnis mit Essen zur Norm wird. 

Selbstverbesserung kann zur Sucht werden

Beschäftigt sich eine Person in extremem Ausmaß mit der Muskelmasse ihres Körpers, spricht man von einer Muskeldysmorphie. Auch bekannt als Adonis-Komplex. Das eigene Selbstwertgefühl ist so stark von einer muskulösen Figur abhängig, dass alles andere vernachlässigt wird. Familie und Freunde, sowie Arbeit oder Bildung werden hinten angestellt um den “perfekten” Körper zu erreichen.  

Personen mit einem niedrigen Selbstwertgefühl sind am stärksten betroffen. Besonders junge Männer. Muskelsucht wird von Betroffen durch ihr gestörtes Körperbild oft nicht als eine Krankheit empfunden. Besonders bei Männern wird sie oft spät erkannt, da Essstörungen häufig als “Frauenkrankheiten” stigmatisiert sind. Aus Angst davor Schwäche zu zeigen ignorieren die Betroffenen die krankhafte Sucht.

Wie können sich junge Leute schützen?

Die Gym-Community wird immer jünger. Umso wichtiger ist es, gesunde Körperbilder zu schützen und die Stigmatisierung dahinter aufzulösen. Außerdem können Angehörige und Freunde helfen, indem sie auf ihre Nächsten achten und bei gefährlichem Verhalten früh genug das Gespräch suchen. Dazu gibt es außerdem eine Vielzahl an Hilfsangeboten wie auch das Beratungstelefon der BZgA unter +0221 892031.