Kommentar

Zeit für echte europäische Solidarität

/ / Bild: M94.5 / Michael Goder

Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise werden nicht nur für Deutschland enorm sein – viel härter wird es aller Voraussicht nach zum Beispiel Spanien und Italien treffen. Im Gegensatz zu Deutschland, wo in den letzten Jahren stets die “schwarze Null” erreicht wurde, sind diese Länder deutlich höher verschuldet und brauchen jetzt finanzielle Unterstützung. Europäische “Corona-Bonds” sind dafür die richtige Lösung. Ein Kommentar von Thomas Kreidemeier.

Mitten im Corona-Lockdown hat der deutsche Finanzminister Olaf Scholz “die Bazooka” rausgeholt – so sein Wortlaut. Die Bazooka: Das ist ein Konjunkturprogramm von etwa 500 Milliarden Euro. Auch in Italien und Spanien ist die Wirtschaft durch die Pandemie praktisch zum Erliegen gekommen. “Die Bazooka” rausholen kann man in diesen Ländern nicht einfach so: In Spanien liegt die Staatsverschuldung bei fast 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, in Italien sogar bei 130 Prozent. Kredite, zum Beispiel durch die Ausgabe von Staatsanleihen, bekommen diese Länder nur noch zu hohen Zinsen. Und die stürzen sie immer tiefer in den Teufelskreis der Schulden. Anders wäre das, wenn die Europäische Union gemeinsam Schulden aufnähme – in Form von “Corona-Bonds”. Und genau das muss auch geschehen.

Bild: M94.5/ Nicole Albrecht

Italien und Spanien vor dem Untergang bewahren

Da in diesem Fall finanziell stabile Staaten wie Deutschland und die Niederlande mithaften, wären die Anleihen für Kreditgeber wesentlich ausfallsicherer – und die Darlehen gäbe es zu günstigeren Konditionen. Die Bonds wären daher nicht nur ein starkes Signal der Solidarität, sondern wirtschaftlich sinnvoll. Zum einen, um den europäischen Partnerländern und ihren Bürgern in der Not zu helfen; zum anderen, weil sonst die gesamte Eurozone und damit auch deutsche Interessen in Gefahr sind. Zwar bemitleiden sich Nationalisten seit Jahren als “größter Nettozahler” – es ist aber unstrittig, dass das Exportland Deutschland im Zentrum der EU zu den größten Profiteuren der europäischen Integration gehört. Jetzt eine “Jeder-kämpft-für-sich-alleine-Mentalität” zu vertreten, ist egoistisch und kurzsichtig.

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Die entschiedenste parlamentarische Stimme für die Corona-Bonds ist in Deutschland die Linke.

Es stimmt: Noch hat kein EU-Land wirklich Refinanzierungs-Probleme. Wenn Staatsanleihen mit 10-20 Prozent verzinst werden müssen, steigen die Schulden von Italien und Co. aber genauso exponentiell an wie die Zahlen der Corona-Infizierten. Schon in der Eurokrise standen “Euro-Bonds” zur Debatte. Stattdessen wurden Länder, vor allem Griechenland, zum Kaputtsparen gezwungen. Dass Italien jetzt durch die Corona-Pandemie so überfordert ist und viele Tote zu beklagen hat, ist auch die Schuld von Deutschland: Jahrelang musste Italien im Gesundheitswesen kürzen – und zwar wegen des von der EU aufgezwungenen Sparkurses. Fälschlicherweise werden Corona-Bonds als “Freibrief zum Verschulden” verunglimpft. Aber niemand verlangt, dass die Vergemeinschaftung von Schulden in der EU zum Dauerzustand werden muss. Zwingend notwendig ist jedoch, jetzt gemeinsam an einem Strang zu ziehen und Solidarität in der Krise zu zeigen – gegenseitiger Schutz gegen die gemeinsame Bedrohung.

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Auch die Grünen machen sich für mehr europäische Solidarität stark.

Corona geht uns alle an – und niemand ist daran schuld

Denn es geht um die Bedrohung durch eine Krise, wohlgemerkt, in die Italien und Spanien genauso unverschuldet geraten sind wie Deutschland. Mit einer Pandemie, die die Industrie völlig zum Erliegen bringen kann und gigantische staatliche Hilfszahlungen unerlässlich macht, hat niemand gerechnet, auch nicht in Deutschland. Schlechtes Wirtschaften und mangelndes Haushalten kann man hier den besonders hart betroffenen Ländern also nicht zum Vorwurf machen. Doch schon jetzt werden sie zu Unrecht zu Bittstellern stigmatisiert. Auch Deutschland sollte daran gelegen sein, dass die Länder die Pandemie konsequent mit allen nötigen Mitteln bekämpfen. Das können sie aber nicht, wenn Deutschland sie zwingt, aus wirtschaftlichen Gründen Schutzmaßnahmen zu früh zu lockern. Wenn uns deutsche Leben Milliardenkredite wert sind, sollten es uns italienische und spanische genauso wert sein. Deshalb muss ein reiches Land wie Deutschland dem hochverschuldeten Südeuropa helfen, nach der Krise schnell wieder auf die Beine zu kommen.

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Zudem mehren sich in der SPD die Stimmen, die Corona-Bonds fordern.

Dafür ist das bisher von der Regierung bevorzugte europäische “Sicherheitsnetz” von ca. 500 Milliarden Euro nicht grundsätzlich falsch, aber zu wenig. Alleine Italien hat gestern angekündigt, dass für die Rettung ihrer Wirtschaft ein Konjunkturprogramm von 400 Milliarden Euro unvermeidlich ist. Diese “Bazooka” für die Wirtschaft sollten Corona-Bonds mitfinanzieren: eine gemeinsame europäische Anleihe zu bezahlbaren Zinsen. Und zwar möglichst schnell.