M94.5 ALBENREVIEW
ELBOW – FLYING DREAM 1
Mit Flying Dream One meldet sich die britsche Rockband Elbow eindrucksvoll zurück. Das bereits neunte Album lässt uns die ruhige Seite von Elbow kennenlernen. Feine Harmonien, gepaart mit der außergewöhnlichen Stimme von Sänger Guy Garvey, ergeben ein beeindruckendes Gesamtkunstwerk, das die Hörer:innen sofort in den Bann zieht.
Rettungsanker Musik
Seit jeher hat Musik die Macht, Menschen in schlechten Lebenssituationen eine Hilfestellung zu geben und wenigstens ein klein bisschen Frohsinn in den oft tristen Alltag zu bringen. Da es aufgrund der aktuell angespannten Coronalage schwierig ist, Konzerte zu geben, werden die Bands notgedrungen zu Produktionsmonstern. Allerdings ist bekanntlich nicht alles Gold, was glänzt. Und einige Neuerscheinungen vermitteln eher den Eindruck, als wären sie aus Langeweile entstanden. Das neue Album von Elbow ist in jedem Fall nicht aus Langweile entstanden, ganz im Gegenteil. Mit Flying Dream 1 ist den Vier schon fast ein Meisterwerk gelungen, das unter den „Corona-Alben“ einen Platz ganz oben verdient hat.
Eine einzige Umarmung
Flying Dream 1 ist ein Album, das es schafft, den Menschen komplett zu umarmen. Viele haben sich daran versucht, diese Stimmung durch ihre Songs zu vermitteln. Doch es ist schon lange nicht mehr so gut gelungen wie bei der neuen Platte von Elbow. Die ruhige Seite der Band steht diesmal voll im Mittelpunkt. Stadionhits wie „One Day Like This“ gibt es nicht zu hören. Tanzbares Material gibt es kaum, dafür stehen feine Harmonien im Vordergrund. Alles in allem kann Flying Dream 1 ohne Weiteres als Gesamtkunstwerk verstanden werden.
Gesang als tragendes Element
Es ist schwer beeindruckend, wie es Sänger Guy Garvey schafft, seine Stimme so einzusetzen, dass das Gefühl vermittelt wird, auf einer Wiese zu liegen und sich all die Probleme der Zeit plötzlich in Luft auflösen. Bei“ After The Eclipse“ entsteht genauso ein Gefühl. Ein sehr sentimentaler Song, der in Kombination mit jazzigen Drums im Hintergrund und leisen Backgroundvocals eine perfekte Symbiose eingeht und den Hörer:innen dadurch eine Art Ganzkörpermassage verpasst.
In „Six Words“ lassen Elbow ebenfalls ganz tief blicken. Der anfangs ruhige Song entwickelt sich nach und nach zu einem Track, der getrost als Lebenszeichen beschrieben werden kann. Die einsetzenden Drums geben einem das Gefühl von Aufbruchsstimmung. Das markante Bassspiel und der herausstechende Synthiesound runden den Song passend ab.
Seit 1990 sind Elbow nun schon unterwegs und dementsprechend groß ist auch das Sammelsurium an Singles, Alben und Videos der Band. Doch Flying Dream 1 sticht auf jeden Fall heraus. Natürlich spielt dabei auch die epidemische Lage eine Rolle, doch die Klangfarbe passt perfekt zu Elbow und es macht fast den Eindruck als hätte die Band nur auf den richtigen Zeitpunkt gewartet, um solch ein Album zu produzieren.
Eine Art Entspannungstherapie
Eine durchdachte LP wurde geschaffen, die sich erst richtig entfaltet, wenn alle zehn Tracks komplett durchgehört werden. Die unglaublich beruhigende Stimme, gepaart mit einem Jazzschlagzeug und sehr feinen Klavierpartituren begleitet einen durchwegs und dadurch stellt sich eine ganz gewisse Entspannung beim Hören ein. “The Seldom Seen Kid” bringt es perfekt auf den Punkt. Einfach nur zurücklehnen und genießen.
Passender Sound, zur richtigen Zeit
Aufgenommen wurde das Album im legendären Brighton Theatre Royal. Und es gibt wohl keine bessere Location für die Aufnahme von so einem einfühlsamen und bewegenden Werk. Elbow haben es geschafft, ein kleines Meisterwerk einzuspielen und uns mit auf eine Reise zu nehmen, die sich bei vielen nur im Traum abspielt. Trotz der diesmal ruhig angeschlagen Töne vermittelt dieses Projekt eine positive und auf seine ganz eigene Art mitreißende Atmosphäre. Es wirkt schon fast so, als hätte uns Elbow ein Trostpflaster für die aktuellen Umstände direkt auf die Seele geklebt.
Flying Dream 1 ist am 19.11.2021 über Polydor erschienen