M94.5 Filmkritik
Die Känguru-Chroniken (Der Film)
Nach Buch und Hörbuch der Känguru-Chroniken existiert die gesellschaftskritische Satire von Marc-Uwe Kling nun auch als Film. Der hat Charme, reicht aber nicht an die Hörbücher heran.
Bei dem Versuch, ein fünfstündiges politisches Satire-Hörbuch in einen 90-minütigen Spielfilm zu quetschen, kann vieles schiefgehen – ganz ohne, dass darin ein computeranimiertes Beuteltier vorkommt. Als 2018 die Verfilmung der Känguru-Chroniken bekannt gegeben wird, blickt die klassische Hörbuch-Hörerschaft des kommunistischen Kängurus entsprechend skeptisch auf das Vorhaben. Zu einzigartig ist die Hörbuch-Versionen, gelesen vom Autor Marc-Uwe Kling selbst, zu groß gleichzeitig die Angst vor einem profitorientierten “Spin-Off-Film”, der nichts besser und alles schlimmer machen könnte.
Der Kleinkünstler Marc-Uwe Kling, gespielt nicht wie vielleicht erwartet von Marc-Uwe Kling selbst, sondern von Dimitrij Schaad, trifft darin auf seinen neuen Nachbarn – ein Känguru, das gerne Eierkuchen backt und eine Vorliebe für Schnapspralinen besitzt. Soweit, so Känguru. Schnell richtet sich das Beuteltier bei Marc-Uwe ein, vereinnahmt dessen Leben und plant halbtags die Revolution. Bald ziehen jedoch bedrohliche Zeiten über ihrem Berliner Kiez auf: das „ultimative Böse“, zumindest aus der Sicht linker Kultur-Intellektueller, tritt vereint in der Person des Jörg Dwigs (Henry Hübchen) auf. Der Immobilienspekulant und gleichzeitig Kopf der rechtspopulistischen Partei “Alternative zur Demokratie” (AzD) möchte Marc-Uwes Wohnhaus am Görlitzer Park abreißen und dort als Symbol des Patriotismus den „Europa-Tower“ errichten. Protagonisten und Antagonisten sind identifiziert, die Kiezgemeinschaft um Marc-Uwe und das Känguru kommt zusammen.
Visueller Gewinn, inhaltlicher Verlust
Trotz möglicher anfänglicher Skepsis: Die Känguru-Chroniken als Film haben ihren Charme. Die Dialoge sind gut gewählt und witzig, Szenenbild und Filmografie liefern sowohl für Känguru-Kenner*innen als auch für Einsteiger*innen visuellen Stoff – und auch das computeranimierte Beuteltier funktioniert. Der Film selbst wird durchbrochen von moderierenden Kommentaren von Känguru und Marc-Uwe – ein disruptives Element, das die aufflammende, bunte “Feel-Good-Optik” à la Schweighöfer, Schweiger und Co. unterwandert. Und dennoch, nach den pointierten und ironisch-humorvollen sozialkritischen Analysen des Hörbuchs sucht Mensch vergeblich. Zu kurz ist einfach die Zeit, um die Witze zu entwickeln, zu stringent muss die Handlung des Films fortlaufen, zu wenige Erzählungen werden fragmentarisch aneinandergereiht. Schlicht – in der Filmlogik muss die mosaikartige Textsammlung, die das Hörbuch ausmacht, zu viel “Sinn” ergeben.
Chronik einer Adaption
Es stellt sich die Frage: Muss man den Film unbedingt mit dem Hörbuch vergleichen? Ein Film ist eben kein Hörbuch und ganz nach Marshall McLuhan “the medium is the message” verändert es so eben die Botschaft und die Erzählung. Die besondere Schwierigkeit in diesem Fall ist jedoch, dass jenes nicht ein klassischer Roman ist, sondern fast ein eigenes Genre, das selbst erst durch Marc-Uwe Klings Bestseller entstanden ist – ein gesellschaftskritisches Satire-Hörbuch, dass in Deutschland seinesgleichen sucht und bisher nicht findet. Mit dem Film der Känguru-Chroniken wurde ein anspruchsvolles Unterfangen gewagt und für viele Fans wird er durch den Zugewinn der visuellen Dimension punkten – für die spitze Sozialkritik, die sich ironisch ins Alltägliche bohrt, sind die Liebhaber*innen aber auch in Zukunft bei den Hörbüchern am Besten aufgehoben.
Seit 5. März gibt’s Die Känguru-Chroniken im Kino zu sehen.