Filmfabrik vom 20.11.2024

Filmschoolfestfabrik 2024

/ / Foto: Filmschoolfest Munich

In der Filmfabrik wird jede Woche die Film- und Serienwelt unter die Lupe genommen. Mit Kritiken zu Kino- und Streamingstarts seid ihr immer auf dem Laufenden. Neben den wichtigsten Neuigkeiten haben in der Filmfabrik aber auch Klassiker und Blicke hinter die Kulissen Platz.

Filmfabrik vom 20.11.24

In dieser Sondersendung widmet sich unsere Moderatorin Antonia Lang dem Filmschoolfest München. Im Interview spricht die Regisseurin Karen Joaquín über ihren Kurzfilm “May Lightning Strike Me Down” und ihr Wirken als Regisseurin. Mit “Crevette” von Elina Huber, Jill Vágner, Noémi Knobil und Sven Bachmann ist auch ein Animationsfilm mit von der Partie. Seltsame Dinge passieren darin im Kühlschrank der Protagonistin. Und zum Schluss der Dokumentarfilm “Durch die Bank” vom Regiekollektiv DOK18. Das alles und noch viel mehr haben wir hier für euch zusammengetragen!

Interview mit Karen Joaquín

DER MIT DEM KROKODIL TANZT

Michael und sein Krokodil Billy sind seit 40 Jahren treue Freunde. Billy ist genau genommen ein Brillenkaiman und circa zwei Meter lang. Der Film von Leonard Mann ist ein Dokumentarfilm über eine ganz besondere Beziehung zwischen Mensch und Tier. Michael ist in Frankfurt aufgewachsen, das Krokodil kam 1982 über einen Freund zu ihm. Nun lebt er seit langer Zeit auf dem Land in Ostdeutschland. Der Film dokumentiert das Zusammenleben der beiden. Und Billy wohnt nicht nur bei Michael, sondern schläft sogar mit ihm im Bett.

Leonard Mann fängt in seinem Film nicht nur das Gefühl ein, mit einem so außergewöhnlichen Tier zusammenzuleben, sondern in manchen Momenten auch das Lebensgefühl auf dem Land in Ostdeutschland. Oft kann man fühlen, dass Michael dort nicht ganz glücklich ist und seit dem Tod seiner Mutter auch sehr einsam. Doch für Michael haben sich er und Billy mit ihrer jeweiligen Lebenssituation arrangiert und verbringen gemeinsam ihr Leben. 

Louisa Schöffmann

CREVETTE

In „Crevette“ zeigen die Regisseure Elina Huber, Jill Vágner, Noémi Knobil und Sven Bachmann innerhalb von nur fünf Minuten auf, dass die Angst vor der Schwangerschaft für eine Frau kein Zuckerschlecken ist, sondern auch tiefliegende Besorgnisse aufwühlt. Mit einem schönen, simplen Farbbild und realitätsnahen Abbildungen kann man sich als Zuschauer einfach hineinversetzen. Die Angst der Protagonistin, als auch von vielen anderen Frauen, die Angst vor diesem großen Schritt der Schwangerschaft haben, besser nachvollziehen.  Das diese Furcht und Sorge so sehr das Unterbewusstsein bedrückt, soll ein Anregen sich seinen Ängsten bewusst zu sein, da es sonst wie in diesem Falle zu Halluzinationen und Fehlwahrnehmungen kommt.

Um dieses Gefühl an Zuschauende zu transportieren, greifen die Regisseure von “Crevette” nicht nur wie schon genannt an das Farbspiel, sondern auch dem Perspektivenwechsel oder der unaufgeräumten Umgebung, was das alles nochmal vermenschlicht. 

Bild: Filmschoolfest München

Die ganzen fünf Minuten über erzeugt der Film eine gewisse Faszination und regt einen an nachzudenken. Es geht auch viel in die Tiefe und lässt Raum für Interpretationen.  Dennoch ist „Crevette“ eine zeitgemäße Animation, weshalb viele Zuschauende die Sichtweise der Protagonistin nachvollziehen können und sich in ihre Lage hineinversetzen können.  Im Kurzfilm wird mehr auf die Handlungen fokussiert, wobei die  Sprache sehr gering verwendet wird. Dadurch ist der Film international verstehbar und lohnend anzuschauen, da man den vollen Fokus auf die Umgebung, Handlungen und der Mimik von Jeanie hat. 

Elizabeth Ho

HA

Die Anziehung zwischen zwei Frauen am Arbeitsplatz umgeben von nackten schwitzenden Männerköpern. Das ist das Konzept des mexikanischen Kurzfilms “HA” von María Almendra Castro Camacho. Hier greift der female Gaze die Vertrautheit zwischen den zwei Hauptcharakteren auf und stellt diese in den Vordergrund inmitten eines eher ungewohnten Arbeitsplatzes, der für die ein oder andere Person eher unangenehme Gefühle auslöst. Momente in denen Frauen andere Frauen in Magazinen bewundern und als Inspiration nehmen werden im Film beleuchtet. Als Frau musst du schön sein, und es zu deinem Vorteil zu nutzen, heißt es. Ehrlichkeit, Dialoge und eine safte Erzählweise geben Einblick in den Alltag der zwei jungen Frauen. Die Anziehung zwischen den Beiden ist für das Publikum deutlich spürbar. Freut euch also auf einen Film mit wenig Worten und einer queeren und nahbaren Storyline, die nicht unheimlich dramatisch endet.

