DOK.Fest 2020
Doku-Flut im Wohnzimmer
Der Sommer 2020 wird schwer für alle Freund*innen kultureller Großevents. Allerdings winkt im Mai ein Hoffnungsschimmer, denn nicht alles wird abgesagt.
Ein unbeugsames Dokumentarfilmfestival hört nicht auf, dem Virus Widerstand zu leisten: Das DOK.Fest München findet trotzdem statt, dieses Jahr zum ersten Mal komplett online. Heißt: Keine Leinwand-Atmosphäre, dafür aber eine riesige Auswahl an Doku-Streams für den heimischen Kinosessel. Die M94.5 Kinoredaktion hat sich vorab durch das diesjährige Programm gewühlt und aus dem internationalen Menü von insgesamt 121 Filmen ein paar spannende Appetizer für euch zusammengestellt. Pünktlich zum Festivalstart am 06. Mai hier also unser Guide für euer DOK.Fest @home.
Copper Notes of a Dream (Kanada/Iran)
Ein zehnjähriger Junge träumt davon, Sänger zu werden. Helfen soll ihm seine große Schwester, und gemeinsam planen sie ein gigantisches Konzert. Was nach Hollywood-Prämisse klingt, ist tatsächlich die Geschichte von Malook, einem palästinensischen Geflüchteten in Syrien, der Kupferdrähte aus verlassenen Häusern sammelt, um sein Konzert zu finanzieren. Die iranisch-kanadische Dokumentation begleitet den staubigen Alltag des kleinen Malook und seiner Freund*innen.
In Reza Fahramands Film sind die Stimmen der Kinder zentral: So kindlich sie klingen, so ernsthaft sind oft die Worte, die sie sagen, geprägt von Krieg, Zerstörung und Trümmern, in denen sie aufgewachsen sind. Es ist ein erstaunliches Familiendrama, das Fahramand hier festgehalten hat, denn der große Wunsch, Musik in eine Welt voller Trümmer zu bringen, scheint in Malook unbrechbar. Allein die klimpernde Klavieruntermalung wirkt stellenweise überzogen; Malooks Schicksal wäre ohne tragischen Soundtrack ebenso berührend. afv
Copper Notes of a Dream läuft in der Reihe DOK.horizonte.
Days of Cannibalism (Frankreich/Niederlande/Südafrika)
Fressen oder gefressen werden: So ist das im globalen Wirtschaftswettbewerb des Kapitalismus. Kaum jemand kann sich der Globalisierung noch entziehen – so auch nicht das kleine afrikanische Land Lesotho. Dort hat sich eine wachsende chinesische Gemeinde niedergelassen. Die beiden Gruppen, Basotho-Einheimische auf der einen und chinesische Immigrant*innen auf der anderen Seite, treten einander misstrauisch und feindselig gegenüber, im lokalen Radio wird der Ton des Moderators zunehmend abwertender gegenüber den Immigrant*innen. Regisseur Teboho Edkins zeigt, wie die afrikanischen Arbeiter*innen in chinesischen Fabriken ausgebeutet werden, genauso aber die Isolation der chinesischen Einwohner*innen, die sich kleine Existenzen aufbauen wollen. Der Konkurrenzkampf wächst, zwei Weltansichten prallen aufeinander und die Gemeinschaft ist fragmentiert.
Days of Cannibalism ähnelt dabei manchmal einem klassischen Western: Auf Pferderücken treiben die Basotho ihr Vieh durch die weitläufige Berglandschaft Lesothos. Der zentrale Konflikt, Einwanderer gegen Einheimische, wird jedoch immer kritischer betrachtet. Edkins zeigt Vignetten des Alltags, observiert sehr detailliert, ohne viel zu erklären. So stellt er den Konflikt in all seinen Nuancen dar und schafft es, neutral zu bleiben. Manchmal allerdings ist es genau dieser Kontext, der fehlt, um Hintergründe der Konflikte und Zusammenhänge zu verstehen. Days of Cannibalism bleibt jedoch ein faszinierendes Portrait des Einflusses von Globalisierung auf eine Gemeinschaft. jm
Days of Cannibalism läuft in der Reihe DOK.horizonte.
