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Film-Highlights 2020

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Wenn wir an das Jahr 2020 zurückdenken, kommt uns vieles in den Kopf, aber bestimmt kein Kino. Tatsächlich gab es aber 2020 mehr Kinohighlights als gedacht und Streamingdienste haben uns in Zeiten geschlossener Kinos versorgt. Die Mischung findet ihr hier – unsere persönlichen Film-Lieblinge des vergangenen Jahres.

1917

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Trailer zum Kriegsdrama 1917

Kaum ein Film wird uns 2020 in solch einer Intensität begegnet sein wie Sam Mendes Oscar-prämierter Film „1917“.

Der Kontrast zwischen völliger Ahnungslosigkeit über die Hintergrundgeschichte der Protagonisten und die Unmittelbarkeit zum Geschehen, welche durch die Imitation der One-Shot Technik provoziert wird, packt den Zuschauer von Sekunde eins.

Eine Reise durch die katastrophale Kriegslandschaft des Ersten Weltkrieges entspinnt sich um die Hauptcharaktere Blake und Schofield (Dean-Charles Chapman und George McKay). Sie bekommen die Mission erteilt inmitten des Kriegsgeschehen innerhalb weniger Stunden eine Nachricht zu überbringen, von der das Leben mehrerer tausend Männer abhängt. Scheinbar simultan wie die Protagonisten erlebt das Publikum den Tod, die Ängste der Menschen und das allgegenwärtige Leid.

1917 schafft mit seinem herausragend choreografierten Tanz der Kamera ein logistisches und kinematographisches Meisterwerk. Dennoch bleibt der Film nicht von Kritik verschont. Die größte Stärke des Filmes ist auch seine Schwäche. Die Technik überschatte oder tuschiere die Handlung, welche auch nur mit mittelmäßiger Überraschung besteche. Die Emotionen auf der Mission werden dabei hauptsächlich über den bewegenden Soundtrack skizziert, während konkretere Hintergründe zu den Protagonisten verborgen bleiben.

Der Film mag das Publikum vielleicht ohne größere Aussage über den Ersten Weltkrieg zurücklassen und keine neuen Ergebnisse als andere Kriegsdramen liefern, aber es ist doch ein Meisterwerk, das davon lebt, mithilfe der Technik eine andere Perspektive einzunehmen. Kriegsdrama hat sich nie intimer angefühlt als bei der dynamischen, unmittelbaren und vor allem eindringlichen Begleitung der Soldaten Blake und Schofield. dw

SORRY WE MISSED YOU

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Trailer zu Sorry We Missed You

Regisseur Ken Loach (The Wind That Shakes The Barley, I Daniel Blake) ist der König britischer Sozialdramen. Bereits seit über 50 Jahren widmet er sich Themen wie Armut, Obdachlosigkeit und Arbeiterrechten aus einer kritischen, sozialistischen Perspektive. In seinem neuesten Film Sorry We missed You hat er sich nun dem Prekariat der Moderne angenommen: dem selbstständigen Paketboten.

Bereits zu Beginn ist der Film vorhersehbar: Wenn Protagonist Ricky sich etwa für den neuen Job einen eigenen Lieferwagen anschaffen muss, sich die Anzahlung aber nicht leisten kann, dann muss eben seine Frau ihr Auto verkaufen, das sie wiederum allerdings für ihre Arbeit als ambulante Pflegerin benötigt. Jede Entscheidung, die die Familie treffen muss, positioniert sie in einer Zwickmühle: Sie können nicht gewinnen. Der Versuch, sich ein besseres Leben zu erarbeiten, kann nur scheitern. Das ist frustrierend und wenig überraschend. Wir alle wissen um die prekären Arbeitsbedingungen von Paketbot*innen; und doch ändert dieses Wissen wenig an unserem Bestellverhalten. Genau deshalb setzt Loach den Alltag derjenigen in den Fokus, die mit der praktischen Konsequenz dieses Bestellverhaltens zu kämpfen haben.

Mancherlei Szene oder Dialog wirkt womöglich fast zu aufgeräumt; vielmehr sind es die Darsteller*innen und Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern, die Sorry We Missed You authentisch machen. Nicht nur sind die Figuren glaubhaft, auch möchte man als Zuschauer*in an sie glauben und drückt entgegen aller Erwartungen die Daumen, dass am Ende doch noch alles gut gehen wird. Ein unaufgeregter, geerdeter Film, der weniger an bombastisches Kino, als an Aktivismus erinnert.

