Erinnerungszeichen in München
“Die Menschen ein Stück weit in die Stadtgesellschaft zurückholen”
In München gibt es seit 2017 sogenannte “Erinnerungszeichen” an diversen Orten. Vor allem in den vergangenen Tagen wurden es immer mehr. Was steckt also hinter dem Projekt?
Das Projekt
Gustav Wiener, Lysiane Robinet, André Abel Coulaud und Richard Burger – so unterschiedlich ihre Herkunft war, eine Gemeinsamkeit verbindet ihre Schicksale: Sie wurden zu Opfern des NS-Regimes. Das Projekt “Erinnerungszeichen” hat es sich deshalb seit knapp fünf Jahren zur Aufgabe gemacht, die Menschen und ihr Leben ins Licht der Öffentlichkeit zu bringen. Die Erinnerungszeichen sind entweder als Wandtafeln an Häuserfassaden oder als Stelen vor den Häusern angebracht – je nachdem, wo die Personen ihren letzten Wohnort hatten.
An wen wird überhaupt erinnert?
Wer genau ein Erinnerungszeichen bekommt, darüber entscheidet die Koordinierungsstelle Erinnerungszeichen – denn dafür müssen spezielle Voraussetzungen erfüllt werden. Das Wichtigste zuerst: Der letzte Wohnsitz der Person, an die erinnert werden soll, muss in München gewesen sein. Zusätzlich müssen die Antragsteller:innen nachweisen, dass die zu erinnernde Person durch die NS-Herrschaft umgekommen ist. Das bedeutet aber nicht, dass die Opfer zwingend in den Konzentrationslagern ermordet wurden, teilweise begingen diese aufgrund der Verfolgung durch die Nazis auch Selbstmord.
Die Geschichten hinter den Erinnerungszeichen
Eines wird deutlich: Die Schicksale der Verfolgten des NS-Regimes sind es wert, erzählt zu werden. Beispielsweise die des Gynäkologen Dr. Gustav Wiener. Dieser lebte und arbeitete in der Nähe vom Odeonsplatz. Doch wegen seiner jüdischen Herkunft rückte er schnell ins Visier der Nationalsozialisten. So brachen SS- und SA-Männer kurz nach der Machtergreifung Hitlers im März 1933 in dessen Wohnung ein. Dabei wurde Wiener von diesen so sehr misshandelt, dass er einige Monate später an diesen Verletzungen im Krankenhaus starb. Anfang Juni kam eine weitere Geschichte zu den Erinnerungszeichen dazu: Die von Richard Burger. Auch Burger wurde nach der Machtergreifung Opfer von zahlreichen Überfällen der Nazis. Auf einer seiner Reisen als Händler für Herrenkleidung wurde er im Zuge der Reichsprogromnacht am 10. November 1938 ins KZ Dachau gebracht und nur sechs Tage später ermordet. Das sind nur einige der vielen Schicksale, an die die Erinnerungszeichen erinnern wollen. Stadtrat Roland Hefter (SPD) hofft, dass so “die Menschen ein Stück weit wieder in die Stadtgesellschaft zurück geholt” werden.
Ein ganz besonderes Gedenken
Die Einweihung der Erinnerungszeichen beschränkt sich dabei aber meistens nicht nur auf die bloße Enthüllung der Plaketten. Im Fall von Richard Burger waren zum Beispiel die Nachfahren vor Ort, um ihren persönlichen Bezug zu diesem mit den Anwesenden zu teilen. Bei Gustav Wiener war Charlotte Knobloch, die Vorsitzender israelitischen Kulturgemeine München und Oberbayern, als Rednerin zu Gast. So schaffen die Erinnerungszeichen vor allem eines: Aufmerksamkeit für die Schicksale zu erzeugen, die nur zu leicht in Vergessenheit geraten.
Nähere Informationen zu der Aktion der “Erinnerungszeichen” gibt es auf der Website der Stadt München. Bereits in den nächsten Wochen findet die Einweihung von zwei weiteren Erinnerungszeichen statt. Am Samstag, den 02. Juli 2022 für den Kommunisten Hans Beimler und am Sonntag den 10. Juli den beiden Sänger:innen Berthold und Margarethe Sterneck.