Die Heimreise (Deutschland)
Bernd Thiele ist 38 Jahre alt, als er seinem Onkel einen kleinen Zettel gibt. Er siezt seinen Onkel, denn er hat ihn noch nie zuvor gesehen. Der Zettel, den Bernds Onkel nun in der Hand hält, ist Bernds Schwerbehindertenausweis. Die geistige Behinderung ist bei Bernd allerdings nicht genetisch bedingt. Seine Mutter war Alkoholikerin und konnte ihrer Sucht in der Schwangerschaft nicht widerstehen. Bernd ist sowohl in Kinderheimen als auch bei Pflegefamilien groß geworden, und obwohl er sich dort wohlgefühlt hat, wuchs über die Jahre der Wunsch, seine eigene Familie kennenzulernen.
In Die Heimreise macht sich Bernd mit seinem Freund Johann auf den Weg, die übrigen Mitglieder seiner Familie zu finden. Da auch Johann eine geistige Behinderung hat, fällt es den beiden nicht leicht, sich in einer fremden Stadt zurecht zu finden. Die 90-minütige Doku zeigt, welche Schwierigkeiten Bernds Alltag mit sich bringt, aber auch, dass er seine Lebensfreude nicht verloren hat. Im Laufe der Reise, die sowohl positive als auch negative Dinge mit sich bringt, ist es unmöglich, Bernd und seinen Freund nicht ins Herz zu schließen. Die Regie unter Tim Boehme zeigt die Reise sehr geduldig und lässt Bernd viele seiner oft berührenden Gedanken mitteilen. lb
Die Heimreise läuft in der Reihe DOK.deutsch.
Farewell Paradise (Niederlande)
Sonja Wyss ist ein kleines Kind, als ihre Mutter die Koffer packt und mit ihr und den drei großen Schwestern von den Bahamas zurück in die Schweiz geht. Ohne den Vater. Die Ehe der Eltern ist kompliziert, der Vater hat Beziehungen mit anderen. So zieht die Mutter die Töchter schließlich alleine groß. Jetzt, vierzig Jahre später, holt Sonja alle vor die Kamera und macht das, was in ihrer Familie zu wenig getan wurde: Sie reden miteinander.
Heraus gekommen ist dabei eine spannende dokumentarische Detektivgeschichte, die nach und nach die Geschichte der Familie Wyss aufdeckt. Die Regisseurin unterhält sich mit jedem Familienmitglied einzeln und erhält so sehr unterschiedliche, radikal ehrliche Perspektiven auf die Vergangenheit. Die Schwestern beschreiben ihre bewegte Kindheit, die Eltern ihre schwierige Ehe. Alle erzählen natürlich aus einer Distanz von über vierzig Jahren, und dennoch lassen sich unweigerlich hochkommende Emotionen ablesen. Dadurch werden die individuellen Erfahrungen authentisch und nahbar. Letztlich geht es um die Frage, welche Auswirkungen die Beziehung der Eltern auf die Kinder hat, wie man Schwierigkeiten im Leben umgehen und dennoch zu sich selbst finden kann. Eine einfühlsame Dokumentation über eine spannende Familiengeschichte. jr
Farewell Paradise läuft in der Reihe DOK.deutsch.
La Langue est donc une Histoire d’Amour (Kanada)
Dass Sprache eine Liebesgeschichte ist, so wie vom Filmtitel proklamiert, zeigt die kanadische Doku anhand von Immigrant*innen, die an einer Schule in Montreal Französisch lernen. Im Centre William-Hingston treffen alle möglichen Schicksale aufeinander: Viele der Schüler*innen haben zuvor in ihrem Leben noch nie eine Schule besucht. Manche von ihnen mussten ihre Heimat aufgeben, um vor dem Krieg zu fliehen, andere flüchteten vor Diskriminierung. All diese Menschen vereint eins: In Québec wollen sie ein neues Leben starten.
