Filmkritik
Eine Frau mit berauschenden Talenten
Eine Übersetzerin im Dienst des Pariser Drogendezernats wird zur Hasch-Großdealerin, während sie ihr Bett mit dem leitenden Ermittler teilt und einen pensionierten Drogenspürhund adoptiert. In Eine Frau mit berauschenden Talenten stellt Isabelle Huppert ihr komödiantisches Talent unter Beweis.
Patience (Isabelle Huppert) übersetzt für das Pariser Drogendezernat Abhör-Aufnahmen arabischsprechender Dealer. Sie hat Spaß daran, sich das Leben der Kriminellen auszumalen, die sie ausspioniert. Weil ihr verstorbener Mann ihr nichts als einen Berg Schulden hinterlassen hat und das Pflegeheim ihrer dementen Mutter viel Geld kostet, ist Patience ständig knapp bei Kasse. Bis sie durch ihre Arbeit von einer enormen Menge herrenlosen Haschs erfährt. Dank ihres vergleichsweise flexiblen Moralkodexes zögert sie nicht lange und beschließt, die Drogen unter die Leute zu bringen. Dazu heuert sie ein wenig geschäftstüchtiges Dealer-Duo an, das sie aus der polizeilichen Überwachung ziemlich gut kennt.
Von der biederen Dolmetscherin zur glamourösen Drogenbaronin
Patience verwandelt sich für ihre Rolle als Drogenbaronin in eine glamouröse Muslima mit schicken Seiden-Kopftüchern. Komisch sind ihre Treffen mit ihren neuen Geschäftspartnern vor allem, weil sie wesentlich cleverer ist und sehr viel besser arabisch spricht als die harten Jungs. Dafür musste Hauptdarstellerin Isabelle Huppert ihre Texte phonetisch lernen. In Eine Frau mit berauschenden Talenten kann die oft in Dramen eingesetzte Schauspielerin ausnahmsweise einmal wieder ihre komödiantische Seite ausleben.
Regisseur Jean-Paul Salomé inszeniert in etwas mehr als 100 Minuten eine wunderbar verwickelte Story mit liebevoll detaillierten Charakteren: Patience spielt nicht nur beruflich eine Doppelrolle, nebenbei hat sie auch eine Affäre mit dem Hauptermittler im Drogendezernat (Hippolyte Girardot). Darüber hinaus adoptiert sie einen pensionierten Drogenspürhund und ihre Hausverwalterin stellt sich als routinierte Clan-Chefin der chinesischen Mafia heraus.
Etwas zu harmlos, aber nicht völlig unrealistisch
Tatsächlich hat das französische Justizministerium seine juristischen Dolmetscher*innen bis vor kurzem aus dem Budget für „Briefmarken und Umschläge“ finanziert. Entsprechend schlecht war die Bezahlung, eine Altersvorsorge gab es nicht. Es ist also nicht ganz unrealistisch, dass eine Polizei-Übersetzerin dermaßen große Existenzsorgen kennt, dass sie auf die schiefe Bahn geraten könnte.
Man kann dem Film vorwerfen, dass er seine Themen zu zahm darstellt, zu wenig Breaking-Bad-Spannung vermittelt. Dafür ist Eine Frau mit berauschenden Talenten aber leichtfüßig und vergnüglich. Wer französische Komödien mag, wird Spaß an diesem Gaunerfilm haben.
Eine Frau mit berauschenden Talenten ist ab dem 8. Oktober 2020 in den deutschen Kinos zu sehen.