Filmkritik
Fabian oder Der Gang vor die Hunde
Berlin, 1931: Elend und Ausschweifungen gehen Hand in Hand im Nachtleben der Stadt. Jakob Fabian ist ein Nachtschwärmer, der über diesen scheinbaren Widerspruch reflektiert – bis die Liebe seine Sicht verändert.
Jakob Fabian (Tom Schilling), von allen nur Fabian genannt, ist ein kritischer Beobachter. Tagsüber arbeitet er als Werbetexter in einer Zigarettenfirma, nachts zieht er mit seinem Freund Labude (Albrecht Schuch) durch die Straßen. Während sie sich in Bordellen, Bars und Künstlerateliers vergnügen, philosophiert Fabian über ihr Dasein. Als er sich in einer dieser Nächte in die angehende Schauspielerin Cornelia (Saskia Rosendahl) verliebt, beginnt sich sein pessimistischer Blick auf das Leben zu verändern. Plötzlich scheint die Welt weniger grau, ganz gleich der Umstände.
Die Kamera im Rausch
Schon nach wenigen Minuten Spielzeit fällt auf, dass Regisseur Dominik Graf um kein Experiment verwegen ist. Moderne HD-Aufnahmen wechseln sich ab mit einer körnigen Textur und Bildcollagen flimmern über die Leinwand. Es entsteht der Eindruck, als wolle die Kamera denselben Rausch vermitteln, den Fabian und Labude bei ihren Streifzügen durch die Nacht erleben.
Aber nicht nur die Kameraeinstellungen sind ausgefallen: immer wieder drängen sich Bilder zwischen die Figuren, die jäh daran erinnern, dass es sich “nur” um einen Film handelt. Das sind zum einen Ausschnitte aus den Dreißiger Jahren, die in keinem Zusammenhang zur Handlung stehen. Oder zum anderen aktuelle Bezüge, wie eine Nahaufnahme von Stolpersteinen auf dem Boden, die 1931 noch gar nicht existiert haben können.
Mehr als nur Kinderbücher
Der Film basiert auf Erich Kästners Roman Der Gang vor die Hunde, der 1931 noch unter dem Titel Fabian. Die Geschichte eines Moralisten veröffentlicht wurde. Eine Geschichte, die die Gesellschaft mit dem Gang vor die Hunde gleichsetzt, erschien damals noch zu gewagt, um publiziert zu werden. Neben dem Titel wurden deshalb auch einige Szenen, deren Beschreibungen als zu politisch oder zu sexuell empfunden wurden, vorsorglich gestrichen.
2013 folgte schließlich doch noch die Originalfassung, mitsamt des ursprünglich geplanten Namens. Kästner, der heutzutage vielen Menschen als Kinderbuchautor bekannt ist, zeigt in dieser Version eine ganz andere Seite: Fabians nächtliche Ausflüge werden schonungslos genau beschrieben, ganz gleich, wie wenig glamourös oder anständig sie sein mögen.
Bewährte Besetzung
Mit Tom Schilling in der Hauptrolle und Saskia Rosendahl als die Frau, für die Fabian seine Weltsicht verändert, setzt der Regisseur auf ein bewährtes Duo. Bereits im oscarnominierten Film Werk ohne Autor bewiesen beide ihr schauspielerisches Können, was ihnen auch dieses Mal gelingt. Insbesondere Tom Schilling überzeugt als der nachdenkliche Fabian, dessen Moral von Doppeldeutigkeit geprägt ist.
Doch im Gegensatz zu Werk ohne Autor bleiben die Szenen von Fabian oder Der Gang vor die Hunde nicht nachhaltig im Gedächtnis. Obwohl die Verfilmung von Erich Kästners Roman mit 176 Minuten Spielzeit sogar ein wenig kürzer ist, zieht sich die Handlung in die Länge. Experimentelle Kameraeinstellungen und eine gelungene Besetzung können nicht verhindern, dass bei den Zuschauer:innen Langeweile aufkommen kann. Es bleibt das Gefühl, als versuche der Film etwas zu vermitteln, das am Schluss nicht ankommt. Oder vielleicht nur bei jenen, die den Roman gelesen haben.
Fabian oder Der Gang vor die Hunde läuft ab dem 05. August 2021 in den deutschen Kinos.