Warum diese Geschichten für Regisseur Andres Livov besonders erzählenswert sind, zeigt sich in seinem Lebenslauf. Auch er ist in Kanada Einwanderer, der gebürtige Argentinier lebt seit zwölf Jahren in Montreal. Livov lässt die Protagonist*innen für sich selbst sprechen: Er tritt weder vor der Kamera auf, noch kommentiert er das Geschehen als Stimme aus dem Off. Stattdessen zeigt er lieber die Akteur*innen in Nahaufnahmen, hört auch in die auf Arabisch geführten Diskussionen im Klassenzimmer herein und begleitet die Schüler*innen bei ihren Beratungsgesprächen, bei denen sie über ihre Zukunftspläne sprechen. So wird der Film zu einem intimen Porträt der Immigrant*innen – es fühlt sich nahezu so an, als wäre der Regisseur selbst Teil der Schulklasse. Er zeigt, dass Sprache wirklich zu einer Liebesgeschichte werden kann – sei es die empathische Liebe zwischen der Lehrerin und ihren Schüler*innen, oder die hoffnungsvolle Liebe der Schüler*innen für ein Land, das ihnen ein neues Leben bietet. ap
La Langue est donc une Histoire d’Amour läuft in der Reihe DOK.panorama.
Mating (Schweden/Dänemark)
Mating handelt nicht nur von Millennials in Zeiten von Online-Dating, der Film ist auch selbst ein bisschen wie Tinder: Auf den ersten Blick oberflächlich und selbstgefällig, steckt doch hinter den Protagonist*innen erstaunliche Emotionalität und Tiefe. Denn eigentlich geht es Regisseurin Lina Maria Mannheimer gar nicht um die Fallstricke der modernen Dating-Welt, sondern um ein intimes Portrait ihres zentralen On-Off-On-Pärchens. Naomi und Edvin treffen per Zufall aufeinander und filmen sich und ihre Korrespondenzen für ein Jahr selbst.
Obwohl (oder gerade weil?) Mannheimer die beiden nie persönlich trifft und nur aus der Ferne mit ihnen kommuniziert, entsteht eine unheimliche Nähe zu ihnen, wenn man als Zuschauer*in den spätnächtlichen Skype-Gesprächen der beiden lauscht, sie bei ihren gegenseitigen Besuchen begleitet oder zackig geschnittene Messenger-Chats mitliest. Eigenschaften, die Naomi oder Edvin anfangs vielleicht arrogant und oberflächlich wirken lassen, entwickeln im Laufe des Films eine Zerbrechlichkeit, die sie nahbar und menschlich macht. Ein persönlicher und rundum ungehemmter Blick hinter die Tinder-Profile Schwedens – und nicht zuletzt auch unterhaltsames Beziehungsdrama. nc
Mating läuft in der Reihe DOK.panorama.
Punks (Niederlande)
Auf einem abgelegenen Hof in Frankreich betreut eine niederländische Therapeutin schwer kriminelle Jugendliche, die sonst in einer geschlossenen Jungendeinrichtung untergebracht werden müssten. „Warum hast du eine App auf dem Handy, mit der man Morde beauftragen kann?“, ist nur eine der Fragen, welche die Therapeutin ihren Jugendlichen stellt, die in menschliche Abgründe blicken lassen. Gleichzeitig wird deutlich, wie verletzlich die Jugendlichen sind, wie sehr sie mit ihrer eigenen traumatischen Vergangenheit zu kämpfen haben. Opfer oder Täter?
Die Dokumentation der niederländischen Regisseurin Maasja Ooms verzichtet auf jegliche Einordnung, hat wenig Dramaturgie. Dies geht sogar so weit, dass es teils schwerfällt, zwischen den verschiedenen Szenen Zusammenhänge zu erkennen und die teils schwer lesbaren und schnellen Untertitel zu verstehen. So ist Punks eine spannende, aber anstrengende Dokumentation, die viele Fragen offenlässt, aber ungestellt und ehrlich wirkt. om
Punks läuft in der Reihe DOK.international.
Silence Radio (Schweiz)
Nachdem Journalistin Carmen Aristegui einen Korruptionsskandal rund um den mexikanischen Präsidenten Paño enthüllt, wird sie von ihrem Radiosender gefeuert. Die Bevölkerung reagiert mit Portesten und der Kampf der Journalistin für Pressefreiheit beginnt. Gemeinsam mit weiteren Investigativ-Journalist*innen gründet Carmen Aristegui ihren eigenen Online-Sender. Regisseurin Juliana Fanjul begleitet diesen Weg und zeigt, wie ungewöhnlich mutig und unnachgiebig Aristegui die mexikanische Bevölkerung weiterhin über Fehlinformationen und Korruption in der Regierung aufklärt.
