Kommentar
Die Union und das Geld
CDU und CSU kämpfen mit immer mehr Skandalen. Dabei verirrt sich die Union in der Aufarbeitung und verliert Stück für Stück an Glaubwürdigkeit. Ein Kommentar von David Enstfellner.
Philipp Amthor wird Spitzenkandidat für die CDU Mecklenburg-Vorpommern. Der Philipp Amthor, der erst letztes Jahr seine Kandidatur zum Parteivorsitz in Mecklenburg-Vorpommern zurückziehen musste, bekommt den ersten Listenplatz des Landesverbandes für die kommende Bundestagswahl. Der Philipp Amthor, der seit 2019 für den dubiosen Konzern „Augustus Intelligence“ Lobbyarbeit betrieben und dafür 250.000 Euro in Aktienoptionen angeboten bekommen hatte, und weltweit in Luxushotels auf Firmenkosten unterkommen konnte, ohne das öffentlich bekannt zu geben. Dieser Skandal hatte somit nicht nur keinerlei negative Konsequenzen für ihn – die Ermittlungen wurden ohne Verfahren eingestellt. Philipp Amthor wird jetzt sogar mit einer neuen Spitzenposition belohnt.
Radikale Reformen müssen her
Das spricht nicht gerade dafür, dass die Union das Problem ernst nimmt. Wenn CDU und CSU glaubhaft gegen unlautere Provisionzahlungen und Selbstbereicherung kämpfen wollen, braucht es jetzt mehr als ein paar Rücktritte. Eine umfassende Reform der deutschen Korruptionsbekämpfung muss her. Doch gerade die Union legt seit Jahren ihr Veto ein, wenn die SPD oder die Oppositionsparteien ein Lobbyregister fordern. Ein logischer Schritt wäre jetzt, damit aufzuhören und das Lobbyregister endlich umzusetzen. Nur wenn klar ist, welche Firmen und Personen auf Volksvertreter:innen Einfluss nehmen, kann Korruption effektiv bekämpft werden. Und nur wenn Spenden an Politiker:innen gut reguliert sind, kann unfairer Wettbewerb verhindert werden.
Wie dringend radikale Reformen nötig sind, haben die letzten Wochen eindrucksvoll gezeigt: Philipp Amthor ist kein Einzelfall. Seit Wochen ist die Union mit mehreren Skandalen gleichzeitig konfrontiert. Die Vorwürfe gegen Axel Fischer wegen möglicher Bestechung durch Aserbaidschan, Jens Spahns dubios finanzierte Immobilien und die im Raum stehenden Anschuldigungen, über Spenden Treffen mit Vertretern aus der Wirtschaft finanziert zu haben und das Masken-Gate um Georg Nüßlein und Nikolas Löbel – die Partei hat offensichtlich ein großes Problem, private Bereicherungen von Politik zu trennen – und damit ein Glaubwürdigkeitsproblem. Vielleicht sogar noch ein größeres als bisher bekannt. Laut dem Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU, Ralph Brinkhaus, sind wohl noch einige weitere Abgeordnete im Verdacht, von Maskenherstellern Geld angenommen zu haben.
Zur Zeit werden deshalb innerhalb der Partei Rücktrittsforderungen laut, jedoch scheinen nicht alle davon besonders glaubwürdig. So hatte Armin Laschet erst letztes Jahr über seinen Sohn einen Auftrag zur Maskenbestellung ohne Ausschreibung aufgegeben. Ein mehrere Millionen Euro schwerer Auftrag für nicht medizinisch zertifizierte Masken, der laut der Vergabekammer rechtswidrig war. Selbst der CDU-Vorsitzende kann in der Regulierung seiner Partei also nicht frei von Vorwürfen auftreten.
Schaden für die Demokratie
Die gesamte Debatte um die Affären und deren Aufarbeitung zerstört nicht nur Vertrauen, es nagt an der Basis unserer Demokratie. Abgeordnete werden gewählt, um den Willen der Bevölkerung in den Parlamenten umzusetzen und nicht um Kapitalinteressen zu schützen. Doch wie soll das gewährleistet werden, wenn eine Kontrolle dieser Abgeordneten kaum möglich ist?
Die politische Kultur ist das Problem
Doch nicht nur offensichtlich Widerrechtliches zeigt das Problem von CDU und CSU – oft bewegen sich einzelne Abgeordnete exakt an der Grenze des gerade so Erlaubten. So hat beispielsweise Jens Spahn im Oktober zu einem Spendendinner geladen, bei dem die Teilnahmekosten zufällig mit 9999 Euro exakt einen Euro unter der Meldegrenze liegen. Wahlkampfspenden müssen stärker reguliert werden. Zur Demokratie gehört Chancengleichheit im Wahlkampf. Wie soll diese gewährleistet werden, wenn Unternehmen und Milliardär:innen die Kandidat:innen mit Geld überschütten, die ihnen am hörigsten sind?
Skandale und persönliche Bereicherungen finden nicht nur in der Union statt. Wenn CDU und CSU aber glaubwürdig gegen Korruption in der Politik und in den eigenen Reihen kämpfen möchten, müssen sie konkret legislativ liefern. Es reicht nicht, einzelne Personen loszuwerden oder die Verantwortung totzuschweigen wie im Fall Amthor. Die Zeit wird zeigen, ob die Union dazu bereit ist.