Filmfest 2024

Hoard

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Die kleine Maria hat ein enges Verhältnis zu ihrer Mutter. Doch dieses ist sehr speziell: Nachts streunern die beiden durch die Straßen und durchwühlen Müllsäcke auf der Suche nach allem und nichts.  Aus den Fundstücken basteln sie Dekorationen oder sie nehmen sie einfach nur mit nach Hause, um sie zu horten. Denn Marias Mutter ist ein Messie.

Sie sammeln Alufolie, Essensreste oder Kreide, es gibt nichts, für das sie keinen Nutzen haben oder das sie nicht interessant finden würden. Doch ein Unfall trennt Mutter und Tochter und beendet ihr vermeintlich harmonisches Zusammenleben. Zeitsprung, zehn Jahre später: Maria ist bei einer Pflegemutter aufgewachsen. Erinnerungen an die Zeit mit ihrer leiblichen Mutter bleiben kaum noch. Doch es gibt Situationen, Gerüche und Geräusche, die unterdrückte Erinnerungen hervorholen. Gemeinsam mit Michael, der von derselben Pflegemutter großgezogen wurde, verliert sich Maria allmählich an den Wahnsinn. Es bleibt ihr nichts anderes übrig, als ihr Kindheitstrauma zu konfrontieren.

Irgendwo zwischen Geborgenheit und Wahnsinn

„Hoard“ ist das Langzeitdebüt der britischen Regisseurin Luna Carmoon, die sich das Filmemachen selbst beigebracht hat. Der Film feierte im September 2023 bei den Filmfestspielen von Venedig Premiere und räumte dort direkt vier Preise ab. Was ihn so besonders macht ist während des Schauens erst nicht immer zu begreifen, am Ende jedoch klar zu spüren. Marias Kindheit ist durch die tiefe Liebe ihrer Mutter geprägt. Doch so bedingungslos, wie die Liebe scheint, ist sie nicht. Schnell wird klar, dass bei der Mutter nicht alles im Lot ist und es nicht der beste Lifestyle für ein kleines Mädchen ist. „Hoard“ schafft es, ein schweres Thema wie Trauma auf künstlerische und schöne Weise zu erzählen. Das zeigt sich vor allem, wenn sich Maria an Momente mit ihrer Mutter erinnert. Ein großartiges Sounddesign und gezielter Einsatz von Licht ziehen das Publikum mit in die Trance, in der sich die Protagonistin immer wieder befindet. Perfekt, um mitzuerleben, wie es Maria geht.

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Mit Gewöhnlichem brechen

Ein klassischer Coming-of-Age-Film ist „Hoard“ keineswegs. In vielerlei Hinsicht bricht er mit Konventionen und zeigt Dinge, die in der Gesellschaft als „unnormal“ gelten und daher sonst weniger zu sehen sind. Als erstes sticht Marias Verhalten ins Auge: Sie sitzt breitbeinig auf dem Sofa, hat die Füße auf dem Couchtisch und rülpst. Solche Momente irritieren zuerst, aber sie machen auf erfrischende Weise auf gesellschaftliche Konventionen aufmerksam. In anderen Szenen geht Luna Carmoon noch einen Schritt weiter und bringt den puren Wahnsinn auf die Leinwand. Es geht eklig, makaber und skurril zu und erinnert an die vielfach diskutierten Momente in Saltburn! Der Müllgeruch kriecht aus der Leinwand. Hoard ist ein Film, der stinkt. Und am Ende möchte man dem Rat der Pflegemutter an Maria folgen: Einfach mal duschen gehen.

Saura Lightfoot Leon und Joseph Quinn als Maria und Michael (Bild: Filmfest München)

Ein Kreis, der sich schließt

Marias Leben fühlt sich wie ein Strudel an. Sie dreht sich mit, hat nicht immer die Kontrolle und kommt nicht raus. Mittendrin stellt sich die Frage, was da noch passieren soll. Doch „Hoard“ schließt den Kreis und löst damit ein befriedigendes Gefühl aus. Es sind die Feinheiten des Films, die Spaß machen. So zum Beispiel Michael, der Maria hilft ihre Erinnerungen zu verarbeiten. Und da liegt es wohl auf der Hand, dass er bei der Müllabfuhr arbeitet. Dieser Link ist nicht direkt erkennbar, doch später zeigt sich, wie er ihr hilft, die Müllsäcke der Vergangenheit loszuwerden. Luna Carmoon hat mit „Hoard“ einen skurrilen und gleichzeitig künstlerischen und schönen Film über das Leben einer jungen Frau geschaffen, der ekelt, berührt und vor allem inspiriert.

Hoard” läuft noch einmal auf dem Filmfest München:

  • Am 07. Juli um 18.30 Uhr in der HFF Kino 1