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M94.5 Filmkritik
Kingsman im Anzug
Kingsman: The Golden Circle weckt im Zuschauer vor allem ein Bedürfnis – irgendwann auch so einen schicken Anzug aus der Saville Row zu besitzen.
Ungefähr zehn Minuten lang wähnt man sich im falschen Film: Die völlig überdrehten technischen Spielereien schauen nicht nach James Bond, sondern nach Men In Blackaus. Der Soundtrack klingt nach Captain America (selber Komponist) und der Bösewicht ähnelt typischen Spiderman-Gegnern. Regisseur Matthew Vaughn – genau, “Herr Claudia Schiffer” – bedient sich für Teil 2 von Kingsman ganz ungeniert bei anderen Comic-Verfilmungen. Die großzügig eingestreuten Reminiszenzen trösten aber nicht über den mangelnden Charme der Geschichte hinweg.
Transatlantische Kooperation der Geheimagenten
Die Story selbst ist relativ schlicht gehalten: Nach einem verheerenden Anschlag muss die britische Geheimorganisation Kingsman mit ihrem amerikanischen Pendant Statesman zusammenarbeiten. Als Tarnfirma dient den Amerikanern statt einer Herrenschneiderei eine Bourbon-Destillerie in Kentucky. Gemeinsamer Feind ist ein weltweit operierender Drogenring, der Golden Circle. Dessen Chefin Poppy sitzt – sehr zu ihrem Leidwesen – völlig unbeachtet irgendwo im kambodschanischen Dschungel. Dort hat sie sich als Trost eine Kleinstadt im Stil der Fünfziger Jahre gebaut.
Zu viel Klischee und zu viel los
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© 2017 Twentieth Century Fox
Das Aufeinandertreffen von Amis und Engländern soll witzig sein. Leider werden die Statesman-Agenten (allen voran Channing Tatum) mit einer dermaßen dämlichen Südstaatler-Attitüde versehen, dass man der hinterhältigen Poppy (zugleich zuckersüß und furchterregend dargestellt von Julianne Moore) die Weltherrschaft wünscht. Im Gegensatz zu ihren ebenfalls Oscar-prämierten Kollegen Colin Firth, Jeff Bridges und Halle Berry bekommt sie immerhin genügend Raum, ihr schauspielerisches Talent zu zeigen. Model und Neu-Schauspielerin Poppy Delevigne dagegen zeigt, dass sie keine Angst hat, ihren Schritt in Großaufnahme filmen zu lassen, wenn es das Drehbuch erfordert: Der Peilsender muss auf der Schleimhaut installiert werden, und zwar nicht auf der Nasen-Schleimhaut.
Schick verpackt und choreografiert
Kingsman punktet vor allem mit einigen schön choreografierten Action-Szenen. Und mit Elton John, der beim großen Showdown auf hohen Hacken und in voller Feder-Montur durch das Bild springt. Ein bisschen mehr dieser Verschrobenheit à la Mit Schirm, Charme und Melonehätte dem Ganzen gut getan. So ist daraus immerhin ein schicker Werbespot für die hohe Schneiderkunst der Saville Row geworden: Taron Egerton, Colin Firth und Mark Strong sind im Zweireiher mit englischem Revers echte Hingucker.
“Kingsman: The Golden Circle” läuft ab 21. September 2017 in den deutschen Kinos