Während die von Aristegui aufgedeckten Korruptionsfälle nur oberflächlich angerissen werden, legt die Regisseurin ihren Fokus intensiv auf die Journalist*innen selbst. Wie erleben sie den täglichen Druck, die Gefahr und die damit verbundene Frage: Bin ich bereit, für diesen Job zu sterben? Silence Radio zeigt die erschreckende und brutale Realität der Journalist*innen in Mexiko. ast
Silence Radio läuft in der Reihe DOK.horizonte.
Sunless Shadows (Iran/Norwegen)
Mit traurigen Augen sitzen die Mädchen vor der Kamera und richten das Wort an ihre verstorbenen Väter oder Ehemänner. Es sind Worte der Liebe und der unendlichen Trauer darüber, was sie in ihrer Familie Traumatisches erleben mussten – und was sie schließlich zu Mörderinnen werden ließ. Denn die Mädchen sind alle im Gefängnis, verurteilt wegen Mordes an Familienangehörigen.
Der iranische Regisseur Mehrdad Oskouei begleitet den Alltag in der Resozialisierungsanstalt in Teheran und erlaubt einen intimen und differenzierten Blick auf die entwurzelten Frauen, die im Schutz der Gefängnismauern eine neue Familie finden. Eine aufrührende Dokumentation aus einer abgeschotteten Welt, die unter die Haut geht. Sunless Shadows braucht keinen konstruierten Spannungsbogen, um ab der ersten Minute zu fesseln und spielend vor Augen zu führen, wie privilegiert wir mit unserer Gesetzgebung zu häuslicher Gewalt sind. om
Sunless Shadows läuft in der Reihe DOK.international.
The Disrupted (USA)
Cheryl sitzt seit Stunden in ihrem Auto auf dem Parkplatz des Flughafens und starrt auf ihr Handy. Davon, ob ein Auftrag hereinkommt oder nicht, hängt ab, ob sie ihre Miete zahlen kann. Die Frau aus Florida ist Uber-Fahrerin, und wenn sie sich auf dem großen Parkplatz umsieht, dann warten auch in jedem der anderen Autos weitere selbstständige Uber-Fahrer*innen sehnsüchtig auf Arbeit. Was ist aus dem „American Dream“ geworden? Der Traum davon, durch harte Arbeit zu viel Geld und einem hohen Lebensstandard zu gelangen, wird durch The Disrupted kritisch in Frage gestellt.
Die Regisseurin Sarah Colt portraitiert beispielhaft die Uber-Fahrerin Cheryl aus Florida, den Bauern Donn aus Kansas und den entlassenen Fabrikarbeiter Pete aus Ohio. Sie alle gehören zum kontinuierlich schrumpfenden amerikanischen Mittelstand. Das Gesellschaftsportrait bleibt durch die Regisseurin weitestgehend unkommentiert und wirkt dadurch sehr intim und persönlich. Gerade diese unverfälscht wirkende Betrachtungsweise macht den Film so emotional und echt. vm
The Disrupted läuft in der Reihe DOK.international.
The Letter (Kenia)
In Kenias Küstenprovinz häufen sich Morde an älteren Menschen. Sie werden von ihren Familien der Hexerei angeklagt und angegriffen. Als auch Karisas Großmutter einen Drohbrief erhält, reist der junge Mann zurück in seine Heimat und begibt sich auf die Suche nach dem Ursprung dieser Vorwürfe.
Die kenianische Regisseurin Maia Lekow zeigt in The Letter, was passiert, wenn tiefverankerter Aberglaube auf ungünstige (wirtschaftliche) Verhältnisse trifft. Das Ergebnis ist grausam. Trotzdem erzählt der Film die Geschichte unaufgeregt aus Karisas Sicht, der allen Seiten mit stoischer Ruhe zuhört. Nebenbei gewährt The Letter auch einen interessanten Einblick in das ländliche Leben Kenias, wo Moderne (Karisas Tante arbeitet im Homeoffice für die UN) und Rückständigkeit (besagte Tante sollte ihr Haus im Dorf abreißen, weil Frauen keine Häuser bauen dürfen) direkt nebeneinander wohnen. ag
The Letter läuft in der Reihe DOK.horizonte.
