Filmkritik
Infinity Pool
Mit Possessor hat Regisseur Brandon Cronenberg einen Body-Horrorfilm über die Grenzen der eigenen Identität geschaffen. Sein neuestes Werk beschäftigt sich ebenfalls mit diesem Thema – diesmal aber mit einer gehörigen Portion Kritik an den Reichen. Ob er diesem – in letzter Zeit häufig bedachten Thema – noch etwas Neues hinzufügen kann?
Ein konservatives Land, mit barbarischen Regeln und mittendrin… ein Luxusresort, in dem sich reiche Tourist:innen ungeachtet der Armut und brutalen Polizeikräfte vergnügen können. An genau diesen Ort verschlägt es auch den Schriftsteller James Foster (Alexander Skarsgård). Vor ein paar Jahren hat er einen recht erfolglosen Roman veröffentlicht und hofft in seinem Urlaub Inspiration für einen zweiten zu bekommen, der ihm endlich Anerkennung bringen soll. Als er jedoch außerhalb des Resorts einen Autounfall baut und einen Mann überfährt, bekommt er die harten Gesetze des fiktiven Landes zu spüren: Für dieses Vergehen droht ihm die Todesstrafe. Doch er hat Glück, denn für ausländische Gäst:innen gibt es eine besondere Regelung. Sie können gegen Bezahlung einen Klon von sich erstellen und diesen dann an ihrer Stelle ermorden lassen. Schnell merkt James, dass er hier tun kann, was er möchte – ohne wirkliche Konsequenzen, natürlich nur solange das Geld weiterhin fließt. Mit einer Gruppe von Gleichgesinnten beginnt er also alsbald, seine Grenzen zu testen.
SHOCK OVER SUBSTANCE
Schwer zu erkennen ist die Kritik, die Cronenberg vermitteln möchte, also nicht. Ihr Vermögen ist der Freifahrtschein der Reichen, weshalb sie sowieso tun und lassen können, was sie möchten. Nicht gerade subtil, nicht gerade neu – und viel mehr hat der Film leider nicht zu sagen. Subtilität ist hier übrigens das Stichwort, denn an dieser mangelt es Infinity Pool. Und auch das Erzeugen einer unheimlichen Atmosphäre, die für das Horrorgenre so wichtig ist, will dem Regisseur nicht wirklich gelingen. Stattdessen dröhnt laute Musik aus den Kino-Lautsprechern und die Zuschauer:innen bekommen Blutfontänen, Orgien und Nahaufnahmen von abspritzenden Penissen zu sehen. Das lässt schnell den Eindruck aufkommen, dass Cronenberg allen voran so viel Schock wie möglich auslösen will, die Stimmung aber dabei außen vor lässt.
Dabei gibt es durchaus interessante Fragen und Ansätze, die hier aufgeworfen werden: Seien es nun die gezeigten Abgründe der Menschen, die zwar teils etwas vorhersehbar sind, aber durchaus auch für einige “What the fuck?”-Momente sorgen. Oder etwa die Frage nach der eigenen Identität: Was macht es mit uns, wenn wir uns selber und unserem Tod im wahrsten Sinne des Wortes ins Auge blicken? Und woher weiß man, dass man das reale Ich und nicht etwa der Klon ist? Tiefer erforscht werden die Themen allerdings leider nicht, wodurch Infinity Pool einiges an Potenzial verschenkt.
Künstlerisch oder künstlich?
Zumindest die Schauspieler:innen können aber in Teilen überzeugen. Alexander Skarsgårds Gesicht zeigt über die zweistündige Laufzeit hinweg zwar nur wenige Regungen, doch irgendwie passt das auch zu seiner Figur, die während all des Wahnsinns, in den sie gezogen wird, doch recht passiv wirkt. Ein wahres Highlight ist aber Mia Goth. Mit Filmen wie X und Pearl hat sie sich in den letzten Jahren als Horror-Star etabliert und auch hier sieht man ihr den Spaß an ihrer ab- beziehungsweise aufgedrehten Figur absolut an. Klar, teilweise ist ihre Darstellung etwas zu übertrieben, doch die Freude, die sie dabei hat, überträgt sich auch auf die Zuschauer:innen. Zudem bekommt das Publikum visuell doch einiges geboten. Seien es nun die neonfarbenen Montagen der Sexszenen oder die Kamera, die sich beinahe auf den Kopf dreht, um zu zeigen, dass im wahrsten Sinne des Wortes etwas schiefläuft. Allerdings sind auch diese Einstellungen nicht unbedingt subtil und wirken teils eher erzwungen künstlerisch.
Insgesamt lässt sich Cronenbergs Werk gut durch eine Szene gegen Ende des Films beschreiben. Hier liest Goths Charakter eine Kritik zu James‘ Buch vor, in der dieses als prätentiöses Machwerk bezeichnet wird. Mutig, dass der Regisseur diese Szene inkludiert hat, schließlich drängt sich doch der Gedanke auf, dass er hier seinen eigenen Film beschreibt.
Infinity Pool läuft ab dem 20. April 2023 im Kino.