Filmkritik
Der neue Woody Allen: Rifkin’s Festival
Nichts geht über die großen Filmklassiker des 20. Jahrhunderts. Das ist eine durchaus nostalgische Einstellung. Durch die Filme von Woody Allen zieht sie sich wie ein roter Faden. Für seine neueste Hommage an Truffaut, Fellini, Bergmann & Co schickt er seinen Helden – natürlich einen hypochondrischen New Yorker – in eine Welt, die für einen Film übers Kino kaum besser passen könnte: das Filmfestival von San Sebastián.
Mort Rifkin (Wallace Shawn) ist ein nicht mehr junger Professor für Filmgeschichte und verkrachter Schriftsteller, der endlich seinen großen Roman – Vorbild Dostojewski – schreiben will. Er begleitet seine Frau Sue (Gina Gershon) zum Filmfest nach San Sebastian. Sie ist die Pressesprecherin eines der neuen Regie-Stars (Louis Garrel) am Himmel des modernen Kinos. Mit dem, also dem modernen Kino und dem dazugehörigen Festivalrummel, hat Mort allerdings wenig am Hut.
Hineingeträumt in Szenen legendärer Film-Klassiker
Als Intellektueller alter Schule fehlt es ihm da an den großen Themen, die sich um Sein und Nicht-Sein drehen. Und anstatt ins echte Kino zu gehen, driftet Mort immer wieder ab in eine Welt der Tagträume. Tagträume, die in alten Filmen angesiedelt sind, in die Mort sich einfach selbst hineinmontiert. Und wenn auch die Story um die zerbröckelnde Ehe von Mort und seine zarte Liaison mit einer ebenfalls filmbegeisterten spanischen Ärztin (Elena Anay) wenig aufregend ist: Es ist durchaus charmant, wie Woody Allen uns Zuschauer:innen in die mit neuen Dialogen und viel Liebe fürs Detail nachgedrehten ikonischen Szenen entführt. Etwa in Jean-Luc Godards Außer Atem oder – sicher einer der größten Momente des Films – in Ingmar Bergmans Das siebte Siegel mit Christoph Waltz als Wiedergänger des Todes.
Nichts Neues – aber amüsant für die Fans alter Filme
Mit Mort Rifkin (Allans Alter Ego) und dessen Schlendern durchs eigene Beziehungs- und Seelenwirrwarr kriegen wir einen typischen Woody Allen-Film. Samt großem Zitatreigen mit Bezug auf die vielen eigenen Filme und die Werke seiner geliebten Vorbilder. Das ist manchmal amüsant, manchmal etwas banal – auf jeden Fall nichts Neues. Die Besetzung ist abgesehen davon wunderbar, die Bilder sind es auch. Die stets mitschwingende Wehmut und Sehnsucht nach der guten alten Zeit, scheint gleichsam ein Spiegel für Allans Karriere, die seit geraumer Zeit durch Missbrauchsvorwürfe (die Allan vehement bestreitet) überschattet wird. Für alle Kinogänger:innen, die sich nicht so gut mit den alten Klassikern auskennen, dürfte manch Anspielung verborgen bleiben. Aber vielleicht macht das ja auch neugierig – und Lust, sich die alten Klassiker und auch die alten Woody Allen-Filme anzuschauen.
Rifkins Festival läuft ab dem 7. Juli in den deutschen Kinos.