Das US-Journal

Der Weg zum Wahlerfolg: Die Jugend

/

Sie sind lautstark, engagiert und jung. Auch bei der US-Wahl kann die Gen Z den Unterschied machen – besonders an Universitäten. Dort sind viele Studierende zum ersten Mal wahlberechtigt M94.5 Redakteur Maximilian Sacher hört sich unter ihnen unweit des derzeitigen Wohnsitzes von der demokratischen Spitzenkandidatin Kamala Harris um.

Am 5. November ist es so weit: Die USA wählt eine neue Präsidentin oder Präsidenten, ein neues Repräsentantenhaus und Teile des Senats. Dabei dürfen etwa 8 Millionen US-Amerikaner:innen zum ersten Mal wählen, da sie nun das Wahlalter von 18 Jahren erreicht haben.

Insgesamt umfasst die Gen Z in den USA rund 41 Millionen Menschen, die alle jünger als 27 Jahre alt sind. Mit ihrem zunehmenden Stimmgewicht spielt sie auch bei dieser Wahl eine entscheidende Rolle. Das sehe ich auch in Washington DC. In jungen und progressiven Stadtteilen hängen einige Schilder, die zum Wählen aufrufen. Die Wahlkampagnen von Kamala Harris und Donald Trump versuchen die junge Generation außerdem auf Social-Media für sich zu gewinnen. Denn die Demokraten und Republikaner wissen: Die Generation, die lange als unpolitisch galt, zeigt heute das genaue Gegenteil. Ihren Einfluss auf das Wahlergebnis sollte man nicht unterschätzen. Deshalb mache ich mich auf den Weg zur American University, um mich kurz vor der Wahl noch einmal bei den Studierenden umzuhören.

Der diplomatische Weg 

Ich bin selbst als Student in DC und nehme an einem Programm der American University teil. Dorthin will ich, um die Studierende nach ihrer Meinung zur US-Wahl zu befragen. Im Nordwesten Washingtons liegt die American University. Neben der Georgetown University, Howard University und George Washington University ist die sie eine der bekannteren Hochschulen in der US-Hauptstadt. Den Campus der AU selbst sehe ich allerdings selten, da ich meistens unterwegs bin – sei es zu Think-Tanks, historische Orte, Treffen mit Politiker:innen, oder die zahlreichen Museen rund um die National Mall. Also dort, wo das Kapitol, das Weiße Haus, Ministerien, die Smithsonian Museen und ganz viele Denkmäler zu finden sind. Deshalb freue ich mich auf die Fahrt zur AU über die Massachusetts Avenue.

Die lange, größtenteils schnurgerade Straße, die sich quer durch die Stadt zieht., führt zu der American University. Um zum Campus zu gelangen, nehme ich einen Linienbus, der unweit des Weißen Hauses abfährt, allerdings in einem unregelmäßigen und wenig zuverlässigen Takt verkehrt. Trotzdem mag ich den Bus. Zum einen, weil er für Studierende kostenlos ist, zum anderen, weil er mich an vielen interessanten Orten vorbei den leichten Anstieg zur American University hinaufbringt. Sobald der Bus in die Massachusetts Avenue einbiegt, reiht sich Botschaft an Botschaft: Kroatien, die Elfenbeinküste, Irland, Chile, Haiti, Indien, Südkorea, die Niederlande, Belize, und so weiter. Überall sind Fahnen aus aller Welt in den üppigen Stadthäusern der Jahrhundertwende zu sehen. 

Langsam kämpft sich der Bus die Steigung hoch. Die Umgebung ist nun grüner. “Hinter der Moschee wohnt Obama,” sagt eine junge Studentin zu ihrer Kommilitonin. Der 44. US-Präsident zog nach seiner Amtszeit in die exklusivste und vom Secret Service bewachte Wohngegend Kalorama ein. Wenige Minuten später, nachdem der Bus an der südafrikanischen und britische Botschaft vorbeigefahren ist, kommt ein weiterer Hinweis: „Und hier wohnt Kamala.“ Hier krümmt sich die sonst gerade Massachusetts Avenue um das United States Naval Observatory: ein kreisrund angelegtes Forschungsgelände der US Marine mit einer bekannten Bewohnerin.

Das United States Naval Observatory an der Massachusetts Avenue in Washington, D.C. Bild: Google Maps

Die Noch-Nachbarschaft von Kamala Harris?

Hier wohnt derzeit noch Vizepräsidentin Kamala Harris. Ihr Umzug könnte bald anstehen. Harris will in das Weiße Haus, die Straße runter. Aktuell ist ihr Wohnhaus auch weiß. Erkenne kann ich es leider nur schwer. Hinter dem hohen schwarzen Zaun und den vielen Bäumen schimmert es leicht durch. Mehrfach habe ich die Kolonne von Polizeimotorrädern, schwarzen Limousinen und SUVs abbiegen sehen – möglicherweise saß Kamala Harris in einem der Fahrzeuge.

Bedauerlicherweise hält der Bus hier nicht. Der Campus von der American University ist nicht mehr weit. Die Dichte an Botschaften nimmt ab. Immer mehr junge Leute steigen in den Bus ein. Das sind die Studierenden, die nicht in einem der teuren Zimmer auf dem Campus wohnen. Wenn ich aus dem Busfenster gucke, fallen mir viele Kamala Harris Wahlschilder vor den Wohnhäusern auf. Und auch in den Fenstern der Apartmentkomplexe sehe ich Harris-Schilder, nur übertrumpft von den ausgefallenen Halloween-Dekorationen in den Vorgärten. Plastikskelette graben sich aus den Beeten frei. Kürbisse und große aufgeblasene Leuchtfiguren sind die momentanen Nachbarn von Kamala Harris. 

