Altes Handwerk
Kerzenziehen, wer macht das noch?
Kerzenhersteller:in ist ein sehr alter und mittlerweile auch sehr seltener Beruf. In der einzigen Berufsschule in München lernen wenige Schüler:innen das Kerzenziehen, Verzieren und Wachsbildnern.
Über drei Kilo Kerzen pro Person brennen bei den Deutschen pro Jahr in Kirchen, auf Adventskränzen und Restauranttischen. Diese Mengen werden heutzutage hauptsächlich durch Maschinen hergestellt. Doch wer bedient diese Maschinen, wer hat das Wissen und Know-How, das nötig ist, um schöne und vor allem sicher brennende Kerzen herzustellen?
Christiane Bierler von der deutschen Kerzeninnung erklärt, wie viele Betriebe es in Deutschland überhaupt noch gibt: „In unserer Innung haben wir derzeit 46 Vollmitglieder. Das sind Betriebe, die von Handwerksmeistern geführt werden. Dann gibt es aber noch andere Betriebe, mit denen zusammen haben wir ca. 80 Betriebe.“
Es gibt ca. 80 Kerzenherstellerbetriebe der Innung in ganz Deutschland. Das haben manche KfZ-Mechatroniker in einer Region.
Christiane Bierler, Geschäftsführerin der deutschen Kerzeninnung
Diese Zahlen erreichen manche KfZ-Betriebe allein in einer Region. Auch die Innung ist im Vergleich zu vielen anderen Handwerken besonders. Innungen sind als Nachfolger der Zünfte normalerweise auf Länderebene organisiert. Bei den Kerzenzieher:innen ist ihre Innung für ganz Deutschland zuständig. Wer sich zum/zur Kerzenhersteller:in oder zum/zur Wachsbildner:in ausbilden lassen möchte, kann das in der einzigen Berufsschule in ganz Deutschland in München machen.
In München kann man Kerzenherstellen lernen
Bei Elena Reich lernen Interessierte das Handwerk und die sehr alte Tradition des Kerzenziehens sowie des Wachsbildens kennen. Die Ausbildung dauert drei Jahre und beschäftigt sich mit allen Prozessen der Kerzenproduktion, ihrer Gestaltung und dem Verkauf. Dabei lernen die Schüler:innen nicht nur theoretische Sachen, sondern haben immer den Bezug zum Berufsfeld und zur Praxis. Dort kommt ein besonders praxisorientiertes Lernumfeld zum Einsatz:
Die Schüler:innen lernen in sog. Lernfeldern die Inhalte, welche sie für das Herstellen und Verzieren von Kerzen brauchen. Dabei beschäftigen sich auch immer die anderen Fächer wie Deutsch oder Sozialkunde aus ihrer Perspektive mit den Thematiken. In Deutsch wird dann zum Beispiel der Text für das Label entwickelt.
Aktuell unterrichtet Elena Reich vier Schülerinnen im zweiten Lehrjahr. Das ist verhältnismäßig viel, denn normalerweise hat sie ca. zwei Schüler:innen pro Lehrjahr. „Dabei sind eigentlich auch immer Jungs dabei, dieser Jahrgang ist eine Ausnahme“, erklärt Elena Reich. Ihre jetzigen Schülerinnen haben sich alle für den künstlerischen Zweig des Kerzenherstellen entschieden, dem Wachsbildnern. Sie sorgen dafür, dass die Kerzen nicht nur sicher brennen, sondern auch schön aussehen.
Zu der Ausbildung sind sie alle eher zufällig gekommen. Laura John berichtet, wie sie den Beruf entdeckt hat: „Ich habe bei der Arbeitsagentur die Ausbildungen einfach durchgeblättert und auf der vorletzten Seite, das war Seite 100 und irgendwas, da hab ich den Beruf gesehen und nicht gewusst, was das war. Dann habe ich mich darüber informiert und mich dann entschieden, mich da zu bewerben.“ Die anderen Schülerinnen haben ähnliches berichtet. Im Vordergrund stand bei allen der Wunsch, etwas Kreatives und Künstlerisches zu machen. Sie wollen ihr Hobby zum Beruf machen.
Mit Wachs kann man nicht nur Kerzen herstellen
Aber nicht nur das war ihr Wunsch, Jana Aulbach möchte zum Beispiel noch in eine etwas andere Richtung gehen: „Ich möchte nach der Ausbildung zur Kripo gehen. Da habe ich den Beruf, der mich interessiert und gleichzeitig noch ein bisschen Action dazu. Dort kann man von Personen, die tot aufgefunden werden, zusammen mit der IT ein 3D-Bild des Opfers erstellen. Das wird dann in Echt aus Wachs gemacht, und daran kann man zum Beispiel nachvollziehen wie Verletzungen entstanden sind.“
Kerzenhersteller:in kann also ein Sprungbrett in andere Berufe sein, es gibt aber auch Möglichkeiten, selbstständig Geld zu verdienen. „Man kann zum Beispiel auch selbstständig eine oder mehrere Werkstätten leiten und damit gut Geld verdienen“, meint Elena Reich. Man merkt sofort, dass alle Schülerinnen für ihre Ausbildung brennen. Sie bringen von zuhause Formen für Verzierungen mit oder zeichnen selbst Bilder, die sie dann auf die Kerzen bringen können.
Wer kreativ arbeiten möchte, für den ist Wachsbildnern etwas
Elena Reich würde sich noch mehr dieser kreativen Köpfe wünschen, um die Tradition dieses alten Berufs weiterzugeben: „Es ist wichtig, dass diese alten Traditionen und diese Handwerkskunst nicht aussterben.“ Deshalb macht sie gerne immer wieder Werbung für den Beruf und die Ausbildung. Unentschlossenen rät sie dabei : „Wenn ihr Lust habt auf Kreatives Arbeiten, wenn ihr Bock habt, etwas zu erstellen, dass man hinterher mit nach Hause nehmen kann, dann werdet Kerzenhersteller:in oder Wachsbildner:in. Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr dann zu uns in die Berufsschule für Farbe und Gestaltung kommt. Wir sind eine sehr bunte Gruppe, in der sich jeder wohlfühlen und selbst verwirklichen kann.“
Für Interessierte gibt es auch noch einen Videopodcast.
Mehr Infos direkt zur Ausbildung gibt es direkt auf der Website der Kerzeninnung.