M94.5 Filmkritik
Kingsman im Anzug
Kingsman: The Golden Circle weckt im Zuschauer vor allem ein Bedürfnis – irgendwann auch so einen schicken Anzug aus der Saville Row zu besitzen.
Ungefähr zehn Minuten lang wähnt man sich im falschen Film: Die völlig überdrehten technischen Spielereien schauen nicht nach James Bond, sondern nach Men In Blackaus. Der Soundtrack klingt nach Captain America (selber Komponist) und der Bösewicht ähnelt typischen Spiderman-Gegnern. Regisseur Matthew Vaughn – genau, “Herr Claudia Schiffer” – bedient sich für Teil 2 von Kingsman ganz ungeniert bei anderen Comic-Verfilmungen. Die großzügig eingestreuten Reminiszenzen trösten aber nicht über den mangelnden Charme der Geschichte hinweg.
Transatlantische Kooperation der Geheimagenten
Die Story selbst ist relativ schlicht gehalten: Nach einem verheerenden Anschlag muss die britische Geheimorganisation Kingsman mit ihrem amerikanischen Pendant Statesman zusammenarbeiten. Als Tarnfirma dient den Amerikanern statt einer Herrenschneiderei eine Bourbon-Destillerie in Kentucky. Gemeinsamer Feind ist ein weltweit operierender Drogenring, der Golden Circle. Dessen Chefin Poppy sitzt – sehr zu ihrem Leidwesen – völlig unbeachtet irgendwo im kambodschanischen Dschungel. Dort hat sie sich als Trost eine Kleinstadt im Stil der Fünfziger Jahre gebaut.
Zu viel Klischee und zu viel los
Das Aufeinandertreffen von Amis und Engländern soll witzig sein. Leider werden die Statesman-Agenten (allen voran Channing Tatum) mit einer dermaßen dämlichen Südstaatler-Attitüde versehen, dass man der hinterhältigen Poppy (zugleich zuckersüß und furchterregend dargestellt von Julianne Moore) die Weltherrschaft wünscht. Im Gegensatz zu ihren ebenfalls Oscar-prämierten Kollegen Colin Firth, Jeff Bridges und Halle Berry bekommt sie immerhin genügend Raum, ihr schauspielerisches Talent zu zeigen. Model und Neu-Schauspielerin Poppy Delevigne dagegen zeigt, dass sie keine Angst hat, ihren Schritt in Großaufnahme filmen zu lassen, wenn es das Drehbuch erfordert: Der Peilsender muss auf der Schleimhaut installiert werden, und zwar nicht auf der Nasen-Schleimhaut.
Schick verpackt und choreografiert
Kingsman punktet vor allem mit einigen schön choreografierten Action-Szenen. Und mit Elton John, der beim großen Showdown auf hohen Hacken und in voller Feder-Montur durch das Bild springt. Ein bisschen mehr dieser Verschrobenheit à la Mit Schirm, Charme und Melonehätte dem Ganzen gut getan. So ist daraus immerhin ein schicker Werbespot für die hohe Schneiderkunst der Saville Row geworden: Taron Egerton, Colin Firth und Mark Strong sind im Zweireiher mit englischem Revers echte Hingucker.
“Kingsman: The Golden Circle” läuft ab 21. September 2017 in den deutschen Kinos