Fasten in Deutschland
Für Allah – Ramadan im Alltag eines jungen Moslems
Im Islam beginnt die Fastenzeit dieses Jahr am Morgen des 24. April und dauert einen Monat. Wie fühlt sich das an? Und wie ist es eigentlich, als Syrer in einem Land Ramadan zu machen, in dem über 50% der Bevölkerung christlichen Glaubens sind?
Mahmouds Wecker klingelt um 3:00 Uhr nachts. Der Grund: Er und seine Familie wollen unbedingt noch etwas Essen und so viel Flüssigkeit wie möglich zu sich nehmen. Das nächtliche Frühstück wird jetzt für einen Monat Normalität sein. Das Fasten beginnt nämlich jeden Morgen, sobald die Sonne aufgeht. Zwischen Sonnenaufgang und -untergang heißt es für den jungen Moslem: nichts trinken und keine Mahlzeit. Mahmoud Affouf ist 25 Jahre alt, lebt seit vier Jahren in Deutschland und fastet aus voller Überzeugung.
Arbeit und Fasten vereinen
5:45 Uhr – jetzt ist wirklich Zeit zum Aufstehen und los geht’s zur Arbeit. Die ersten paar Tage sind die Schlimmsten, meint Mahmoud. „Man denkt am Anfang den ganzen Tag nur ans Essen, obwohl man an normalen Tagen ja auch nicht so viel darüber nachdenkt. Später wird’s aber zur Gewohnheit.“ Egal ob im Büro oder auf der Baustelle, auch während der Arbeit gibt es keine Ausnahme beim Fasten. Und genau deswegen hat sich sein Kumpel Ahmad, dessen Namen wir geändert haben, dieses Jahr dagegen entschieden zu fasten. „Um ehrlich zu sein, das geht bei mir wegen der Arbeit einfach nicht. Ich kann das nicht aushalten, ohne Essen und Trinken“, meint er.
Warum einen Monat enthaltsam leben?
Auch wenn die typischste Frage die nach dem Essen ist, sind auch alle anderen Genussmittel, wie Nikotin, Alkohol und Sex, während die Sonne scheint, verboten. Fasten ist in erster Linie eine Form des Gottesdienstes. Jede*r Gläubige fastet um Gottes Willen und hofft auf die spätere Aufnahme in das Paradies, erklärt Mahmoud. Fasten bedeutet Konzentration auf das Wesentliche und Verzichten auf das Überflüssige. Das beinhaltet auch nachempfinden zu können, wie ärmere Menschen sich fühlen und auf einen freundlichen Umgang mit seinen Mitmenschen zu achten, so wie es im Koran steht. Außerdem stehen Familie und Freunde im Mittelpunkt. Gerade weil der Ramadan einer der wichtigsten Traditionen für einen Moslem ist, hat Ahmad seiner Familie nichts von seinem diesjährigen Fastenbrechen erzählt. Seine Freunde reagieren aber tolerant: „Sie sagen gar nichts groß dazu, weil sie der Meinung sind, dass jeder das handhaben kann, wie er will.“, meint Ahmad.
Der Kampf mit dem Gewissen
Um die Mittagszeit wird’s hart für Mahmoud. Die Hitze macht ihm zu schaffen und die Kehle ist trocken. Jedes Jahr ist es wieder aufs Neue hart die Fastenzeit durchzuhalten. Mahmoud gibt ehrlich zu: „Ich hab‘ oft daran gezweifelt, dass ich es schaffe. Manchmal denk ich ‘Jetzt kann ich nicht mehr, jetzt muss ich was trinken!’ und wenn ich dann die Flasche ansetze, denk ich: ‘Nein, Stopp! Die paar Stunden halte ich noch aus!'”. Vor allem die letzten Jahre zu fasten waren besonders hart, weil der Ramadan im Hochsommer bei über 30 Grad stattfand. Da sich der Anfang des Ramadans nach dem islamischen Kalender richtet und dieser kürzer ist als der gregorianische, beginnt er jedes Jahr zehn bis zwölf Tage früher als im Vorjahr. Im Winter ist das Fasten also um einiges einfacher als im Hochsommer.
Fasten im christlichen Deutschland
“In unserem Land herrscht während dem Ramadan einfach diese gewisse Atmosphäre. […] Hier geht das Leben ganz normal weiter.”
Mahmoud Affouf
Den Glauben in einem Land auszuleben, das hauptsächlich christlich geprägt ist, kann eine ziemliche Herausforderung sein. Zum Thema Ramadan hat Mahmoud schon die verschiedensten Reaktionen erlebt. „Ein Arbeitskollege hat mal zu mir gesagt: ‘Hä was macht ihr da? Ihr esst nichts und trinkt nichts? Spinnt ihr jetzt oder wie?'” Je interkultureller die Welt aber wird, desto toleranter wird sie auch gegenüber fremden Religionen. Anfangs war es für Mahmoud ungewohnt, in Deutschland zu fasten.
„In unserem Land herrscht während dem Ramadan einfach diese gewisse Atmosphäre. Während der Iftar, dem abendlichen Fastenbrechen, siehst du keinen Menschen auf der Straße, weil die Leute zuhause mit ihren Verwandten essen. Hier geht das Leben ganz normal weiter.“ Die Akzeptanz für die fremde Tradition wird aber von Jahr zu Jahr besser. „Die Deutschen verstehen langsam was wir da machen. Ich hab‘ einen christlichen Freund und im Ramadan ist er so nett und isst nie in meiner Gegenwart, weil er weiß, dass ich faste“, freut sich der junge Moslem.
Bäuche vollschlagen bei der Iftar
Das Licht im Wohnzimmer der Familie Affouf färbt sich rosa: Die Sonne geht langsam unter. Freunde von Mahmoud sind zu Besuch bei seiner Familie. Seine Mutter bereitet das gemeinsame Fastenbrechen, die „Iftar“ vor und bringt pausenlos neue Köstlichkeiten an den Tisch. Alle zählen die Minuten bis es endlich an das große Essen geht. Gegen 21 Uhr ist keine Sonne mehr zu sehen und alle fangen an zu essen. „Man denkt einfach: Jetzt ess’ ich alles! Ich will das und das und das. Mama, kannst du das bitte für mich kochen? Ich hab‘ Appetit auf diese Sache! Und am Ende isst man gar nicht so viel“, gibt Mahmoud aber zu.
Das Fest des Fastenbrechens
“Es ist echt ein krasses Gefühl. […] Ich fühle mich sehr gut, auch weil ich weiß, dass mein Gott jetzt zufrieden mit mir ist.”
Mahmoud Affouf
Alle Gäste schwärmen schon jetzt vom großen Zuckerfest „Eid al-Fitr“ am Ende des Ramadan-Monats. Zusammen wird das große Fasten dann gebrochen und wie der Name vermuten lässt, werden dort neben traditionellen Hauptgerichten auch Süßigkeiten in Hülle und Fülle zubereitet. Als Nicht-Fastender ist es kaum nachvollziehbar, wie es sich anfühlt, das geschafft zu haben. „Es ist echt ein krasses Gefühl. Am Ende des Ramadans ist es Brauch, Geld für ärmere Leute auszugeben. Das gibt einem ein gutes Gefühl. Ich fühle mich sehr gut, auch weil ich weiß, dass mein Gott jetzt zufrieden mit mir ist.“
Im Hause Affouf sitzen nach der Iftar alle mit vollen Bäuchen im Kreis und trinken traditionellen Kardamom-Kaffee. Mahmoud stellt sich schonmal den Wecker. Denn in ein paar Stunden heißt es wieder: Frühstück vor Sonnenaufgang.