Hört uns zu!
Die verlorene Jugend
Wie Jugendliche und junge Erwachsene in der Pandemie vergessen, verdrängt und ignoriert werden. Ein Appell an die Verantwortlichen von David Vadasz.
Eine ganze Gesellschaft über Generationen hinweg musste in den vergangenen anderthalb Jahren zurückstecken und sich einschränken. Zuhause bleiben war das Motto. Und das natürlich aus gutem Grund, um vor allem vulnerable Mitmenschen zu schützen. Schnell kristallisierten sich Gruppen heraus, die besonders von den Maßnahmen belastet wurden, aber nur wenige erlangten mediale Aufmerksamkeit für ihr Leid. Am häufigsten beschäftigte sich die Politik im medialen Diskurs mit der Wirtschaft oder der Fußball-Bundesliga. Über Familien und deren Kinder, ob diese in die KiTa oder zur Schule gehen, wurde zwar auch viel geredet, aber im Vordergrund stand nicht die Sorge um die Entwicklung der Kinder, die ja Bildung und soziale Kontakte benötigen. Viel eher galt die Sorge den Eltern, damit sie auf jeden Fall arbeiten und die Wirtschaft am Laufen halten können.
Als die Abschlussprüfungen näher kamen, haben die Politiker:innen langsam dann auch angefangen, sich Gedanken über ältere Schüler:innen und deren Jahrgänge zu machen. Das Ganze ist aber nicht nur komplett planlos, sondern erst nach viel Druck und eher resignativ – von Seiten der Politik, nicht der vielen engagierten Lehrer:innen – passiert. Doch nach den Prüfungen wurden die Heranwachsenden genauso schnell wieder vergessen. Ihnen geht es wie einer gesamten Generation, die vergessen, verdrängt und ignoriert wurde: Jugendliche und junge Erwachsene –die in der Pandemiepolitik nicht existent schienen – außer sie sollten als Sündenböcke herhalten.
Die vergessene Generation
Studieren in der Pandemie: Wann waren denn zuletzt Studierende in der Pandemiepolitik Thema? Was wurde von der Politik zu ihrer Situation in der Pandemie beigetragen? Dieser Aspekt der Coronapolitik lässt sich an einer Hand abzählen. Das Beispiel Studium zeigt es einer Generation ganz deutlich: Der Politik scheint egal zu sein, was mit ihnen passiert. Seit anderthalb Jahren bedeutet Studieren nur noch vor einem Bildschirm mit vielen schwarzen und wenigen bunten Video-Kästchen zu sitzen.
Die Uni ist ursprünglich ein Ort der Begegnungen: miteinander Lernen, Prüfungen vorbereiten, Gedanken austauschen, in den Hörsälen gespannt zuhören und sitzen. Seit eineinhalb Jahren Fehlanzeige. Von Unipartys ganz zu schweigen. Eingesperrt in kleine aber dafür umso teurere Einzimmerwohnungen ließen und lassen die Verantwortlichen die Studierenden vereinsamen. Über die Öffnung von KiTas, Kindergärten oder Schulen, Zuschauerzahlen beim Fußball oder die Gastronomie diskutierten die Medien – mehr oder weniger berechtigt – oft, ausführlich und kontrovers, über Unis verloren sie aber nur selten ein Wort. Konsequent durchdachte Öffnungskonzepte oder -fahrpläne gibt es bis heute nicht.
Die verdrängte Generation
So oft forderte die Politik, Solidarität mit den vulnerablen Personengruppen zu zeigen, besonders von den jungen Leuten. Sie sollten doch bitte zu Hause bleiben und auf ihr normales Leben für eine Zeit verzichten, um die Älteren zu schützen. Das war richtig so. Und das haben sie auch gemacht. Auf so vieles haben sie verzichtet, was für sie wichtig ist: Bildung, Treffen mit Freund:innen, Feiern, Daten: Einfach ihr normales Leben. Aber was kam zurück? Ein großes Nichts. Kaum ein Dankeschön, kaum eine Anerkennung, nicht mal ein feuchter Händedruck.
Als die zweite Welle kam, wurden sie beschuldigt, das Virus zu verbreiten. Als Sündenböcke waren sie gut genug? In den nächsten Wellen haben sich die jungen Leute wieder solidarisch gezeigt und sind für die anderen zu Hause geblieben. Bei den laufenden Impfungen haben sie gewartet, damit die vulnerable Gruppe zuerst geschützt wird. Aber wo bleibt dann die Solidarität der Prio-Gruppen in Richtung der Jugend? Sie warteten und schränkten sich ein, damit andere geimpft werden konnten. Als die Jüngeren noch nicht mal die Chance auf die erste Spritze hatten, bekamen andere schon ihre Grundrechte zurück. Wo bleibt die Solidarität der bereits Geimpften, meist aus der älteren Generation? Und wo bleibt diese, wenn es um die Probleme der jungen Generation geht?
Die ignorierte Generation
Liebe Politiker:innen, habt ihr euch mal eingehend mit der Lebensrealität der Jugendlichen auseinandergesetzt? Die meisten fühlen sich durch die aktuelle Politik nicht vertreten, obwohl sie genauso Teil der Gesellschaft sind wie alle anderen auch. Statt nur Klientelpolitik zu machen und die Jugend zu verkennen, sollten auch deren Interessen gehört und vertreten werden!
Junge Menschen denken nicht in Haushalten, sie haben keine betreuungspflichtigen Kinder und sie gehören auch meist nicht zu den vulnerablen Personengruppen. Aber sie haben ebenfalls Bedürfnisse, Sorgen und Hoffnungen. Beschäftigt euch doch mal zur Abwechslung in eurer politischen Agenda auch mit Themen, die für die Jugendlichen wichtig sind: z.B. Klimaerwärmung & Umweltschäden, für die die bisherigen Generationen primär verantwortlich sind und die Zukunft der jüngeren Generation kaputt zu machen drohen. Wo bleibt da die Solidarität? Wie lange möchtet ihr diese Sorgen, Bedürfnisse und Bedrohungen noch ignorieren?
Summa summarum: die Verlorene Generation
Diese Art von Politik und Umgang mit jungen Leuten ist ein Schlag in die Magengrube einer ganzen Generation. Eine Generation, die vor der Herausforderung des Klimawandels steht, der über unser Leben und Überleben als Gemeinschaft entscheiden wird. Darüber wollen sich junge Menschen austauschen und sich in ihren Bildungseinrichtungen auseinandersetzen. Kurzfristig könnten die Kommunen in Städten Möglichkeiten schaffen, damit sich junge Menschen unkompliziert auch mal abends oder nachts treffen können, ohne, dass sie die Anwohner:innen stören. Durchdachte Öffnungskonzepte für Unis und Hochschulen, die bei bestimmten Inzidenzen oder Impfquoten einfach aktiviert werden können, wären schon lange denkbar gewesen.
Es geht um nicht weniger als das Gefühl, nicht zu einer verlorenen Generation verkommen zu müssen! Ihre Sorgen, ihre Wünsche und Bedürfnisse sollten Anreiz genug sein, ihnen eine lebenswerte Perspektive aufzuzeigen.