406 Dinge in 28 Tagen

Experiment Minimalismus

/ / Bild: Shutterstock; DAMRONG RATTANAPONG

Minimalismus ist nicht nur ein Design-Trend für Einrichtung und Mode, sondern kann auch Lebenseinstellung sein. Minimalistisch zu leben, heißt dann, Struktur zu schaffen und sein Leben aufzuräumen. Extreme Minimalist:innen besitzen gerade mal 100 Dinge. Damit reduzieren sie sich auf das Nötigste und schaffen mehr Raum für Freiheit. Redakteurin Sarah Bröker hat minimalistisch leben selbst ausprobiert.

Die Idee des Minimalismus hat mich schon lange begeistert. Aber so von null auf hundert Minimalistin werden? Um mir den Einstieg zu erleichtern, habe ich für 4 Wochen das Minimalismus-Game gespielt. Bei dieser Challenge wird am ersten Tag eine Sache aussortiert, am zweiten Tag zwei Sachen und so weiter. In meinem Fall so lange, bis 28 Dinge rausfliegen. Klingt erstmal machbar. Dachte ich zumindest, bis mir aufgefallen ist, dass ich nicht 28 Dinge in 28 Tagen aussortieren muss – sondern 406 Dinge! Und das ist gar nicht so wenig. Gerade ich als Studentin besitze sowieso nicht so viel. Aber ich habe mich der Aufgabe gestellt und das Ganze festgehalten:

Tag 1

Direkt am ersten Tag trenne ich mich vom größten Gegenstand des ganzen Experiments – dem Klassiker der Studierendenwohnung, der MALM-Kommode. Dahinter steckt der Gedanke, dass mich der erstmal fehlende Stauraum quasi dazu zwingt, mich von einigen Dingen zu verabschieden. Mit der frischen Motivation, die man nur am ersten Tag hat, habe ich alle Schubladen leer geräumt, Fotos gemacht, zum Verkauf hochgeladen und siehe da – ein paar Tage später hatte ich schon eine Käuferin. Nothing can stop me.

Tag 11

Mich beschleicht eine Erkenntnis: Dinge verschwinden nicht einfach, nur weil man sie aussortiert. Irgendwo muss das Zeug ja hin, damit es auch Platz freigibt. Wegwerfen und Verschenken sind da die einfachsten Optionen. Verkaufen ist schon etwas aufwändiger. Fotos machen, hochladen, beschreiben und verhandeln kostet ganz schön viel Zeit – und vor allem Nerven. Das dämpft meinen Enthusiasmus etwas.

Tag 14

Bergfest! Zumindest was die Tage angeht… Die Hälfte der Dinge hab ich noch lange nicht aussortiert. Bis jetzt bin ich aber (noch) begeistert.

Tag 16

Langsam wird es schwer. Meine Liste, die ich mir am Anfang überlegt habe, ist bald durch. Ich suche mir Minimalismus-Inspiration auf Pinterest, YouTube und bei Freund:Innen. Jetzt wird es wohl Zeit sich dem Endgegner zu stellen – dem Kleiderschrank. In München habe ich ja nur meine Lieblingsteile, der Rest ist sowieso 300 km entfernt bei meinen Eltern. Nach einem Blick in den Schrank stelle ich aber fest, dass sich da doch noch das ein oder andere überflüssige Teil versteckt. Am Ende konnte ich wirklich 16 Teile aussortieren (auch wenn ich 2 Paar Schuhe und ein Paar Socken als sechs Dinge gezählt habe). Das macht mich gleichzeitig stolz und ein kleines bisschen nachdenklich. Wie viele Sachen besitze ich noch, die ich doch nicht unbedingt brauche?

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Tag 18 – 21

Jetzt dürfen abgelaufene Medikamente und Lebensmittel (wieso hatte ich das überhaupt noch?), eingetrocknete Nagellacke, Verträge und Rechnungen, die älter sind als zwei Jahre, alte Zeitschriften, Kochbücher und Werbegeschenke gehen.

Tag 22

Auch meine Kreativkiste muss dran glauben. Verlassen haben mich aber nur die kaputten Stifte, vom Rest kann ich mich wirklich nicht trennen. Auf 22 komme ich nur, weil ich noch ein paar alte Postkarten finde. Mir fällt es von Tag zu Tag schwerer die vorgegebene Anzahl an Dingen auszumisten.

Tag 23 – 27

Mein Notfallplan für die letzten Tage: Aussortieren digital! Ich räume Pinterest-Pinnwände auf, sortiere Instagram-Seiten und gespeicherte Beiträge aus, melde mich bei Mail-Abos ab, räume meinen Desktop auf und lösche alle Apps, die ich sowieso nie benutze. Da kommt einiges zusammen. Gerettet hat mich aber meine Bildergalerie, da konnte ich wirklich einiges an Fotos löschen. Digital Ausmisten kann ich wirklich nur empfehlen! Gerade weil die Dinge nicht greifbar sind, sammelt sich sehr schnell viel unnötiger Ballast an.

Tag 28

Meine letzte Sache stand schon am ersten Tag fest. Ein Fehlkauf, leider. Eine Küchenmaschine mit insgesamt 30 Teilen. Damit liege ich sogar über dem Ziel für den letzten Tag. So schließt man doch gern eine Challenge ab.

Mein Fazit: Was ich aus den 28 Tagen gelernt habe

Auf jeden Fall ist mir so richtig bewusst geworden, dass Ausmisten ganz schön viel Zeit kostet. Aber es lohnt sich, sich einmal wirklich kritisch damit auseinanderzusetzen, was man wirklich braucht und was nicht. Ich fühle mich befreit und alles ist ordentlich! Nochmal würde ich die Challenge aber nicht machen. Zwar ist es für den Einstieg nicht schlecht, sich jeden Tag ein paar Gedanken zu machen und auszusortieren, es wird aber auch schnell anstrengend – es kommen nämlich echt viele Dinge zusammen.

Für die Zukunft habe ich mir einen anderen Ansatz überlegt: reflektiertet konsumieren! Bevor ein neues Teil einzieht, will ich zuerst eine Woche darüber nachdenken, ob ich es wirklich brauche. Bei Klamotten und Kreativzeug gilt ab jetzt: für jedes neue Teil muss mindestens ein altes Teil gehen.