MTM22: Podcasts
Der Riesentanker und die Brise
Ob man in der Bahn, an der Bushaltestelle oder auf der Straße schaut – überall laufen Menschen mit Kopfhörern auf den Ohren durchs Leben. Die einen lassen sich von ihren Musik Playlists beschallen, die anderen lauschen ihren liebsten Podcasthosts. Nach wie vor erfreuen sich Podcasts größter Beliebtheit – ein Ende des Booms ist nicht in Sicht.
“Audio & Radio” steht an der linken Seite des Standes auf den Medientagen geschrieben und erklärt, was die Besucher:innen in dem Space erwartet. In der Ecke des Standes ist ein runder Tisch aufgebaut, auf dem Mikrofone und der bunte RodeCaster als Podcastaufnahmegerät schon auf die nächste Nutzung wartet. Davor steht eine junge Studentin mit blonden, hochgesteckten Haaren, die – leicht nervös, wie sie gesteht – auf ihren eigenen Einsatz wartet. Kayah Wipplinger ist 22 Jahre alt, studiert Journalismus im ersten Semester und hört leidenschaftlich gerne Podcasts. Es geht sehr schnell – rot leuchtet die “Rec” Taste auf, Kaya spricht ein paar Minuten in das Mikrofon und schon wird die Aufnahme wieder beendet. Für Kayah eine wunderbare Erfahrung – abgesehen von einem zweiminütigen Podcastprojekt zu Schulzeiten hat sie noch nie eine Folge aufgezeichnet. “Es war aufregend und spannend, hat einfach Bock gemacht”, schwärmt sie. Normalerweise kommt sie mit Podcasts eher aus der Hörerperspektive in Kontakt. “Ich höre locker fünf Podcasts pro Woche”, erzählt Kayah. Auf ihrer Playlist sind True Crime Podcasts hoch im Kurs: “Da wären Mordlust, Mord auf Ex, und ganz großer Favorit Zeitverbrechen. Ansonsten auch Psychologiepodcasts und Lebensweisheiten oder 1000 erste Dates”, fasst sie ihre Favoriten zusammen. Wie begeistert sie ist, erfährt man schnell, wenn sie nach dem “Warum” gefragt wird: “weil ich nebenbei was machen kann und nicht immer hingucken muss. Außerdem schaffe ich mir mein eigenes Kopfkino, was ich total geil finde. Und beim Autofahren zum Beispiel beruhigt es mich total”.
Den Podcasthype teilen viele und ein Ende des Booms ist nicht in Sicht. Bis die öffentlich-rechtlichen Sender auf diesen Trend aufgestiegen sind, hat es allerdings sehr lange gedauert. Thomas Müller von der ARD Audiothek räumt im Panel “Vom Nachhören zum Podcast” auf den Medientagen ein, dass Weiterentwicklungen eher schleppend initiiert worden seien: “Als Podcasts möglich waren, haben Öffentlich-rechtliche die verrückte Idee gehabt, Sendungen online zu stellen. Das war quasi die Geburtsstunde vom öffentlich-rechtlichen Podcast.” Inzwischen hat sich einiges getan beispielsweise die Serie “Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen”, ein erfolgreiches Projekt, welches sowohl mit dem Deutschen Podcast Preis als auch mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet wurde. Diese Entwicklung des Öffentlich-rechtlichen hin zu originären Podcastprojekten stoßen auch bei David Krause von der dpa auf großen Respekt, den er mit einer Metapher umschreibt: “So alte Läden, Riesentanker, die jetzt nicht wahnsinnig agil unterwegs waren in den letzten 1000 Jahren – man merkt, wie eine frische Brise über das Deck weht.” Podcasts – ein Medium, das Vielfalt und zahlreiche Erzählmöglichkeiten eröffnet und in dem die öffentlich-rechtlichen Sender nicht taktangebend sind, aber dennoch mitspielen können.
Diese Entwicklung kommt auch bei der Hörerschaft gut an. Kayah sieht es als Fortschritt: “Ich finde es einen guten Schritt in die Modernität, dass man sich auch den Jungen widmet.” Nicht allzu angetan war die leidenschaftliche Hörerin jedoch von einem öffentlich-rechtlichen Podcast – Bayern 3 TrueCrime. “Ich fand den absolut schrecklich, weil es war so abgekupfert von allen anderen. In meinen Augen haben die Hosts makabere Witze gemacht, weil es waren ernsthafte Themen. Das wirkte gezwungen jung.” Glaubwürdigkeit sei ihr sehr wichtig in Podcasts; auch als junge Zielgruppe: “Ich finde auch junge Leute haben ein Recht auf professionellen Umgang.” Am besten gefällt es der jungen Hörerin, sich mitangesprochen zu fühlen – so wie in ihrem Liebglingspodcast Zeitverbrechen. “Die machen das für die ganze Leserschaft von jung bis alt und das finde ich besser, wenn man es authentisch hält – so wie der Sender auch ist.”