Sorry We Missed You ist als Stream auf Amazon verfügbar. nc

I AM GRETA

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Trailer zur Dokumentation

Im August 2018 sitzt Greta Thunberg alleine vor dem schwedischen Parlement, neben ihr steht ein Schild mit der Aufschrift „Schulstreik für das Klima“. Damals wusste noch keiner, wer sie ist und vorbeigehende Passant:innen belächelten die Teenagerin eher. Seitdem ist die Klimabewegung aber immer größer geworden und inzwischen kennt jeder den Namen Greta Thunberg. Sie hat bekannte Politiker:innen getroffen und Reden auf internationalen Klimagipfeln gehalten. Dabei wurde sie von Anfang vom schwedischen Filmemacher Nathan Grossman begleitet, der die Familie durch einen gemeinsamen Freund kennengelernt hatte. Er war nicht nur bei den großen Reden dabei, sondern auch bei Gretas Reisen mit ihrem Vater Svante und sogar bei ihrem Segeltörn zum UN-Klimagipfel.

I am Greta bietet einige sehr persönliche Einblicke in das Leben der Aktivistin: Wir sehen, wie sie sich über ein merkwürdig geratenes Foto mit dem Papst kaputtlacht, aber wir sehen sie auch im Streit mit ihrem Vater. Objektiv bleibt die Dokumentation dabei nicht, Meinungen von Kritiker:innen werden höchstens angerissen, aber nicht näher betrachtet. Stattdessen bleibt der Film stets auf seine Protagonistin fokussiert. Doch Objektivität ist auch nicht unbedingt das Ziel von I am Greta, der Film ist vielmehr ein Porträt von Greta Thunberg, welches die wichtigsten Momente in ihrem Leben als Aktivistin, sowie einige private Augenblicke zeigt. lm

KNIVES OUT

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Trailer zur mysteriösen Komödie

Mit Knives Out hat Regisseur Rian Johnson eine klassische Whodunit-Story geschaffen, die stark an Agatha Christie erinnert. Im Mittelpunkt steht die Ermittlung um den Tod des Erfolgsautors Harlan Thrombey (Christopher Plummer). Die Verdächtigen: Seine gesamte Familie, die aus zahlreichen schrägen Figuren besteht. Die Einzige unter den Verdächtigen, die halbwegs vertrauenswürdig erscheint ist Marta (Ana de Armas), die Pflegerin des Verstorbenen, die sich jedes Mal, wenn sie lügt übergeben muss. Ermittelt wird dabei von Privatdetektiv Benoit Blanc (Daniel Craig), der nicht minder exzentrisch ist.

Der Film bleibt durchweg unterhaltsam und kann immer wieder mit Überraschungen aufwarten, sodass bis zum Ende unklar ist, wer denn nun für Thrombeys Tod verantwortlich ist. Neben dem Ermittlungsgeschehen bietet er aber auch eine höchstaktuelle Gesellschaftskritik, bei der sowohl heuchlerische Linke, als auch extreme Rechte ihr Fett wegbekommen. Der prominente Cast kann dabei durchweg überzeugen und man merkt den Darsteller:innen klar an, wie viel Spaß sie beim Dreh hatten. Auch die Ausstattung von Thrombeys Haus, in dem der Großteil des Films spielt, ist mit viel Liebe zum Detail gestaltet worden, wobei natürlich die Messerskulptur, die mitten im Wohnzimmer steht, besonders erinnerungswürdig ist.
Knives Out erfindet sicher nicht das Krimigenre neu, macht aber mit seinen schrulligen Figuren und seiner dynamischen Erzählweise sehr viel Spaß! lm

THE TRIAL OF THE CHICAGO 7

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Trailer zu The Trial of the Chicago 7

Trotz Pandemie sind 2020 weltweit Millionen Menschen auf die Straße gegangen, um gegen strukturellen Rassismus und Polizeigewalt zu protestieren. Was dieses Jahr so geprägt hat, spielt auch im letzten Film von Aaron Sorkin (u. a. verantwortlich für The West Wing und The Newsroom) eine zentrale Rolle, obwohl die erste Version des Drehbuchs schon 2007 geschrieben wurde. The Trial of the Chicago 7 basiert auf historischen Ereignissen von 1969, erscheint aber erschreckend zeitgemäß.