Ein klares Bekenntnis

Nach mehr als einer 30 Minuten kommt mein Bus an der American University an. Der Campus ist klassisch amerikanisch. Die Bibliothek, das Sportzentrum, die Fakultäten für Jura, BWL und Kommunikationswissenschaften sind allesamt nah an einem Subway und einer Starbucks-Filiale angelegt. Die Studierenden machen von dem Angebot Gebrauch. Kaum eine Person läuft ohne überdimensionierten kaffeeähnlichen Zuckersirup-Getränken herum. Zusätzlich führen die Studierenden noch in Papier- und Plastikcontainern eingepacktes Mittagessen mit sich. 

Der Campus der American University in Washington, D.C. Bild: M94.5/Maximilian Sacher

Ich bin an der American University, um herauszufinden, was die jungen Menschen über die bevorstehende Präsidentschaftswahl denken. Auf einem der Campuswege, wo viele zum Bus zurücklaufen, spreche ich als Erstes mit Ryan aus San José, Kalifornien:

Ich mag keinen der Kandidaten besonders gerne.
Kamala mag ich aber mehr. Sie ist die
weniger schlechte Option.

Deshalb gibt er seine Stimme der demokratischen Spitzenkandidatin. Auch die nächste Studentin, Kylie aus Pennsylvania, wählt Harris: „Ich mag Kamala Harris als Person. Besonders, weil sie die erste Frau als Präsidentin sein kann. Aber auch die Politik der Demokraten, was Abtreibungen angeht, sagt mir zu.“ Auch andere Studierende heben diesen Aspekt immer wieder hervor. Die Demokratische Partei stellt sich gegen ein Verbot von Abtreibungen und sind besorgt, dass eine Wahl von Donald Trump, das Recht auf Abtreibung weiter gefährden könne. Der Oberste Gerichtshof hatte im Jahr 2021 entschieden, Abtreibungen nicht mehr zu schützen. Danach stärkten viele republikanisch geführte Staaten den Zugang zu Abtreibungen stark ein. Für Abtreibung müssen nun Frauen in andere Bundesstaaten reisen. Die Sorge bei Demokraten und den befragten Studierenden ist, dass Trump bei einem Wahlsieg dieses Verbot national ausweiten könnte. 

Studierende, die sich offen trauen, den republikanischen Kandidaten Donald Trump wieder im Weißen Haus sitzen zu sehen, finde ich an diesem Tag an der American University nicht. Dennoch gibt es sie.  Eine Gruppe von Republikaner:innen der American University organisiert geschlossenen Veranstaltungen, um die aktuellen Wahlkampfthemen Trumps zu besprechen. Jedoch wollen sie nach mehrfachen Anfragen nicht mit mir sprechen. Die American University selbst und die Nachbarschaft gelten allerdings auch als mehrheitlich demokratisch. Fast 90 Prozent stimmten hier 2020 für Joe Biden. Es ist also nicht verwunderlich, dass republikanische Wähler:innen selten sind.

Republikaner gefunden

Um Republikaner auf dem Campus der American University zu treffen, lohnt sich ein Besuch im Kunstmuseum der Universität. Dort wird die Ausstellung Faces of the Republican Party des lokalen Künstlers Jeff Gates gezeigt. Die digital bearbeiteten Porträts zeigen bekannte Republikaner. Eines der Bilder: Donald Trump, mit einer Dornenkrone und blutverschmiertem Gesicht, blickt grimmig vor dem Hintergrund seiner Anklageschrift wegen seines Umgangs mit nationalen Geheimdokumenten. Auf einem anderen Bild wird dem Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, symbolisch der Mund mit einer Orange gestopft. Der Titel des Bildes erklärt den Zusammenhang: Gouverneur Ron DeSantis verteidigt Floridas neuen Bildungslehrplan und erklärt, dass die Sklaverei viele Schwarze dazu veranlasste, grundlegende Fähigkeiten „zum persönlichen Vorteil“ zu erlernen.  Diese digitale Verzerrung soll die Kritik des Künstlers verdeutlichen, was auch am Eingang der Ausstellung erläutert wird.

Eine junge republikanische Studentin, die für einen bekannten Think-Tank arbeitet, hat dies offenbar nicht gelesen. Sie teilte die Ausstellung in einem Video ohne Kontext auf der Plattform X und schrieb dazu: „Das ist eine aktuelle Ausstellung im Kunstzentrum der American University.“ Ohne Erlaubnis filmte sie Studierende, die sich Faces of the Republican Party ansahen und darauf reagierten. Auch ich war vor Ort, doch sie wollte nicht mit mir sprechen – ebenso wenig mit dem anwesenden Kurator. Für mich zeigt dies, dass es in den USA bereits an der grundlegendsten Kommunikation zwischen den politischen Lagern scheitert. Das ist bedauerlich.

Auf die Rückfahrt mit dem Bus entlang der Massachusetts Avenue muss ich leider verzichten. Es ist Rushhour, und die Straßen von Washington, D.C. sind im Stau versunken. Mit mehr als 25 Minuten Verspätung bleibt der Bus aus, also entscheide ich mich, zur nächstgelegenen U-Bahn-Station zu laufen – auch wenn diese deutlich unspektakulärer ist.

Ihr wollt mehr über die US-Wahl 2024 erfahren? Dann abonniert unsere M94.5-Podcastreihe Ballot Box Breakdown und folgt uns auf Instagram unter m945.ballotboxbreakdown