Kommentar
Influencer:innen – Finger weg von Ernährungstipps!
CN: Ernährungstipps und Essstörung
Ernährungstipps gibt es wie Sand am Meer. Von Lowcarb bis hin zur Saftkur. Während es früher noch die Ernährungs- und Diättipps in der Brigitte oder der Men’s Health waren, wird diese Rolle längst von Influencer:innen übernommen. Doch oft erzählen sie uns von ihren Erfahrungen und geben Tipps weiter, ohne nennenswerte Qualifikationen im Ernährungsbereich zu haben. Viktoria Schmück findet das falsch. Ein Kommentar.
Die Ernährungstipps von Influencer:innen überfluten die sozialen Medien. Von Menschen, die auf eine Lowcarb-Diät schwören, bis hinzu Personen, die meinen, ohne 10 Eier am Tag werde der tägliche Proteinbedarf nicht gedeckt. Natürlich muss man hier unterscheiden: Manche Tipps zielen darauf ab, Muskeln aufzubauen, wieder andere versprechen Abnehmerfolge.
Was die meisten Videos trotzdem gemeinsam haben:
1. Aussehen und Schönheitsideale
Die Contentcreator:innen entsprechen häufig den westlichen Schönheitsidealen. Sie sind schlank, schön und sportlich.
Damit vermitteln sie ein Bild à la: Hey, beachte nur diese Tipps und schon siehst du aus wie ich!
Doch ganz so einfach ist das leider nicht. Jeder Körper ist anders. Das fängt allein schon bei anatomischen Merkmalen wie Körperbau und Knochenstruktur an. Aber auch Stoffwechsel und Hormonspiegel spielen eine Rolle. Diese Hintergründe kennen wir ja auch bei Influencer:innen gar nicht. Vielleicht waren sie einfach schon immer schlank.
Dabei darf auch nicht vergessen werden, dass Arbeit für Influencer:innen unter anderem genau dieses “auf den Körper achten” bedeutet. Sei es jetzt frisch und gesund kochen oder Sport machen. Sie verdienen damit ihr Geld, ihren Lifestyle ins Netz zu stellen, während es für andere einfach die Zusatzarbeit am Abend ist.
2. Kein ernährungswissenschaftlicher Hintergrund
Auch wenn Influencer:innen mit Ernährungscontent Geld verdienen, bedeutet das oft nicht, dass sie einen ernährungswissenschaftlichen Hintergrund haben. Sie haben sich also nicht im Rahmen einer Ausbildung oder eines Studiums intensiv mit dem Thema Ernährung auseinandergesetzt. Diese vermeintlichen “Tipps” sind also meistens entweder Erfahrungsberichte oder recherchiert per Google und Co.
Wenn es sich um einen Erfahrungsbericht handelt, sollte es auch genauso deklariert werden. Was für den/die eine:n funktioniert, bringt bei den/die andere:n vielleicht ziemlich wenig. Ernährung ist immer auch individuell.
Wenn es sich um Internetrecherche handelt, muss die Frage erlaubt sein: Warum nicht einfach die Quellenangaben angeben? Nicht alles, was auf irgendeiner Website über Ernährung steht, sollte dann auf Tiktok als absolute Wahrheit und “bester Abnehmtipp überhaupt” dargestellt werden.
3. Keine Rücksicht auf Essstörungen
Ernährung ist ein sensibles Thema. Für die eine Person mehr, für die andere weniger. Rücksicht kann man trotzdem nehmen. Warum das häufig nicht passiert, liegt wahrscheinlich am fehlenden Bewusstsein darüber, welche Aussagen triggern können und welche nicht. Eine allgemeine Contentwarnung vor Videos, die über Ernährungstipps handeln, sollte allerdings das Mindeste sein. Leider passiert das nur selten.
Von Petit Model zur Ernährungsberaterin?
Die Kombination aus diesen drei Gemeinsamkeiten ist dabei besonders problematisch. Ein Video zeigt das besonders gut:
Dieses Video steht allerdings als Inbegriff dafür, wie man nicht mit dem Thema Ernährung umgehen sollte.
Statt einer Contentwarnung, dass es im folgenden um Abnehmtipps gehen wird, startet das Video mit der Ankündigung, dass diese Abnehmtipps auch WIRKLICH etwas bringen. Schließlich ist sie Petit Model und schlank – die einzigen Qualifikationen, die man braucht um Ernährungstipps zu geben, oder?
Der Gedanke mit der Insel ist vielleicht nett gemeint, aber sind wir mal ehrlich: Warum unterlegt man diesen Teil des Videos mit Bildern, auf denen man posiert, besonders schlank wirkt und das Ganze durch Filter sogar unterstreicht? Die Krönung sind aber die vermeintlichen Abnehmtipps:
Das Streichfett weglassen
Das zeigt besonders, wie gefährlich manche Tipps sein können, wenn man sie unvorsichtig mit seinen Follower:innen teilt. So gab es einige Kommentare, die sogar ausdrücklich davor gewarnt haben, diesen Tipp nachzumachen.
Verzicht, und ist er noch so klein, hat also das Potential zu problematischen Essverhalten auszuarten.
“Morgens wie ein König, mittags wie ein Bürger, abends wie ein Bettler”
Gerade dieser Tipp hat in den Kommentaren einiges an Empörung ausgelöst. Natürlich kommt der Tipp nicht allein von der Influencerin – der Spruch ist relativ geläufig. Ob das allerdings wirklich stimmt, ist dann wieder eine andere Frage. Eine Person in den Kommentaren schreibt zum Beispiel folgendes:
Anscheinend gibt es auf jeden Fall Menschen aus der Ernährungsbranche, die diesen Tipp nicht unbedingt als zielbringend ansehen. Wir alle sind selbst per se erstmal keine Ernährungsexpert:innen. ABER: Influencer:innen genauso wenig.
Deswegen: Lasst euch nicht die Butter vom Brot nehmen. Dass wir Influencer:innen als qualifiziert wahrnehmen, liegt oft nicht an ihrem Wissen, sondern an dem Fakt, dass sie gesellschaftlichen Schönheitsidealen entsprechen.
Hier der Kommentar im Audioformat: