Entwicklung, Risiko und Hürden
Die neue Corona-Tracing-App
Mehr Freiheit durch Kontrolle: Es klingt paradox, aber genau das soll mithilfe der neuen Corona-App möglich werden. Doch neben technischen Problemen melden sich in der Appentwicklung auch Datenschützer zu Wort.
Die Gesundheitsämter hatten in der Vergangenheit immer mehr Probleme, Infektionsketten nachvollziehen zu können. Die Corona-App soll helfen, mögliche Infektionsketten zu erkennen und zu unterbrechen. Die Hoffnung dabei ist es, ein öffentliches Leben wieder zu ermöglichen. Dazu müssen Menschen schnell erfahren, wenn sie Kontakt zu einem potentiell infizierten Menschen hatten, um entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen.
Und das alles ohne GPS Tracking
Ziel der App ist, eine Kontaktverfolgung von Appnutzer*in zu Appnutzer*in mithilfe von Bluetooth zu ermöglichen. Dabei werden Handys, die sich in einem Umkreis von bis zu zwei Metern zum eigenen Handy befinden, gespeichert. Das funktioniert über eine sogenannte Identifikation, die jedes Handy eindeutig nachverfolgen lässt. Allerdings wird dazu nicht das normale Bluetooth verwendet, sondern Bluetooth LE.
Bluethooth ist nicht gleich Bluetooth
Bluetooth LE kann man sich dabei wie eine Art „Dialekt“ von Bluetooth vorstellen. Wohingegen das normale Bluetooth sich nur kurz vor einer Verbindung zu erkennen gibt, ist Bluetooth LE eher für die passive Nutzung gedacht. Eine Anwendung dafür lässt sich an einem Museumsbesuch erklären: Ein Besucher bewegt sich mit seinem Smartphone ganz normal durch eine Ausstellung. Wenn er vor einem Schaukasten stehen bleibt, kann das Smartphone den Schaukasten anhand seines Bluetooth LE Signals identifizieren. So kann der Besucher auf seinem Smartphone Informationen zu dem Exponat angezeigt bekommen, ohne, dass er etwas tun muss.
Bei der Verwendung von normalem Bluetooth hingegen müsste sich der Museumsbesucher erst aktiv mit dem Schaukasten verbinden. Wie das funktioniert, ist vielen vermutlich durch eine Verbindung zu Bluetooth Kopfhörern bekannt. Dieses normale Bluetooth gibt es im Kern schon seit den 90er Jahren. Bluetooth LE ist erst ab Mitte 2015 in modernen Handys zu finden. Es kann also sein, dass ein älteres Smartphone gar nicht die technischen Voraussetzungen für die App erfüllt.
Der Datensammler
Die von Bluetooth LE erfassten Handys sollen dann als anonymisierte Kontakte gespeichert werden. Falls jemand positiv auf Corona getestet wird, kann er das in der App angeben. Die aufgezeichneten „Kontakte“, die sich infiziert haben könnten, erhalten dann einen Warnhinweis auf ihr Handy. Damit das funktioniert, müssen die gesammelten Daten gespeichert und zusammengeführt werden.
Zentrale vs. dezentrale Speicherung
Bei der zentralen Speicherung schickt das Smartphone die Daten direkt nach der Erfassung an einen zentralen Server. Genau hier sehen Datenschützer eine Gefahr: So könnte die Regierung, oder der Betreiber des Servers durch die App soziale Kontakte im Generellen überwachen. Das hieße, dass private Kontaktprofile auch außerhalb des eigentlichen Sinnes, für zum Beispiel zu gewerblichen Zwecken oder staatliche Überwachung, eingesetzt werden könnten. Datenschützer fordern deshalb eine dezentrale Lösung. Hierbei soll die App die gesammelten Daten nicht gleich an einen zentralen Server schicken, sondern vorerst lokal auf dem Handy speichern. Erst wenn ein Nutzer angibt, dass er infiziert ist, übermittelt die App die Daten an einen Server. Das hat jedoch den Nachteil, dass es länger dauert eine entsprechende App zu entwickeln, da der Programmieraufwand hierbei höher ist.
Regierung reagiert auf Kritik von Datenschützern
Sowohl Bundesgesundheitsminister Jens Spahn als auch der Gesundheitspolitiker Tino Sorge sprachen sich vorerst für die zentrale Speicherung aus. Nach heftiger Kritik erklärte jedoch Helge Braun, der Chef des Bundeskanzleramts, gegenüber der ARD, dass eine dezentrale Speicherung vorangetrieben werden soll.
Wann die App erscheinen soll, ist momentan auch noch unklar. Der Bundesgesundheitsminister gab gegenüber der ARD die Auskunft:
„Die Wahrheit ist auch, damit es wirklich gut ist, braucht es eher noch drei bis vier Wochen, als zwei Wochen.“
Wird das Ganze funktionieren?
Trotz aller technischen und datenschutzrelevanten Fragen hängt es am Ende an den Nutzern, ob die App Erfolg hat. Erst wenn 60 Prozent der Bevölkerung die App freiwillig nutzen, bräuchte es keine Corona-Maßnahmen mehr. Doch wie viele Menschen nutzen überhaupt Handys, die die technischen Voraussetzungen für die App erfüllen, gerade im Bereich der Risikogruppen? Gleichzeitig gibt die App aber auch jedem Einzelnen die Möglichkeit, die Situation für alle Menschen kontrollierbarer zu machen. Dadurch kann beim einzelnen Nutzer ein Gefühl von Sicherheit entstehen, denn die App kann sie gleich informieren, falls sie einen Risikokontakt in letzter Zeit hatten. So kann durch den Schutz anderer im Kollektiv der Gesellschaft gleichzeitig ein Selbstschutz erreicht werden. So kann gemeinsam gegen das Virus vorgegangen werden.