Auf den Spuren unserer Gefühle
Empathie – was ist das?
Der beste Freund besteht eine wichtige Prüfung, der kleine Bruder fällt von der Schaukel des Spielplatzes oder Simbas Vater Mufasa wird von der Klippe gestoßen. Drei völlig unterschiedliche Situationen, in denen eines greift: unsere Empathie. Über eine allgegenwärtige Fähigkeit, ohne die das menschliche Zusammenleben wahrscheinlich gar nicht möglich wäre.
Was ist Empathie?
Empathie ist kurz gesagt die Fähigkeit dazu, sich in andere Personen und Situationen hineinversetzen zu können. Wir freuen uns für unseren besten Freund, fühlen mit unserem kleinen Bruder mit und trauern um den Tod Mufasas. Unsere Empathie äußert sich dabei in der Regel auch durch konkrete Handlungen – etwa wenn wir unserem Freund gratulieren, den kleinen Bruder trösten oder bei König der Löwen ein paar Tränen vergießen. Durch diese Handlungen wird Empathie also sichtbar. Neurowissenschaftler greifen allerdings auf andere Methoden zurück, um Empathie zu messen.
Empathie messbar machen
Wie Prof. Christian Keysers, Neurowissenschaftler am niederländischen Universitätsklinikum Groningen erklärt, wird in der Forschung üblicherweise von zwei Verfahren Gebrauch gemacht. Da gibt es zum einen die sogenannten Brain-Imaging-Verfahren, bei denen die Gehirnaktivitäten von Probanden gemessen werden, während sich diese zum Beispiel eine traurige Filmszene ansehen. Zum anderen wird häufig auf Fragebögen zurückgegriffen. Das große Problem bei denen ist jedoch, dass keine Aussage darüber getroffen werden kann, ob die Befragten auch wirklich wahrheitsgemäß antworten.
Woher kommt Empathie?
Mit dieser Frage beschäftigen sich auch Kultur- und Kognitionswissenschaftler wie Prof. Fritz Breithaupt, der an der US-amerikanischen Indiana University Bloomington tätig ist. Er betont, dass Menschen gute Voraussetzungen für Empathieempfinden haben. Die Entwicklung, Gefühle wie Empathie empfinden zu können, könnte ein möglicher Grund für die Größe und Komplexität des menschlichen Gehirns sein. Für ein soziales Wesen wie den Menschen, dessen Lebenswelt sich überwiegend in Gruppen abspielt, ist Empathie ein unentbehrliches Instrument.
Die Bedeutung von Erfahrungen
Noch wichtiger als die Gene sind die Erfahrungen, die wir im Laufe des Lebens sammeln. Entsprechend wenig verwunderlich ist die weit verbreitete Auffassung, dass manche Menschen mehr oder weniger empathisch seien als andere. Es handelt sich nämlich um eine Fähigkeit, die sich trainieren lässt. Das geschieht oft ganz automatisch. Prof. Keysers illustriert das anhand eines Beispiels: „Wer selbst noch nie zum Beispiel am Zahn gebohrt wurde, hat vielleicht noch nicht so viel Empathie dafür, wenn er hört wie ein Zahnbohrer in dem Mund einer anderen Person rumbohrt, wie jemand, der selbst schon so einen Eingriff gehabt hat.“
Der Einfluss von Geschichten
Es zählen allerdings nicht nur die Erfahrungen, die wir in der realen Welt sammeln. Auch fiktive Geschichten haben einen positiven Einfluss auf unser Einfühlungsvermögen. Filme und Serien zu gucken und Romane zu lesen, trainiert nämlich unsere Fähigkeit dazu, uns in fremde Situationen und Personen einzufühlen – besonders dann, wenn wir dabei ständig zwischen mehreren Charakteren hin- und herwechseln.
Empathie kontrollieren
Trotzdem sind wir unserer Empathie nicht hoffnungslos ausgeliefert. Wie nah wir Ereignisse und Schicksale anderer Leute an uns heranlassen, können wir weitestgehend kontrollieren. In manchen Situationen ist das auch zwingend notwendig. Wenn zum Beispiel Ärzte immer mit ihren Patienten und deren Angehörigen mitfühlen würden, wäre das eine emotionale Dauerbelastung für die Mediziner, die ihre Arbeit behindern könnte. Eine gewisse Distanz zu wahren, ist dort also ein wichtiger Selbstschutz.
Ein Artikel von Gregor Moser.