Platte des Monats Mai 2018
International Music – Die besten Jahre
Die besten Jahre sind vorbei? Laut International Music ja. Für die deutsche Musikwelt scheinen aber noch gute Jahre bevorzustehen. Zumindest mit Die besten Jahre, dem Debütalbum des Essener Trios. Angelehnt an experimentelle Rockbands aus den 1960ern beherrschen sie das breite Spektrum an psychedelischen Klängen perfekt und mischen sie mit wunderbar erfrischenden Texten über die Schulzeit oder einen Kneipenabend.
International Music. Klingt wie eine Genre-Abteilung in einem Plattenladen. Dabei stecken dahinter drei Männer aus Essen. Und jetzt versucht erstmal, diesen Bandnamen zu googeln. So etwas verlangt schon eine gehörige Portion Selbstbewusstsein. Und die haben Pedro, Peter und Joel allemal.
Velvet Underground meets Jesus & Mary Chain meets International Music
Psychedelischer Rock, schwurbelige Gitarren und ein treibender Beat. Klingt bekannt? Ist es auch. The Velvet Underground diente für die Essener als Inspirationsquelle. Was schon bei Lou Reed und Co. funktioniert hat, passt genauso zu International Music. Das Trio verschreibt sich auf seinem Debüt Die besten Jahre voll und ganz den verschwurbelten Klängen der 1960er. Diesen Sound beherrschen sie perfekt. Dazu im Hintergrund eine schrammelnde Gitarre, die sich langsam aber sicher ihren Weg nach vorne bahnt, unterlegt mit stoischen Drums, die den Takt angeben. Diese Konstruktion der Songs ähnelt denen von The Jesus & Mary Chain, was bestätigt: International Music fühlen sich neben Psychedelic Rock auch zu Shoegaze hingezogen.
Nur sinnlose Beschreibungen?
„Frauen müssen geil sein, Männer müssen cool sein, Jobs müssen Geld bringen.“ Auf den ersten Blick einfach nur sinnlose Texte? Die ersten Zeilen der Vorabsingle „Cool bleiben“ locken da schon fast auf eine falsche Fährte im Hinblick aufs Album. Die Songtexte der Band, die ohne den Drummer auch als Düsseldorf Düsterboys musizieren, scheinen nicht sofort Sinn zu ergeben. Oft sind sie einfach gestrickt und beschreiben die Umgebung. Steckt da was dahinter? Auch sonst stellt sich beim ersten Hören die Frage nach der Ernsthaftigkeit dieser Zeilen. Der verspulte und oft auch gewollt genuschelte Gesang erinnert zwar wiederum an Velvet Underground, statt poetischen Songzeilen geht’s bei International Music aber um eine Kneipe („Kneipe“) oder den verhassten Schulleiter („Du Hund“).
„Mein Magen tut mir weh, ich geh nicht in die Schule. Der Rektor ruft mich an, was will er mir nur sagen? Was gibt’s, was mir nur der Rektor sagen kann? Ich will nicht in die Schule. Du Hund hast mich an der langen Leine!“
Cool sein und cool bleiben
Jeder der insgesamt 17 Tracks besteht aus herrlich verdrehten und naiven Zeilen. Insgesamt kommt die Platte auf stattliche 63 Minuten – die Vinylversion sogar auf 83 Minuten: Durch eine andere Version des Songs „Für alles“, bei dem die Band in feinster Shoegaze-Manier jammt, wird der ursprünglich zweiminütige Song auf beachtliche 20 Minuten ausgedehnt. Trotzdem wird die Mischung aus psychedelischen Instrumentals und verschwurbelten Texten nie langweilig. Im Gegenteil, die anfangs sinnlosen Lyrics liefern bei erneutem Hören sogar eine kritische, an der Existenz zweifelnde Ebene. Und dann erst wird klar: „Cool bleiben“ ist nicht einfach nur ein Song, der das wohl kreativste Lebensmotto im Titel trägt, sondern kämpft mit den Zwängen im System.
Weniger ist mehr, nichts ist viel
Abschrecken lassen sollte man sich vom Bandnamen definitiv nicht. Die Essener schreiben simple, aber intelligente Texte. Die Musik ist clever und durchdacht, bleibt immer spannend und gleicht nie auch nur einen Hauch der sonst so langweiligen deutschen Musikszene. Das Trio trifft perfekt den heutigen Zeitgeist und das, obwohl es musikalisch auch aus dem Jahr 1969 stammen könnte. Verschwurbelt und doch einfach, schräge aber doch tiefgründige Texte. Dazu der stellenweise affektierte, altmodische Gesang, der die Texte passender nicht wiedergeben könnte. Diese eigensinnigen Zeilen machen die Klischees von Psychedelic Rock über Shoegaze aus vergangenen Jahrzehnten wieder spannend. Bekannte Elemente aus der Pop-Kultur werden so wieder neu zusammengefügt und passen damit ins Jahr 2018. International Music klingen melancholisch, ohne dass die Texte vor Kitsch triefen. Außerdem erschaffen sie musikalische Sphären und experimentieren gekonnt in riesigen psychedelischen Klangwelten. Und das, ohne sich dabei darin zu verlieren. Die besten Jahre sind noch längst nicht vorbei!
Die besten Jahre von International Music ist am 27.04.2018 bei Staatsakt erschienen.