Entfernung der Brust
Die neue Weiblichkeit
Ein Symbol der Weiblichkeit, der Sexualität, der Fruchtbarkeit und Mütterlichkeit: Brüste sind als eins der wichtigsten Merkmale des Frau-Seins in unserer Gesellschaft fest verankert. Oft sind sie für eine Frau auch Bestandteil der eigenen weiblichen Identität. Aber was passiert, wenn einer Frau dieser Aspekt genommen werden muss?
Es kann verschiedene Gründe haben, weshalb eine Frau durch den Prozess einer Brustamputation gehen muss. Ob Brustkrebs oder eine schiefgelaufene Schönheitsoperation – der Großteil der Frauen, der das erlebt, spürt dadurch eine starke Veränderung. Eine Veränderung der Selbstwahrnehmung, des Körpergefühls, und der eigenen Weiblichkeit. Journalistin, Influencerin und Hair&Makeup-Artistin Susanne Krammer kennt das selbst.
Vor etwa neun Jahren bekam sie im Zuge eines Artikels die Möglichkeit, eine Schönheitsoperation an den Brüsten durchführen zu lassen, um dann darüber zu berichten. Bei dem Eingriff sollte ihr Fett aus einem anderen Körperteil, zum Beispiel aus den Oberschenkeln entnommen werden, um es dann in ihre Brüste zu spritzen. Von allein wäre sie nicht auf die Idee gekommen – der grundlegende Wunsch, irgendetwas an sich selbst zu verändern, war aber schon davor vorhanden. Deshalb entschied sie sich, die Brust-OP tatsächlich durchzuführen. Aufgrund dieser Operation verlor Susanne aber nicht nur ihre Brüste, sondern fast ihr Leben.
Eine traumatische Schönheitsoperation
Die Schönheitsoperation lief kaum hygienisch ab, und auch die Lokalanästhesie reichte nicht für den gesamten Eingriff: Es war traumatisierend. Das Ergebnis hielt nicht lange: Die Brust entzündete sich mehr und mehr und führte zu unvorstellbaren Schmerzen. Nach zahlreichen Besuchen bei ihrem Arzt dachte man, ihre Qualen seien endlich vorbei und sie habe es geschafft. Durch einen späteren zufälligen Besuch im Krankenhaus stellte sich dann heraus: Es war noch lange nicht vorbei, im Gegenteil. Die Brüste mussten ihr umgehend entfernt werden. Wenn das nicht geschehen wäre, hätte sie wahrscheinlich nur noch wenige Tage zum leben gehabt. Unwissend, ob sie die Operation überstehen würde, verabschiedete sich Susanne sogar schon von ihrem Lebensgefährten und ihren zwei kleinen Söhnen.
“Brusterhaltende Operation”
Die sogenannte “brusterhaltende Operation” verlief aber glücklicherweise gut. Susanne überlebte. Ein brusterhaltender Eingriff bedeutet, dass der gesamte Brustinhalt hinter der Haut ausgeräumt wird. Die Haut selbst bleibt vorhanden – dadurch gibt es die Chance auf eine Rekonstruktion der Brüste. Das ist nicht möglich bei einer vollständigen Mastektomie, einer kompletten Entfernung der Brust. Vor einer Rekonstruktion muss die Frau erst mal ohne ihre Brüste leben – und das ist für viele Betroffene alles andere als leicht. Durch die Entfernung der Brust wird einigen Frauen auch ein Teil ihrer eigenen Identität genommen. Das Bild der eigenen Weiblichkeit kann sich dadurch grundlegend verändern. Das muss aber nicht zwingend etwas Schlechtes sein.
Letztendlich entscheidet sich Susanne für ein Leben ohne Brustrekonstruktion. “Ich möchte dem Ganzen jetzt Frieden geben”, sagt sie im Interview. Natürlich gibt es auch viele Frauen, die nach der Entfernung ihrer Brust sehr mit ihrem Selbstwert zu kämpfen haben und keine Möglichkeit auf eine Brustrekonstruktion haben. Oft fühlen sie sich dann nicht mehr komplett, nicht mehr wie eine “vollständige Frau”. Dieses Gefühl der Verunsicherung kann nicht nur Auswirkungen auf die Betroffene selbst haben.
Folgen für eine Partnerschaft
Auch in der Partnerschaft kann der Eingriff zu Herausforderungen führen. Laut Sexualtherapeutin Simone Dudle kommt es oft zu einem starken Rückzug der Partner:innen nach der Operation. Während die eine Partnerin gerade vielleicht mit ihrem Äußeren und auch Inneren zu kämpfen hat, möchte die andere Person nichts Falsches sagen:
Laut Dudle ist es gerade dann wichtig, in die Kommunikation zu gehen. Das heißt: Partner:innen können zum Beispiel durch unterstützende Worte der Frau dabei helfen, mit der Veränderung umzugehen. Trotzdem ist es die Betroffene selbst, die lernen muss, mit ihrem veränderten Körper umzugehen. Und das kann sehr viel sein. Ein Gefühl der Entfremdung des eigenen Körpers zum Beispiel. Auch ein fehlendes Zugehörigkeitsgefühl für das weibliche Geschlecht und das oft nicht mehr wirklich vorhandene körperliche Selbstbewusstsein macht die Selbstfindungsreise nach der “neuen Weiblichkeit” nicht gerade einfach. Für einige Frauen nimmt diese Reise auch ein positives Ende in ihrer körperlichen Selbstwahrnehmung.
Der psychische Überlebenskampf
Ähnlich war es bei Susanne: Nach der Brustentfernung standen Äußerlichkeiten nicht mehr ansatzweise im Vordergrund. Der Kampf um ihr Überleben war nämlich noch nicht vorbei – obwohl sie ihn physisch gesehen überstanden hat. Depressionen und ein tiefsitzendes Trauma, dass sich durch die schiefgelaufene Schönheitsoperation entwickelt hatten, sorgten für eine andere Art von Überlebenskampf: Einem psychischen, denn sie hatte Suizidgedanken. Nicht nur im Interview, sondern auch in ihrer Podcastreihe “Trotzdem schön” erzählt sie: Jeder Tag war das pure Überleben.
Dadurch hat sie aber heute ein komplett anderes Bild auf ihre Weiblichkeit und ihren Körper. Wenn es nur noch ums Überleben geht, verliert alles Oberflächliche an Fokus und Bedeutung.
So positiv mit einer Brustentfernung umgehen zu können, schaffen die meisten Frauen aber nicht allein, und das müssen sie auch nicht. Durch therapeutische Behandlung, zum Beispiel mithilfe von Sexualtherapeut:innen gelingt es Betroffenen oft besser, mit dieser Veränderung emotional zurechtzukommen. Keine Frau muss durch ihren Verlust der Brust allein durch.
Artikel: Romy Hölzel