Das Ensemble ist gespickt mit großen Namen: Sacha Baron Cohen (Borat), Eddie Redmayne (Die Entdeckung der Unendlichkeit), Joseph Gordon-Levitt (Inception), Jeremy Strong (Succession), Frank Langella (Frost/Nixon) und mehr. Sie schaffen es, in der bedrückenden Story um gewaltsam unterdrückte Meinungsfreiheit, Rassismus, machtgierige Politiker und eine korrupte Justiz sogar witzige Elemente unterzubringen. Das ist Bildungskino, gleichzeitig verstörend und unterhaltsam. ml

ENOLA HOLMES

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Trailer zu Enola Holmes

Die kleine Schwester von Sherlock Holmes kennen wir ja schon aus der Serie mit Benedict Cumberbatch. Da wird sie als unkontrollierbare Gefahr für die Menschheit dargestellt. In der Jugendbuchverfilmung Enola Holmes lernen wir eine ganz andere Variante kennen: Geschult von ihrer Mutter (Helena Bonham Carter) in Kampfsport, Blumensymbolik und feministischer Literatur macht Enola (Millie Bobby Brown) sich an ihren ersten Fall. Sehr zum Missfallen ihres ältesten Bruders Mycroft (Sam Claflin) und zur Erheiterung von Sherlock (Henry Cavill).

Es ist eine jugendgerechte, feministische Version der Holmes-Geschichte. Die charmante Protagonistin durchbricht immer wieder frech die 4. Wand und stellt kontinuierlich Geschlechterrollen und gesellschaftliche Konventionen infrage. Das lässt sich wunderbar mit kleinen Geschwistern anschauen, aber auch – ganz ohne schlechtes Gewissen – ohne Alibi-Jungvolk. ml

THE OLD GUARD

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Trailer zu The Old Guard

Netflix hat sich eine eigene Wonder Woman engagiert: Sie heißt Andromache von Scythia, entstammt einer Graphic Novel und wurzelt ebenfalls in der antiken griechischen Mythologie. Allerdings fällt sie wesentlich weniger auf als ihre Kollegin aus dem DC Universum. Sie und ihre unsterbliche Söldnertruppe versuchen, möglichst unbemerkt die Menschheit vor sich selbst zu retten, bis sich ein zwielichtiger Pharma-Unternehmer für sie interessiert.

Charlize Theron steht im Zentrum der alten Garde. Gewohnt routiniert spielt sie ihre Actionstar-Qualitäten aus. Die Kampfszenen sind schön choreografiert und sind nicht zuletzt deshalb besonders, weil hier mit Waffen aus verschiedenen Jahrhunderten gearbeitet wird. Ein famoser Soundtrack sorgt für Stimmung und ein bisschen Philosophie wird dem Publikum auch noch untergejubelt: Ist ewiges Leben eigentlich erstrebenswert? ml

MANK

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Trailer zu Mank

Dass Citizen Kane ein Meisterwerk von Orson Welles ist, gehört zur Grundbildung jedes Filmfans. Dass große Teile des Skripts von einem gewissen Herman J. Mankiewicz – kurz „Mank“ – geschrieben worden sind, fällt dagegen oft unter den Tisch. Diese gewitzte Traumfabrik-Ikone porträtiert Regisseur David Fincher (bekannt für Sieben und Fight Club): Mank, ein Spieler und Alkoholiker, lernt als eine Art Hofnarr der Hollywood-High-Society den Medienmogul William Randolph Hearst kennen. Jahre später benutzt er ihn als Vorbild für Citizen Kane.

Mank ist vor allem für Cineasten ein Vergnügen, die das glamouröse Hollywood der Schwarz-Weiß-Filme lieben. Der historische Kontext wird nur in groben Zügen erklärt. Wer sich allerdings etwas Hintergrundwissen anliest (oder er-binge-watched), findet viele kleine Liebeserklärungen und Insider-Gags und kann die Hommage an die Kameraarbeit in Citizen Kane würdigen. Ach ja, Gary Oldman spielt übrigens diesen Mank – ein zuverlässigeres Qualitätssiegel findet man nur selten. ml

NEVER RARELY SOMETIMES ALWAYS

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Trailer zum Filmdrama

Dank Trash TV ist das Konzept der “Teen Mom” Zuschauer*innen längst vertraut: 17 Jahre alt und plötzlich schwanger. Dabei wird die Entscheidung für das Kind – oder dagegen – nur selten thematisiert, obwohl gerade sie immense Verantwortung und Druck für einen jungen Menschen bedeutet. Der Film Niemals Selten Manchmal Immer stellt sich diesem Thema mit viel Einfühlungsvermögen und zuweilen unbequemer Ehrlichkeit.

