Kommentar
Die Schattenseite von Olympia: Wie die sozial Schwächsten unter den Spielen in Paris leiden
Die Olympischen Spiele 2024 in Paris sollten besonders für Inklusion und soziale Verantwortung stehen, doch schlussendlich litten Obdachlose und Migrant:innen unter massiven Verdrängungsmaßnahmen. Wie lange dauert es noch, bis Ausrichter und das Olympische Komitee (IOC) ihren gesellschaftlichen Pflichten gerecht werden? Ein Kommentar von Sebastian Huber.
Eine Woche ist es nun her, dass die olympische Fackel Paris verlassen hat. Die olympischen Spiele 2024 zogen die ganze Welt wieder für zwei Wochen in ihren Bann. Laut der Tagesschau sollen knapp 8 Milliarden Euro in das Megaevent investiert worden sein. Rund 3,5 Milliarden davon in die Infrastruktur, was nachhaltige Verbesserungen für das Land vermuten lässt. Doch während Paris Millionen von Besuchern empfing, waren die sozial Schwächsten der Gesellschaft einem verstärkten Druck ausgesetzt, aus dem öffentlichen Blickfeld der Stadt zu verschwinden.
Organisationen kritisieren Missstände
Eine eigens für die gesellschaftlichen Auswirkungen der olympischen Spiele gegründete Hilfsorganisation nennt sich „Le revers de la medaille“ (übersetzt: “Die Kehrseite der Medaille”). Sie macht seit längerem auf die Vertreibung von Obdachlosen und Migrant:innen aus Frankreichs Hauptstadt aufmerksam und spricht von einer “sozialen Säuberung”! Laut der Organisation sind im letzten Jahr rund 12.500 Menschen aus den Straßen von Paris verdrängt worden.
Maßnahmen sind kein neues Phänomen
Diese Praktiken, die bereits in früheren Gastgeberstädten wie in Rio 2016 und Peking 2008 zu beobachten waren, dienen dem Ziel, ein sauberes, sicheres und attraktives Stadtbild zu präsentieren. Die Verschönerung der Stadt für die Olympischen Spiele geht durch diese Vertreibungen aber auf Kosten der Menschen, die ohnehin am Rande der Gesellschaft stehen. Temporäre Unterkünfte und Verlagerungsprogramme bieten oft keine langfristige Lösung und verschärfen die ohnehin prekäre Lebenssituation dieser Menschen.
Frankreich kämpft schon seit langem mit sozialen Krisen
Die Maßnahmen werden die tiefer liegenden sozialen Probleme nicht lösen, sondern lediglich verschleiern. Die Stadtverwaltung und die Olympischen Komitees müssten nachhaltigere und inklusivere Lösungen entwickeln, die über die Dauer der Spiele hinaus Bestand haben. Rund 12 Millionen Französ:innen leben unter schlechten Wohnbedingungen oder ganz ohne Dach über dem Kopf. Gleichzeitig nimmt die Zahl der leerstehenden Wohnungen zu und liegt mittlerweile bei über 3 Millionen. Anstatt Obdachlose und Migrant:innen ansatzlos aus der Stadt zu vertreiben, sollte der Fokus auf der Schaffung von dauerhaftem Wohnraum und der Integration dieser Menschen in die Gesellschaft liegen.
Es braucht nachhaltige Veränderung!
Die Olympischen Spiele könnten eine Plattform bieten, um positive Veränderungen anzustoßen und soziale Ungleichheiten anzugehen. Es bedarf jedoch eines politischen Willens und eines gesellschaftlichen Bewusstseins, das über nicht nachhaltige Anpassungen hinausgeht und sich der Verantwortung für alle Bürger:innen der Stadt stellt. Doch die seit Jahrzehnten gleichen Maßnahmen der Gastgeberstädte zeigen eins: Der Wille, Olympia für langfristige sozial-freundliche Projekte zu nutzen, ist nicht da. So soll das olympische Dorf in Teilen zu teuren Eigentumswohnungen umfunktioniert werden. Stattdessen hätte man den bereits geschaffenen Wohnraum für soziale Zwecke nutzen können.
Paris war kein Einzelfall und solange sich IOC und Politik nicht im reflektierten Diskurs mit den sozialen Problemen der Gastgeberländer auseinandersetzen und dementsprechend handeln, werden die olympischen Spiele vor allem den bereits abgehängten Menschen in der Gesellschaft mehr schaden als nützen! Nun wurde die Fackel für die olympischen Spiele 2028 nach Los Angeles übergeben. Eine Stadt mit deutlich mehr obdachlosen Menschen und gravierenden sozialen Notständen. Es bleibt zu bezweifeln, ob die Spiele dort nachhaltige Veränderungen bewirken werden.