Virginia Obiakor

DOU

Märchen lassen sich als Prosatexte beschreiben, in die sozialkritische und fantastische Elemente eingewoben werden. Jahrhunderte alt bleiben Märchen heute noch relevant, weil sie zutiefst menschliche Probleme aufgreifen und erzählen. So hat sich die Regisseurin Jing Zhao in ihrem Film Dou daran gemacht, ein uraltes Märchen, das sich mit der Gewalt gegen Frauen auseinandersetzt, mit erschreckend stiller und abstrahierender Erzählweise neu aufzurollen. Gewaltvoll wird das Leben einer jungen Pianistin bei einer besonders brutalen Attacke ihres Partners beendet.

Daraufhin verwandelt sie sich in einen Fuchs. Durch eine besonders sterile Kulisse entfaltet sich eine stumme, aber gewaltvolle Erzählung, die die Nackenhaare aufstehen lässt. Auf besondere Weise zeigt das Drama von Regisseurin Zhao eine gespannte gesellschaftliche Oberfläche, unter der es brodelt. Dass diese Erzählung auch in jede andere Kultur und Gesellschaft gedacht werden kann, zeigt die dringende Relevanz, die das Thema Femizid immer noch hat. 

Anton Ruffen

Bild: Filmschoolfest München

QUO VADIS

Kurz vor seinem 18. Geburtstag fühlt sich Tai Ran vom Geist seines unbekannten Vaters heimgesucht. Dieser innere Konflikt führt ihn auf eine Reise quer durch China, von kleinen Städten im Zentrum bis zu den weiten kargen Feldern des Nordens. In dem Kurzfilm Quo Vadis erzählt der junge Regisseur Li Bohan mit beeindruckender Schärfe eine Coming-of-Age-Geschichte, die sich mit Identität, Verlust und dem Übergang zum Erwachsensein beschäftigt. Li Bohan, Absolvent der Communication University of China, verleiht der Geschichte durch seinen unverwechselbaren fotografischen Stil und seine vereinfachte, symbolische Bildsprache eine besondere Tiefe und verbindet menschliche Wärme mit seiner einzigartigen Ästhetik. 

Honglan Liu

DURCH DIE BANK

Die Konfrontation des Alltags. Manchmal braucht es nicht viel um sich zu öffnen: gutes Wetter, schöne Parkbänke und interessante Menschen sind oftmals schon genug. Genau wie auch in dem Dokumentarfilm „Durch die Bank“ von dem Berliner Regiekollektiv DOK18, der von Menschen aus ganz unterschiedlichen Lebenswelten erzählt. Der Film reißt uns mit in die Vielfalt menschlicher Erfahrungen und lässt uns in ganz persönliche Geschichten eintauchen. Er berührt vor allem durch die Offenheit der Menschen, die nicht bloß über die schönen Seiten des Lebens sprechen, sondern auch Themen wie Krankheit, Tod und Scheitern ansprechen. Die Konfrontation dieser Themen hebt den Zusammenhalt der Menschen hervor und trotz aller Herausforderungen und Probleme, ist die Stärke der zufälligen Passanten eine große Inspiration und macht Lust auf das Leben selbst. Der Dokumentarfilm wird mit raffinierten Kamerawinkeln und passender Musik untermalt und gibt einem das Gefühl, direkt mit den Passanten gesprochen zu haben. 

Jakob Lueg

CURA SANA

“Sie hat es verdient”, feuern die Stimmen ihrer Freundinnen sie an, noch bevor das erste Bild von Lucía G. Romeros “Cura Sana” überhaupt sichtbar ist. Jessi schlägt zu, immer wieder. Ihre Lippe ist aufgeplatzt, aber ihre Gegnerin ist auf dem Boden. Man kann sie nicht sehen. Die Sonne scheint, die Mädchen tragen leuchtende Farben, die Vorbereitungen auf den Feiertag Noche de San Juan sind am Laufen. Doch die feierliche Stimmung kommt ohne Leichtigkeit, unter der Oberfläche brodelt es. Jessi will eigentlich nur mit ihren Freunden feiern wie die anderen Jugendlichen – doch ihr Leben läuft anders. Ihre Mutter muss arbeiten und die Heimkehr ihres Vaters hängt wie eine Gewitterwolke über den Frauen. Es muss Essen geben. Jessi und ihre jüngere Schwester Alma müssen es von der Caritas abholen.

Die Regisseurin ergründet ihrem Film wie Armut und häusliche Gewalt das Leben der beiden Schwestern prägen, ohne dabei diese Gewalt in der Handlung zu zeigen. Der Täter bleibt unsichtbar, man kann ihn weder sehen noch hören. Trotzdem sickert die Gewalt in alle anderen Aspekte ihres Lebens und der Beziehung zwischen den Schwestern. Im Zwiespalt zwischen Feierstimmung und Anspannung folgt die wackelige Handkamera den Schwestern, die es eigentlich gut miteinander meinen, auf ihrem Trip. Die Stimmung ist dabei immer eine Sekunde vor dem Kippen. “Cura Sana” ist allen Müttern, Schwestern und Töchtern gewidmet und erzählt einfühlsam davon, wie schwer es ist Kreisläufe zu durchbrechen. 

Maria Krampfl

Bild: Filmschoolfest München

Die Filmfabrik läuft jeden Mittwoch ab 19 Uhr live auf M94.5 und wird jeden folgenden Donnerstag ab 13 Uhr wiederholt.