Autumn lebt in Pennsylvania, einem US-Staat, in dem sie als Minderjährige die Zustimmung ihrer Eltern bräuchte, um ihre ungewollte Schwangerschaft zu beenden. Für die Abtreibung reist sie deshalb gemeinsam mit ihrer Cousine heimlich nach New York. So entsteht eine Geschichte zwischen Coming-of-Age, Road-Trip-Movie und feinfühliger Doku. Den zunächst seltsam klingenden Titel entnimmt der Film einer berührenden, anstrengenden Sequenz in der Abtreibungsklinik: Hier muss Autumn Fragen zu ihrem Sexualleben und ihren Beziehungen beantworten, im Antwortformat “niemals, selten, manchmal oder immer”. Wie auch über den restlichen Film hinweg spielt hier weniger eine Rolle, was Autumn sagt – sondern wann sie schweigt; etwa wenn es darum geht, ob sie schon einmal sexuelle Gewalt erfahren hat.

Die Frau, die in dieser Schlüsselszene die Abtreibungs-Beraterin spielt, übt auch im wahren Leben diesen Beruf aus, und das ist nur ein Aspekt von vielen, die den bestechenden Realismus von Niemals Selten Manchmal Immer ausmachen. Im Fokus auf die Figuren und in den kleinen Details ihrer Interaktionen ist zu spüren, wie viel Recherche Regisseurin Eliza Hittman (Beach Rats) in die Geschichte investiert hat. Statt manipulativ mit ihren Figuren umzugehen oder auf Melodrama zu setzen, bleibt Hittmans Herangehensweise an Autumns Schicksal (als eine von vielen) stets feinfühlig und authentisch. Ein mit Sicherheit nicht leicht verdauliches, dafür aber umso sehenswerteres Sozialdrama – am besten als ernüchterndes Double-Feature mit Abtreibungs-Doku Reversing Roe.

Niemals Selten Manchmal Immer ist als Stream auf HBO (über Amazon) verfügbar. Reversing Roe läuft auf Netflix. nc

SAINT FRANCES

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Trailer zum Komödie-Drama

Menstruation, Abtreibung, Postnatale Depression: Ein bunter Strauß Tabuthemen verpackt in einem wunderbaren kleinen Film, der ebenso zum Lachen wie zum Weinen bringt. Braucht es wirklich noch mehr Verkaufsargumente?

Kelly O’Sullivan, Drehbuchautorin und Hauptdarstellerin zugleich, beweist mit Saint Frances ein Händchen für liebenswerte Figuren und naturalistische Dialoge, ein erfrischender Mix aus Unterhaltung und Authentizität. Im Fokus steht Bridget, Mitte 30, Kellnerin ohne klares Ziel im Leben. Zu Beginn des Films erfährt sie von einer ungewollten Schwangerschaft, etwa zur gleichen Zeit, als sie einen neuen Job als Kindermädchen für die sechsjährige Frances (Titelgeberin und herrlich altklug gespielt von Ramona Edith Williams) antreten soll. Aus der Situation entspinnt sich ein ironisches und dennoch stets liebevolles Portrait einer Frau zwischen Berufen, Beziehungen und Lebenszielen.

Einen Sommer lang begleiten wir Frances und Bridget, ihre holprige Beziehung eingefangen in den intimen Bildern einer Handkamera. Viele der hierbei heraus gegriffenen Situationen sind völlig absurd und gerade dadurch berührend und echt: Etwa Bridgets Bewerbungsgespräch mit Frances’ Eltern, bei dem sie offen zugibt, kein großer Fan von Kindern zu sein, Streits zwischen Bridget und Frances auf offener Straße, oder eine spielerische Beicht-Szene zwischen den beiden in der Kirche. Saint Frances wirkt in seiner Aufmachung ganz bescheiden und ist doch radikal in seiner unaufgeregten Herangehensweise an Dinge, die im Kino selten zur Sprache kommen. Ehrlich, warmherzig, unerschrocken; und wirklich auf die beste Art tränenreich.

