radikal jung 2019
Durée d’Exposition
Beim Festival “Radikal Jung” im Münchner Volkstheater beweisen junge TheaterregisseurInnen Kreativität und Können. Die Französin Camille Dagen beschäftigt sich in “Durée d’Exposition” mit der Bildentwicklung einer analogen Fotografie und hinterfragt unseren Bezug zur Wirklichkeit.
Eine analoge Fotografie entwickeln beudetet: Wenn sich der Lichteinfall auf einem Stück Papier mithilfe von chemischen Flüssigkeiten in ein scharfes “Abbild” der Realität verwandelt. Aber wie entsteht dieses Bild? Und wie weit entwickelt es sich tatsächlich weg von der Realität? Durée d’Exposition ist französisch und bedeutet “Entwicklungszeit”: Die Bildentwicklung eines analogen Fotos ist auch die Metapher, die das Konstrukt des gleichnamigen Theaterstücks bildet.
Ein flüchtiger Moment
Ein Motiv finden, vorbereiten und abdrücken: Theater funktioniert oft wie analoge Fotografie – versucht es doch meist ein Abbild der Gesellschaft darzustellen, eine Momentaufnahme festzuhalten. Genau deswegen funktioniert es auch, wenn Hélène Morelli und Thomas Mardell von Animal Architecte das einstündige Theaterstück Durée d’Exposition metaphorisch zur Kamera und zum Fotolabor machen — Nur metaphorisch, wohl gemerkt! Optisch wirkt alles auf den ersten Blick unspektakulär und minimalistisch. Camille in Sneakern und orangenem Pullover, Thomas im blauen Hemd. Sie stehen sich gegenüber im schwarzen Raum. Zu den Utensilien gehört nicht viel: ein paar Kleider, ein Dia-Projektor, ein paar Schalen.
Während auf der schwarzen Wand hinter ihnen die Anleitung einer analogen Kamera Schritt für Schritt erscheint, legen die beiden ihr darzustellendes Thema Schritt für Schritt fest: “Separation”, also Trennung. Ihre Performance, ihre Bewegungen spielen mit den Zwischenmomenten — dem Überlegen, dem Zögern. Wir durchleben die Bildentwicklungsstufen eines Fotos, metafiktional. Die Darstellung des Theaterstücks und sein Bezug zur Wirklichkeit werden hier schrittweise dekonstruiert.
Wenn an der Wand steht “Finden Sie den passenden Rahmen für Ihre Aufnahme”, fangen die beiden selbstironisch an, dem Publikum die Rahmenbedingungen des Theaterstücks sowie die individuellen Grenzen ihrer Performance darzulegen. Hélène kann beispielsweise nicht nackt auf der Bühne stehen, Thomas hat eine Schulter-Verletzung, was seine Bewegungen einschränkt. Er kann aber mit einer Hand seine Schnürsenkel zubinden und demonstriert das auch direkt.
Bitte Lächeln!
Kleine, verspielte und selbstironische Details wie diese, bringen das Publikum immer wieder zum lachen, während sich das Geschehen zwischen den beiden Schauspielern zuspitzt. In einem Moment tanzt Hélène mit jemandem aus dem Publikum zu Céline Dion, im nächsten wälzt sich Thomas in Kleber und Glitzer-Konfetti. Hinter Absurdität und Spielerei steht die Metapher des flüchtigen Moments einer Bildentwicklung. Die Entwicklung unserer Vorstellung von Wirklichkeit – Unser Bezug zur Wirklichkeit.
Wir sollten hinterfragen was hinter unseren Annahmen und Realitätsvorstellungen steckt: Das ist kein wirklich neuer Appell. Auch die Metapher der analogen Fotografie könnte man als flach oder offensichtlich bezeichnen. Wäre da nicht die Leichtigkeit und Spielerei mit der Durée d’Exposition auf die Bühne gebracht wird. Die beiden Hauptdarsteller führen charmant durch die sehr kurzweilige Vorstellung und am Ende hat auch der letzte Zuschauer ein Schmunzeln im Gesicht.
“Durée d’Exposition” ist am 27. und 28. April auf dem Radikal Jung im Volkstheater zu sehen.