Theaterkritik

Ende einer Liebe

/ / Die Abrechnung: Matthias Grundig und Mara Widmann im Metropoltheater Foto: Jean-Marc Turmes

Ein Stück das da beginnt, wo die meisten Geschichten enden: Jochen Schölch inszeniert Ende einer Liebe von Pascal Rambert am Metropoltheater. Schmerzhaft ehrlich und schonungslos detailreich, legt dort ein einstiges Liebespaar dar, wie es sich anfühlt an einem Punkt zu stehen, an dem es nicht mehr gemeinsam weitergeht.

Audrey und Stan stehen am Scheidepunkt. Es ist ihr letztes Treffen. Sie werden danach nicht mehr zusammen sein, sich nie mehr berühren, ihre Gefühle werden nie mehr durch die andere Person entfacht und ihre Gedanken nie mehr verklärt um das Gegenüber kreisen. Am Ende bleibt Gleichgültigkeit, ein Meer aus Scherben, für das sich niemand mehr verantwortlich fühlt.

„Du wirst eine Blutlache sein wenn ich zu Ende gesprochen haben werde. […] Ich sehe all diese Jahre, all unsere Jahre, all unsere gemeinsamen Jahre in aller Stille in deinem Körper zusammenbrechen.“

– Stan

Leben auf Distanz

Mara Widmann und Matthias Grundig spielen einen Text des französischen Schriftstellers Pascal Rambert aus dem Jahr 2011. Die Kulisse des Metropoltheaters ist einer Ansammlung an Stühlen gewichen, die mit genug Abstand platziert sind. Die Bühne ist ein leuchtender Laufsteg in der Mitte des Raums, an dessen jeweiligen Enden die beiden SchauspielerInnen stehen und auch stehen bleiben werden. Wo einst die Tribüne des Metropoltheaters gewesen ist, befindet sich ebenfalls eine Stuhlformation. Die Distanz der Corona-Zeit, der Abstand zu den anderen Menschen im Saal und die Kluft, die das einstige Liebespaar trennt. Menschliche Nähe ist nichts Selbstverständliches mehr, sie wird zur Ausnahmeerscheinung.

„Ich behalte alle unsere Küsse und ich behalte die Stunden in denen wir gar nichts gemacht haben, ich behalte die Tage an denen wir uns nicht gesehen haben, an denen du mir fehltest, ich behalte alle Augenblicke, dieses ganze Leben, das du vergessen willst.“

– Audrey
Mara Widmann, abrechnend, als Audrey. Foto: Jean-Marc Turmes

Kämpfen bis nichts übrigbleibt

Bühnenbild, Requisiten, Kostüme, alles ist in der Inszenierung von Jochen Schölch auf ein Minimum reduziert, nur an Worten mangelt es nicht. Die Reisen, die Berührungen, die Kinder, Alltagssituationen, Banales und Besonderes, die Träume vom gemeinsamen Altern. Was bleibt am Ende übrig wo doch einst so viel gewesen ist? Die beiden ProtagonistInnen sind einander ebenbürtig und gehen in ihrem brutalen Kampf auch deshalb gemeinsam unter. Er und sie sprechen nacheinander, es gibt keinen Dialog, nur zwei böse, voneinander getrennte Monologe. Sie haben es zum Ziel die Vergangenheit zu demontieren und den anderen zu zerstören.

„Man hätte gerne, dass dieser Alptraum endet. Brüllen wenn die Rettung den verstorbenen Leib der Liebe mitnimmt. Brüllen wenn die Rettung den Leichnam der Liebe mitnimmt.“

– Audrey

Die Wucht mit der die Worte treffen sieht man vor allem Matthias Grundig als Stan an. Er krümmt sich, sein Gesicht von Schweißtropfen überströmt, als könnte er kein einziges Wort mehr ertragen, weil jedes einzelne ihn innerlich auslöscht, bis er als leere Hülle zurückbleibt. Der Hass und die Verzweiflung im Stück lassen die SchauspielerInnen altern und entzaubern die Welt. Als ZuschauerIn schnürt einem all die maßlose Erniedrigung, das rücksichtlose Abrechnen, irgendwann den Atem zu. Audrey, gespielt von Mara Widmann, erträgt alles stumm, ihre innere Qual ist an ihrer Mimik trotzdem deutlich abzulesen. Egal was geschieht, das Gesagte ist so endgültig grausam, dass es nicht mehr ungeschehen gemacht werden kann.

Matthias Grundig, ungläubig, als Stan. Foto: Jean-Marc Turmes

Muss der Schleier reißen?

Das Stück zielt jedoch nicht nur auf bittere Anekdoten aus dem Leben des einstigen Liebespaares ab. Auf einer Metaebene spielt es auf die großen Fragen des Lebens und der Liebe an, die sich wohl den meisten Menschen einmal stellen werden. Liebt man jemanden für das was er ist oder nur für das Gefühl, das die Person einem gibt oder die Vorstellung, die man sich voneinander gemacht hat?

„Das ist nicht das war wir uns vorgestellt haben, das ist wirklich nicht das, was wir uns vorgestellt haben, als wir einander ins Augenweiß blickten. Die Liebenden, die verliebten Paare sagen, wir nicht, das gibt’s nur bei den anderen. Und wären wir im Theater dann würden die jungen Liebenden im Publikum in der Dunkelheit sich bei den Händen halten, sich anschauen, einander ins Augenweiß blicken und dabei denken: das passiert uns nicht. Allerdings Entschuldigung, eines Tages reißt der Schleier.“

– Stan

Was ist die Lösung? Man kann nie mit vollkommener Sicherheit sagen, dass eine Verbindung bis zum Ende des Lebens halten und stets glücklich sein wird. Sollte man sich zum Selbstschutz in die Isolation begeben oder nur noch oberflächliche Beziehungen führen? Warum eine Liebe zu Ende geht ist oftmals in vorgefertigte, gesellschaftlich akzeptierte „wir haben uns auseinandergelebt“-Formeln verpackt. Dabei ist die Wahrheit meist komplexer und brutaler. „Schauen Sie das Stück nicht an, wenn sie Liebeskummer haben“, lautete zuvor die Warnung. Die Universalität der Thematik und die Seltenheit der offenen Auseinandersetzung damit, machen das Stück so realistisch und sehenswert. Wer sich berieseln lassen und der Realität des Alltags entfliehen möchte, sollte sich ein anderes Stück anschauen oder lieber ins Kino gehen.

Ende einer Liebe ist aktuell im Metropoltheater zu sehen und läuft dort noch bis zum 17. Oktober.