Saint Frances ist als Stream auf Starz (über Amazon) verfügbar. nc

SCHWARZE MILCH

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Trailer zum Drama Schwarze Milch

Schwarze Milch entführt uns in eine fremde, weit entfernte Welt. Wir landen in einer Jurte, mitten in der mongolischen Wüste. Zusammen mit Wessi, die in Deutschland aufgewachsen ist, beobachten wir in rohen, sinnlichen Bildern, eine besondere Verbindung zur Natur, zur Fremde. Die Ziegenmilch, die sich Wessi in einer Schlüsselszene über den badenden Körper gießt, wird zur kraftvollen Metapher dieser semi-autobiographischen Erzählung der deutsch-mongolischen Filmemacherin  Uisemna Borchu.

An deren Lebensgeschichte angelehnt kehrt Wessi nach langer Zeit zu ihrer Schwester Ossi, einer mongolische Nomadin zurück. Dass hier Kulturen aufeinander treffen ist selbstredend. Dabei bleibt „Schwarze Milch“ aber deutlich vielschichtiger als wir es von trivialen Kultur-Konflikt-Familienkomödien  gewöhnt sind. Im Staub der Wüste wirbelt ein innerlicher, persönlicher Konflikt auf: Über Fremde, die Bedeutung von Modernität, aber auch über die Emanzipation der Frau zwischen Konvention und Freiheit. Manchmal verwirrend aber immer bildgewaltig und klug erzählt. vs

KAJILLIONAIRE

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Trailer zu Kajillionaire

Es ist schwer, ein passendes Adjektiv für Kajillionaire zu finden: das Drama um die schrullig-verkorkste Betrügerfamilie ist abgedreht, urkomisch aber auch tragisch. In erster Linie beweist Regisseurin und Künstlerin Miranda July aber ein herausragendes Maß an expressiver Kreativität. Vielleicht passt da überschäumend am besten. Schliesslich muss auch der rosa Schaum, der aus den Wänden des kleinen Zimmers der Devys quillt in regelmäßigen Abständen mit einem Eimer abgeschöpft werden. Die Familie wohnt im Büroraum einer Wäscherei.  Auch die kleinen Trickbetrügereien, für die meistens Tochter Old Dolio – benannt nach einem Trickbetrug – herhalten muss, nennt Richard Jenkins als Vater Robert Devy „Abschöpfen.“

Zusammen mit Evan Rachel Woods als sozial unbeholfene Tochter und Debra Winger als emotionslose Mutter, spielt Jenkins grandios eines der seltsamsten Familiengespanne der Filmgeschichte. Kajillionaire erzählt diese skurrile Geschichte mit einer solch tragischen Komik, dass sie damit gleichzeitig unterhält, überrascht aber auch einen bitteren Nerv der Realität trifft. Eine bunte, amerikanische Überlegung über Verbindungen und Familienbande in einer modernen westlichen Gesellschaft. vs

PERSISCHSTUNDEN

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Trailer zum bewegenden Drama Persischstunden

Frankreich, 1942. Gilles (Nahuel Peréz Biscayart) wird als Jude von Nazis deportiert und überlebt seine Erschießung nur knapp, weil er behauptet Perser zu sein. Stattdessen wird er in ein Durchgangslager geschickt, denn KZ-Offizier Klaus Koch (Lars Eidinger) möchte Farsi lernen. Gilles beginnt also eine Sprache zu erfinden und sie Koch beizubringen – immer unter der Gefahr aufzufliegen. 

Die Geschichte um die Erfindung einer Sprache wird im Laufe des Films zum Plädoyer gegen das Vergessen. Gilles beginnt die Wörter für seine Sprache aus den Namen seiner Mitinsass:innen zu bilden. Er erfindet die Sprache, indem er sich die Namen derer merkt, deren Existenz nach der Ideologie der Nazis ausgelöscht werden sollte. So wird aus der einfachen Überlebensstrategie eine stille Rebellion und Persian Lessons zu einem Film über die Notwendigkeit der Erinnerung. ag 

TENET

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Trailer des großen Kino-Blockbusters

Fans der ganz großen Blockbuster mussten in diesem Jahr in die Röhre schauen. Zum Teil sogar wortwörtlich, die große Mehrheit der für 2020 angekündigten Filme wurden entweder auf Streaming-Plattformen veröffentlicht oder ganz auf 2021 verschoben. Größte Ausnahme: Christopher Nolans Tenet. Der neueste Film des Star-Regisseurs wurde zwar auch mehrfach verschoben, kam aber im August trotzdem in die Kinos. Das dürfte wohl auch daran liegen, dass der Brite gemeinhin als Gegner des Streamings und großer Verfechter der klassischen Filmtheater-Experience gilt.

