Gottesdienst im Backstage
Hillsong – Moderne Hipster-Kirche oder konservative Sekte?
Religion ist für die meisten jungen Leute out. Kaum einer geht noch in die Kirche und wenn doch, dann prahlt er oder sie nicht damit. Kirche ist eingestaubt – jede Menge alte Männer, die Weihrauch schwenkend durch alte Gemäuer streifen und dabei im Chor singen. Aber kann Kirche auch anders sein?
Die “Hillsong Church” versucht genau das. Mit Gottesdiensten, die wie Konzerte ablaufen; mit eigener Popmusik, Merchandise-Produkten und Apps versucht die Gemeinde vor allem für junge Menschen attraktiv zu sein. Sie haben eine starke Online-Präsenz, bei ihren Gottesdiensten wird getanzt und laut mitgesungen. Die Kirche gibt sich sehr fortschrittlich, aber wer etwas tiefer gräbt findet auch hier veraltete Ansichten.
Was ist die Hillsong Church?
Die Hillsong Church ist eine sogenannte Megachurch. Das sind evangelikal-protestantische Kirchengemeinden, die wöchentlich von mindestens 2.000 Besucher*innen frequentiert werden. Sie wurde 1983 in Sydney gegründet und lässt sich der Pfingstbewegung zuordnen. Bekannt geworden ist die Kirche durch ihre Bands, die internationalen Erfolg mit christlichen Liedern haben, und durch Fernsehsendungen mit einer Reichweite von über 160 Ländern. Nach eigenen Angaben hat die Megakirche rund 21.000 Mitglieder in Australien. Auch in Europa werden es immer mehr. Allerdings sind die Zahlen schwer zu ermitteln, da es keine festen Mitgliedschaften gibt. Seit 2011 gibt es auch in München eine Gemeinde, die regelmäßig Gottesdienste abhält.
Gottesdienst oder Konzert?
In München finden die Gottesdienste jeden Sonntag im Backstage statt. In den gleichen Räumlichkeiten, in denen sonst Konzerte oder Flohmärkte veranstaltet werden. Beim Betreten begrüßen einen die Organisatoren mit freundlichen Floskeln, wie „Welcome Home!“, „Schön, dass du da bist!“, „Sei so wie du bist!“. Alle Anwesenden sind jung und hip – nicht umsonst wird die Hillsong Church auch „Hipster-Kirche“ genannt. Es ist voll, jede Menge junge Menschen sind im Publikum, laute Musik läuft und die Stimmung ist locker. Auf der Bühne stehen mehrere Live-Musiker. Hinter ihnen werden die Songtexte an die Wand projiziert. So kann wie beim Karaoke jede*r mitsingen.
Zwischen den Liedern werden Bibelstellen vorgelesen. Sie sind neu übersetzt und in Jugendsprache fast nicht wieder zu erkennen. Immer wieder betont der Prediger, dass es sich eben nicht, um ein Konzert handelt, sondern um einen Gottesdienst. Dieser ganze Aufwand wird größtenteils über Spenden finanziert. Auf jedem Stuhl liegt ein Umschlag, der dafür vorgesehen ist. Wenigstens das erinnert ein bisschen an den Klingelbeutel in der Kirche.
Wieso ist Hillsong so beliebt?
Nicht nur die Gottesdienste machen Hillsong so erfolgreich. Es ist vor allem auch die Internet-Präsenz, mit der sie insbesondere junge Menschen ansprechen. Neben der Website betreibt die Kirche auch mehrere Apps und die Lieder ihrer Bands kann man auch auf Spotify streamen. Aber auch das starke Gefühl von Gemeinschaft und dem Dazugehören ist für viele ein Grund Mitglied zu sein.
Davon sind auch Promis nicht ausgenommen. Unter anderem Justin Bieber, Kendall Jenner und Hugh Jackman sollen Mitglieder sein. Das erinnert durchaus an die Funktion, die Tom Cruise bei Scientology hat.
Von wegen modern…
Die Hillsong Church gibt sich nach außen als besonders modern und fortschrittlich, aber sie vertritt Werte, die wirken als wären sie aus dem letzten Jahrtausend.
Der Umgang mit Homosexualität und Sex vor der Ehe ist alles andere als offen. Da müsste man dem Spruch „Sei so wie du bist“ noch ein „aber besser nicht homosexuell“ anhängen.
Auch die Hipster-Kirche wird nicht von Missbrauch verschont. In der Führungsebene soll es mehrere Fälle gegeben haben. Der Vater des Mitbegründers Brian Houston soll über viele Jahre einen Jungen sexuell missbraucht haben. Das bestätigt Brian Houston selbst in seinem Buch “Leben. Lieben. Leiten.”
Eigentlich werden also konservative Inhalte modern verpackt. Die Hillsong Church ist zwar offiziell keine Sekte, Parallelen gibt es aber schon. Die Finanzierungen sind intransparent, es bestimmte Bibelstellen sind speziell ausgelegt, um Spenden zu generieren und Stars werben für die Kirche.
Der Ausstieg ist zwar nicht so schwer, wie bei den meisten Sekten, da es keine Mitgliedschaft gibt, aber wenn sich alle sozialen Kontakte nur noch in der Gemeinde abspielen, ist es auch hier nicht einfach.
Aber nicht nur diese Bewegung profitiert von der Digitalisierung, sondern auch für Aussteiger*innen gibt es online viele Möglichkeiten sich Unterstützung zu suchen. Vereine, wie Netzwerk Sektenausstieg e.V. bieten digitale, aber auch persönliche Hilfe.