The Unseen (Iran)
Was tut ein Dokumentarfilmer, der die Situation, die er dokumentieren möchte, nicht filmen will? Er dreht trotzdem einen Dokumentarfilm. Aber mit ganz neuen Mitteln. Behzad Nalbandi hat – ausgestattet allein mit einem Diktiergerät – vier iranische Frauen begleitet, die im Volksmund als „Karton-Schläfer*innen“ bezeichnet werden, was heißt: Sie sind obdachlos, durchs gesellschaftliche Raster gefallen, aus dem Visier der Öffentlichkeit verdrängt. Um ihre Anonymität zu wahren, lässt er nur ihre Stimmen erzählen.
Aus ihren bedrückenden Berichten über Internierungslager, Gewalt, Sucht, Armut und Prostitution lässt Nalbandi mit Mitteln der Stop Motion und Animation eine visuelle Ebene erwachsen: Ein Teheran aus Karton, Straßen und Häuser aus grober Pappe, Gesichter aus zerknittertem, fleckigem Papier. Entstanden ist so ein vollkommen neuartiges Dokumentarfeature, das durch den gelungenen Einsatz von Animation, Musik und Kommentar die Unsichtbaren der iranischen Gesellschaft sichtbar macht, ohne sie zu entblößen. Ein Film, so rau und scharfkantig wie Papier. Schwer zu ertragen – aber dafür umso wichtiger. sf
The Unseen läuft in der Reihe DOK.international.
Une Femme, Ma Mère (Kanada)
Claude Demers wurde als Baby zur Adaption freigegeben. Jede Kontaktaufnahme zu seiner leiblichen Mutter wurde verhindert. In seinem Schwarz-Weiß-Film Une Femme, Ma Mère macht er sich auf die Suche nach ihr und tritt in Kontakt, indem er Impressionen davon entwickelt, wie sie gelebt haben könnte. Er kreiert seine Vorstellung von ihr, wie sie aufwuchs, liebte und ihn aufgab.
Zusammengeschnitten aus Filmaufnahmen aus Kanadas Nationalen Archiven und selbst gefilmten Teilen, schafft er einen fluiden Übergang zwischen Bruchstücken, die er mit einem selbst gesprochenen Voice-Over verbindet. So erzählt er seine Geschichte, bei der man manchmal nicht ganz sicher ist, wo die Fiktion aufhört und die Realität anfängt. Der Film scheint wie ein Traum oder eine Erinnerung und verbindet den Dokumentarfilm mit Poesie, die auch ohne große Spannungskurve die 76 Minuten sehr gut füllen kann. vl
Une Femme, Ma Mère läuft in der Reihe DOK.international.
UTA (Deutschland)
Spricht Uta von ihrer Kindheit, der Liebe, dem Tod oder dem Altwerden, kann man nur erahnen, in welcher Fülle sie das Leben lebt. Uta ist 70, Straßenmusikerin und nahezu blind. Sie und ihr Partner Jens, selbst Musiker und Kabarettist, wohnen spartanisch und sind dennoch reich: an Kreativität und Liebe. Ihr ereignisvolles Leben reflektiert Uta vor der Kamera, mit ihrer Schwester Elke am Küchentisch, in ihren Chansons auf der Straße und in ihrem ganzen Sein.
Dokumentarfilmer Mario Schneider zeichnet ein intimes und vor allem würdevolles Bild einer außergewöhnlichen Persönlichkeit. Sein Schwarz-Weiß-Film, ergänzt mit alten Familienaufnahmen, ergibt eine behutsame und komplexe Dokumentation. Trotz solider Kamera-Arbeit und kunstvollen Schnitten ist und bleibt das Herzstück der Doku aber die Protagonistin selbst. Utas Leben und ihre Zweifel, ihre engsten Beziehungen und längsten Kindheitserinnerungen bleiben lange im Kopf, als hätte sie einem ihre Geschichte persönlich erzählt. asi
UTA läuft in der Reihe DOK.deutsch.
Das diesjährige DOK.Fest München findet vom 06. bis 24. Mai 2020 online statt. Einzeltickets kosten 4,50€ pro Film. Wer an die Partnerkinos des DOK.Fest spenden möchte, zahlt 5,50€. Tipp: Mit dem Ticketkauf lieber nicht zu lange warten, denn trotz Online-Streaming sind die Tickets teilweise begrenzt.