Mit der Entscheidung für einen Kino-Release sollten Regisseur Nolan und das zuständige Studio Warner Bros. recht behalten, künstlerisch jedenfalls. Tenet kann seine volle Wirkung tatsächlich nur auf der großen Leinwand entfalten. Der Science-Fiction-Spionage-Thriller lebt voll und ganz von seinen beeindruckenden Bildern und spektakulären Spezialeffekten. Das Mittel der Inversion, also der zeitlichen Umkehrung von einzelnen Objekten und Personen im Film, ist über die ganze Laufzeit hinweg ein absoluter Hingucker. Sucht man aber im genretypischen und klischeehaften Plot nach mehrdimensionalen Figuren, glaubhaften Motivationen oder gar einfachen Emotionen, so stellt sich ein Gefühl der Enttäuschung ein.

Dennoch: Visuell und musikalisch gehört Tenet definitiv zu den absoluten Highlights des Jahres. Für seinen mit Synthesizer-Sounds gespickten Soundtrack dürfte sich Ludwig Göransson im kommenden Jahr berechtigte Hoffnungen auf einen Oscar machen. Es wäre nach Black Panther sein zweiter. Solche Erfolgschancen sollte sich Christopher Nolan für das Gesamtprodukt Tenet allerdings nicht ausrechnen. ap

Die ausführliche M94.5-Kritik zu Tenet könnt ihr an dieser Stelle nachlesen.

HAMILTON

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Trailer des Broadway-Musicals

Pünktlich zum 244. Geburtstag der USA gab es mit dem Streaming-Start von Hamilton das wohl schönste denkbare Geschenk für Musical-Begeisterte. Für viele, vor allem europäische Fans, war ein Besuch des Musicals bislang nahezu unmöglich. Dank der Veröffentlichung der Aufzeichnung einer Aufführung mit dem Original-Cast gibt es das Broadway-Gefühl nun auch ganz bequem im Stream.

Und auch wenn die Aufzeichnung wohl nicht an die Energie einer Live-Aufführung herankommt, wird schnell klar, warum das Musical für Furore sorgt. Hamilton-Schöpfer Lin-Manuel Miranda verbindet in der Inszenierung moderne Hip-Hop-Sounds mit klassischen Musical-Elementen, setzt auf einen diversen Cast, weiß wann Zeit für Humor und wann Zeit für Emotion ist, gibt nahezu allen Charakteren klare Motivationen und eindeutig definierte Charakterzüge.

So ist beispielsweise der von Miranda selbst gespielte Alexander Hamilton keineswegs ein durchgehend positiver Protagonist, sondern muss mit seiner eigenen Impulsivität und Arroganz kämpfen. Hamiltons ewiger Rivale Aaron Burr hingegen ist abwartend und kalkulierend. Die charakterlichen Gegensätze ergänzen sich dramaturgisch hervorragend, auch dank des herausragenden Burr-Darstellers Leslie Odom Jr., und sorgen so für den Spannungsbogen des Musicals. Für diesen wurden zum Teil auch einige historische Fakten mit viel künstlerischer Freiheit interpretiert. Vor allem im Hinblick auf das Thema Sklaverei ein Kritikpunkt, den sich das Musical vorwerfen lassen muss.

Dank einprägsamer Songs, spannender Figuren und grandioser Darsteller:innen gelingt es Hamilton aber dennoch jede Art von Zuschauer:in abzuholen. Eingefleischte Musical-Fans können endlich das Broadway-Phänomen erleben, Musical-Neulinge hingegen dürften schon ab der Eröffnungsnummer Lust auf mehr bekommen. Doch Vorsicht: Es kann vorkommen, dass man von einigen Liedern auch Monate später noch Ohrwürmer hat. ap

Mehr über Hamilton erfahrt ihr im M94.5-Musical-Podcast Zweitbesetzung.

