Filmklassiker der Woche

Der schmale Grat

/ / Bild: © 20th Century Fox

Terrence Malicks Meisterwerk von 1998 ist ein Kriegsfilm. Anders. Langsam. Philosophisch. Und vor allem mit einem kritischen Blick auf den Platz, den die Menschheit in der Natur eingenommen hat. Nicht zuletzt deshalb ist Der schmale Grat (The Thin Red Line) heute so relevant wie noch nie.

August 1942, Zweiter Weltkrieg: Eine Kompanie der US Army landet auf der Salomoneninsel Guadalcanal im Südpazifik, um japanische Truppen von einem Flugplatz zu vertreiben. Dafür müssen sie eine schwer befestige Hügelkette einnehmen, was nur unter großen Verlusten gelingt.
Diese an sich simple Rahmenhandlung wird aus der Sicht unterschiedlichster Charaktere und Perspektiven erzählt. Der resignierte und abgestumpfte Sergeant Welsh (Sean Penn), Private Bell (Ben Chaplin), der nur an seine geliebte Frau denken kann, der bittere Colonel Tall (Nick Nolte), der mit einem schnellen Sieg seine Karriere retten will, und viele weitere ambivalente Einzelperspektiven verleihen dem Geschehen nach und nach fast Dreidimensionalität.

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Witt stellt mehr als nur den Krieg an sich infrage: Ausschnitt aus Der schmale Grat.

Ein emotionaler Trip

Das für Malick typische Over Voice lässt als Medium für die Gedanken der Soldaten Bild und Ton zu einem poetischen, direkt emotional zugänglichen Zustand verschmelzen. Der Erzählstrang ist unorthodox, auf einen klassischen Spannungsbogen mit strahlenden Siegern und Happy End wird ebenso wie auf feste Protagonisten verzichtet. Die Geschichte folgt eher dem Geschehen als umgekehrt. In den vielen Pausen im Kampf kommen die leisen Töne durch, steht die Natur unbeeindruckt wieder im Bild. Der harte Kontrast zwischen der blühenden Natur und der zerstörerischen Maschinerie des Krieges wird immer wieder bedient.

Ein Film wie eine Therapiesitzung

Wo andere Kriegsfilme auf klaffende Wunden setzen, um die Dramatik der Kämpfe darzustellen, lenkt Der schmale Grat (im Original The Thin Red Line) den Blick auf die Beteiligten und ihr Innenleben. Wo die Action nach den Kämpfen die Szene wechselt, bleiben die Zuschauer*innen bei Witt, Welsh und den anderen und erleben so mit, welche Auswirkungen der Krieg auf deren Seele hat. Traumata, die langsam und schmerzhaft aufgearbeitet und nicht von der nächsten Schießerei verdrängt werden.

Schrecken, Schmerz, Angst, Schönheit, Wahnsinn – Was die Soldaten fühlen, spiegelt sich in ihren Gesichtern besser wider als in jedem aufwändigen Spezialeffekt. Möglich gemacht auch durch den extrem hochkarätigen Cast: Während John Travolta, George Clooney und Jared Leto nur kleine Nebenrollen haben (Mickey Rourke wurde sogar komplett herausgeschnitten), fällt besonders der damals wenig bekannte James Caviezel als Private Witt ins Auge. Jede noch so kleine Rolle ist hervorragend besetzt und portraitiert alle sich während der Kämpfe gleichzeitig abspielenden Dramen.

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Die Unnatürlichkeit des Krieges prallt auf die Natur des Menschen – und lässt den Verstand zerbrechen.

Ein Meisterwerk

Untermalt vom genialen Soundtrack von Hans Zimmer zeichnet Malick vor allem ein Bild: das der Entfremdung des Menschen von der Natur. Das Militär will optisch nicht in den tropischen Wald passen und nach dem militärischen Sieg fühlen sich die Soldaten ebenso wie Verlierer wie die besiegten Japaner. Dieser Film braucht Zeit, Ruhe und aufmerksame Zuschauer*innen. Deshalb die Empfehlung: Wenn schon nicht im Kino, dann im Dunkeln mit Kopfhörern ansehen! Es sind die Details, die einen beim Sehen zum Staunen und auch zum Weinen bringen. Ein Film, der sein Publikum erschüttert und mit einem anderen Blick auf diese Welt zurücklässt.

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