Fortschritt durch Sperrung

Die Arbeiten an U3 und U6

/ / Bild: Daniel Kuhn

Von der Optik her würde die Maschine gut in den Todesstern passen. Sie ist gut zehn Meter lang und sieht aus, als hätte man eine Flugzeugturbine an einen weißen Frachtcontainer geschraubt und auf Schienen gestellt. Statt auf dem Todesstern steht sie aber in einem gesperrten Tunnel der U6 und hält dort die Bauarbeiten im Münchner Süden am Laufen. Es handelt sich um einen “Luftentstauber” und der macht relativ genau das, was der Name nahelegt. Zusammen mit anderen Ventilatoren und Systemen “bewettert” er die Baustelle – sorgt also dafür, dass die Luft auch unter Tag dem deutschen Arbeitsrecht entspricht. 

Anders wäre die Vollsperrung der U3 und U6 nicht denkbar. Seit Mitte Februar werden beide U-Bahn-Linien stadtauswärts ab der Implerstraße renoviert und die Züge in dieser Zeit durch Busse ersetzt. Dieser Schienenersatzverkehr (SEV) trieb gerade in der Anfangszeit viele Münchner:innen in den Wahnsinn. Immer wieder waren Busse überfüllt, unpünktlich oder schlicht nicht da. 

Mittlerweile scheint das System seine Kinderkrankheiten überwunden zu haben und auch die Bauarbeiten konnten planmäßig in ihre zweite Phase starten. Seit dem 10. März fährt die U3 wieder wie gewohnt, nur die U6 bleibt noch bis zum 30. Mai 2025 von der Implerstraße bis zum Klinikum Großhadern gesperrt. 

“Wir sind absolut im Zeitplan”, meint auch Jan Ebering. Er ist Leiter der Verkehrsinfrastruktur bei den Stadtwerken München und damit an der Planung der Vollsperrung beteiligt. Er trägt Warnweste und Lackschuhe und erzählt nicht ohne Stolz von dem bisherigen Erfolg der Arbeiten. Im Zentrum steht die Renovierung verschiedener Weichen, die sich dem Ende ihrer Lebenszeit annähern – dazu kommen aber noch etwa 50 zusätzliche Maßnahmen wie ein besserer Brandschutz oder die Erneuerung der Sitzbänke. 

Ein neues Gesicht für den Harras

Besonders sichtbar wird der Wandel am U-Bahnhof Harras. Auch er ist aktuell von der Sperrung betroffen, nur die Tauben gehen noch ungestört ein und aus. Wo sonst die Menschen auf den Zug warten, stehen jetzt Baumaterialien, Scheinwerfer und Ventilatoren. Die rechte Wand sieht noch aus wie der klassische Harras mit seiner grauen Plattenverkleidung. Auf der linken Seite sieht man dagegen ein ganz neues Design: eine völlig weiße Wand, auf der alle paar Meter der Name der Station prangt. Die Neuerung ist nicht nur ein Schritt in Richtung Minimalismus, sondern hat einen praktischen Nutzen. Die traditionellen Platten müssen alle acht Jahre kontrolliert werden – und das läuft oft auf eine mehrwöchige Sperrung des Bahnhofs hinaus. 

Wenn die U6 im Mai wieder öffentlich zugänglich wird, wird man also einige Neuerungen direkt sehen können. Vieles andere bleibt aber dem Auge der Fahrgäste verborgen, wie zum Beispiel die 15 Kilometer Stromschienen, die im Rahmen der Vollsperrung ausgetauscht werden. Für die MVG ist die Aktion ein großer Schritt. Seit über zwei Jahren wird das Projekt geplant und die Kosten gehen bei 30 Millionen aufwärts. 

Gleichzeitig ist die Baustelle auch ein Versuch einer neuen Art der Renovierung: Bisher wurden Reparaturen an der Strecke oft nachts bei laufendem Betrieb durchgeführt. Das bedeutet wenige Stunden Arbeit in den frühesten Morgenstunden, erzählt Ebering. Mit dieser Methode hätten die Arbeiten der Vollsperrung nicht drei Monate, sondern fast ein ganzes Jahr gedauert.  

Bessere Arbeitsbedingungen durch die Sperrung

Durch die Vollsperrung kann jetzt durchgehend gearbeitet werden. Durch die besseren Arbeitsbedingungen gab es laut Ebering auch deutlich mehr Bewerbungen von Firmen und Handwerker*innen. Damit gibt es Konkurrenz und die senkt auch die Kosten. Durch die Vollsperrung baue man also nicht nur schneller, sondern auch billiger. Das Experiment ist in den Augen der Stadt also bis jetzt geglückt. In der Zukunft heißt es nun: “aus dem Piloten auch ein Regelkonzept zu machen”. 

Für den Münchner Süden brechen aber erst einmal ruhigere Zeiten an. Die neu verlegten Weichen haben eine Lebenszeit von 50 Jahren, bis zur nächsten Vollsperrung dürfte es also etwas dauern. Auch Jan Ebering meint: “Die großen Sperrungen dürften für die nächsten 3, 4, 5 Jahre kein Thema sein.” 

Im Rest von München sieht die Lage anders aus. Auch hier nähern sich viele Bauteile dem Ende ihrer Lebenserwartung. Nach dem bisherigen Erfolg der Erneuerung von U3 und U6 plant die MVG auch dort Rundummodernisierungen per Vollsperrung. Als Nächstes könnten die Haltestellen Odeonsplatz und Fröttmaning an der Reihe sein. Der Schienenersatzverkehr mit seinen Tücken wird die Stadt also erst einmal nicht verlassen. Jan Ebering meint dazu: “Da kommen wir als München nicht dran vorbei, da müssen wir gemeinsam durch”.