FUTUR 3

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Trailer zu Faraz Shariats Regiedebut

Eine Zukunft, die hätte sein können, die es so nicht gibt. Das ist Futur 3, zumindest für Amon und Banafshe, aufgrund der fehlenden Akzeptanz für ihre Herkunft und Aussehen. Die Geschwister sind erst seit kurzem in Deutschland, geflohen aus dem Iran. Sie freunden sich mit Parvis an, dessen Eltern den Iran verlassen haben und ihm ein komfortables Leben in Deutschland ermöglicht haben.

Futur 3 setzt sich klischeefrei mit der Lebensrealität von Menschen mit Migrationserfahrung in Deutschland auseinander und erzählt von Vorurteilen und Rassismus, der systematisch und alltäglich verankert ist. Es geht um Liebe, Freundschaft, Identität, Heimat – und was das eigentlich ist. Regisseur Faraz Shariat verarbeitet Erfahrungen von Freunden, Familie und seine eigenen. Shariat zeigt dadurch die facettenreichen Lebenserfahrungen migrierter Menschen, stellt sie mal nicht als Opfer oder als Täter dar. Genauso facettenreich sind die Bilder, die sich zwischen stilisierter Selbstinzenierung, nüchterner Aufnahmen und intimen Home-Videos aus Parvis Kindheit bewegen. Futur 3 ist ein Film der Genregrenzen bricht, politisch, authentisch und unterhaltend ist. Nicht nur ein Film über Zukunft, sondern steht auch für neue Impulse, für die Zukunft des deutschen Films. jm

FÜR SAMA

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Trailer zum bewegenden Dokumentarfilm

Es gibt Filme, die schaffen es, dass ein voller Kinosaal verstummt. Und dann gibt es Für Sama. Ein Film, der Menschen im Kino das Atmen vergessen lässt. Der einem als Zuschauer:in so nachgeht, dass man noch Stunden danach nichts essen kann. Filmemacherin Waad al-Kateab hat diesen Film aber nicht gedreht, um ganze Kinosäle zu erschüttern. Gemacht hat sie ihn für ihre Tochter, für Sama. Um ihr zu zeigen, warum al-Kateab mit ihrer Familie ihre geliebte Heimat Syrien 2016 verlassen muss. Für Sama dokumentiert sie alles, was für sie zum Alltag gehört: Schwer verletzte, blutüberströmte Menschen. Sama, wie sie während eines Bombenangriffs alle zum Lächeln bringt. Ein Baby, das aus dem Leib seiner toten Mutter geholt wird. Kinder, die in einem ausgebrannten Schulbus spielen…

Dass ein weltweit gefeierter Dokumentarfilm, der in Cannes ausgezeichnet und bei den Oscars nominiert wird, aus diesen Aufnahmen wird, war nie ihr Wunsch, erklärt die inzwischen in London lebende al-Kateab bei der Für Sama-Deutschlandpremiere in Berlin. Stattdessen sagt sie: „Ich wünsche mir, dass die Millionen von Menschen, die noch in Syrien leben und all jene, die an den Grenzen zu Europa gerade zum Spielball der Politik werden, sehen, dass ihr sie nicht vergessen habt. Sprecht über diesen Film.“

Für Sama ist eine unglaublich starke Dokumentation, deren Bilder man fast nicht ertragen kann. Gerade deswegen sollte man sie unbedingt ansehen. sf

EMMA

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Trailer zum romantischen Drama mit Anya Taylor-Joy

Wäre der Film Emma etwas Essbares, wäre er auf jeden Fall ein zartes Sahnetörtchen mit Chili-Note. Denn die Neuinterpretation der Regisseurin Autumn de Wilde ist ein in Wes-Anderson-Farben strahlendes, perfekt arrangiertes Kostüm-Drama, das aber auch mit überraschend viel spitzfindigem, britischen Humor aufwartet.

Nach Gwyneth Paltrow, Kate Beckinsale und Cher, die alle in früheren Verfilmungen schon Austens verzogene Berufs-Tochter und Hobby-Kupplerin Emma gespielt haben, schlüpft nun Anya Taylor-Joy (spätestens seit Queen’s Gambit ein Hollywood-Liebling) in die Titelrolle des Epochendramas. Eine Ideal-Besetzung für diesen perfekt wie ein Ballett durch-choreographierten Film voll scharfzüngiger Dialoge, bei dem selbst ein Detail wie eine hochgezogene Augenbraue auf den Takt der Musik passt. Frech, wunderschön und witzig – so gar nicht das, was man von einer Jane-Austen-Schmonzette erwarten würde. sf