Essay
Kein Platz für die Anderen
Dass sich die deutsche Politik geschlossen an die Seite Israels stellt und den brutalen Terrorangriff der Hamas verurteilt, ist wichtig. Für die Opfer in Gaza lässt sie dabei bisher allerdings nicht viel Raum.
Die Bilder, die Israels Ministerpräsident Netanjahu dem US-Außenminister Blinken bei dessen gestrigen Besuch zeigte, dokumentieren die menschenverachtende Brutalität, mit der Terrorist:innen der radikal-islamischen Hamas bei ihrem Großangriff auf Israel mehr als 1.300 Menschen ermordet und rund 150 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt haben. Die meisten von ihnen waren wehrlose Zivilist:innen – unter ihnen Frauen, Kinder und Senior:innen. Noch immer beschießt die Hamas Israel mit Raketen.
Die deutsche Politik spricht sich geschlossen gegen die Hamas aus, kündigt Betätigungsverbote an und erhöht den Schutz jüdischer Einrichtungen. Bundeskanzler Scholz hat erste Konsequenzen gezogen, der Deutsche Bundestag Israels Opfern gedacht und dem Staat einstimmig seine Solidarität zugesagt. Die Botschaft ist so klar wie wichtig: Deutschland verurteilt den islamistischen Terror gegen Israel. Er ist durch nichts zu rechtfertigen.
Die Vereinten Nationen sehen im Gazastreifen eine humanitäre Katastrophe.
Unterdessen sprechen die Vereinten Nationen in Folge israelischer Luftangriffe und der Abriegelung durch Israel und Ägypten von einer “unbeschreiblichen” und “beispiellosen” humanitären Lage im Gazastreifen. Wo auf einer etwas größeren Fläche als der von München rund 2,3 Millionen Menschen leben, beklagt das palästinensische Gesundheitsministerium inzwischen mindestens 1.799 Tote.
Auch eine Bodenoffensive wird wahrscheinlicher: Israel hat die über eine Million Menschen in Gaza Stadt und im Norden des Küstenstreifens dazu aufgefordert, in den Süden zu fliehen. Eine solche Evakuierung sei ohne verheerende humanitäre Folgen unmöglich, so ein Sprecher von UN-Generalsekretär Guterres.
Die deutsche Politik äußert sich kaum zur Situation im Gazastreifen.
Josep Borrell, hoher Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik und Vizepräsident der Kommission, hat Israel vorgeworfen, es würde mit einigen Entscheidungen im derzeitigen Krieg das Völkerrecht verletzen. Dazu gehöre die Abriegelung des Gazastreifens, der auf Anordnung des israelischen Energieministers Katz von der Strom- und Wasserversorgung abgeschnitten wurde. Auf derartige Äußerungen der deutschen Politik warten Palästinenser:innen bisher weitgehend vergeblich. Zu groß scheint die Sorge zu sein, jedwedes Verständnis für die Situation von Palästinenser:innen könnte als Relativierung der Gräueltaten der Hamas gedeutet werden.