K13 Kritik
Ein Protest mit Gin und Schallplatten
Viktor Slawkin (1935-2014) gilt als einer der wichtigsten Dramatiker des absurden Theaters in Russland. Maryna Mikhalchuk hat mit „Die erwachsene Tochter eines jungen Mannes“ (UA: 1979) ein Stück russischer Geschichte an die Studiobühne der Theaterwissenschaft München gebracht. Das Stück erzählt von dem Konflikt zweier Generationen, die jede ihre eigene Form des Protests entwickelt (hat).
Im Gedenken einer Subkultur
Vier Freunde treffen sich nach langer Zeit wieder in Moskau. Sie schwelgen gemeinsam in den Erinnerungen ihrer rebellischen Zeit an der Universität und beobachten dabei wehmütig, dass sie alle recht bürgerlich geworden sind. Alle vier sind “Stilyagi” gewesen. Stilyagi, das waren junge Leute, die amerikanische Kultur in ihrer Kleidung und Musik gelebt haben, entgegen der Lebenswirklichkeit im sowjetischen Russland der 40er bis 60er Jahre. Der Lebensstil der Stilyagi war Protest und Romantisierung zugleich. Die vier Stilyagi in Die erwachsene Tochter eines jungen Mannes gedenken also der guten alten Zeiten indem sie amerikanischen Gin trinken und zu Jazzmusik singen und tanzen. Der titelgebende “junge Mann” ist einer von ihnen.
Die Inszenierung von Die erwachsene Tochter eines jungen Mannes ist stimmungsvoll. Sie zeigt ein gemütliches Wohnzimmer und spielt mit der Musik, die die Stilyagi geradezu verehren. Sie dient als Zwischenspiel zwischen den alten und neuen Konflikten, die sich im Laufe des Stücks auftun. Das melancholische, russische Lied, das immer wieder angesungen wird, sorgt für Gänsehaut. Laute Momente des Streits werden abgelöst von ruhigen Momenten der Eintracht. Beides wechselt sich in schwindelerregender Geschwindigkeit ab.
Alle vier Stilyagi hängen unreflektiert ihrer Jugend nach. Sie streiten sich über längst Vergangenes oder blicken voller Stolz auf den Lebensstil, der ihr persönlicher Widerstand war. So können sie nur mit Verständnislosigkeit reagieren, als ihre Kinder ihren eigenen Protest beginnen.
Zu Viel für 90 Minuten
„Die häusliche Atmosphäre steht im Gegensatz zu der brutalen Realität draußen vor der Tür.“
– aus dem Programmheft
Während die Erwachsenen sich wie Teenager benehmen, ist Ella, die Tochter des “jungen Mannes”, die einzig erwachsene Person des Stücks. Sie hat gefestigte, reflektierte Überzeugungen, zeigt sich aber auch ihrem hadernden Vater gegenüber voller Verständnis. Ihre Anliegen jedoch bleiben skizzenhaft. Wogegen sie protestiert, was die „brutale Realität vor der Tür“ ausmacht, kann nur erahnt werden. So können auch die Dimensionen der persönlichen Beziehungen nur teilweise nachvollzogen werden. Für diese Inszenierung wurde der Text von Slawkin stark gekürzt und das zeigt sich deutlich. Die Inszenierung lässt politische Hintergründe nur angedeutet und säht so den Wunsch nach mehr.