M94.5 Filmkritik

Der Leuchtturm

/ / Bild: A21 Films

Tosende Wellen und scheinbar unendliche Weiten. Ein Schiff landet auf einer einsamen, namenlosen Leuchtturminsel. Bedrohliche Streichmusik, das ständig tönende Nebelhorn und schreiende Möwen als Schallkulisse im Hintergrund. Zwei Männer bleiben auf der Insel zurück, starren dem verlassenden Schiff nach, welches im Nebelmeer verschwindet. Ab jetzt ist klar, dass der Leuchtturmwärter Tom Wake (Willem Dafoe) und sein neuer Gehilfe Ephraim Winslow (Robert Pattinson) komplett abgeschnitten vom Rest der Welt und alleine in Der Leuchtturm sind.

Funktionale Ästhetik

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Bestechende Schwarzweiß-Optik im Trailer zu Der Leuchtturm.

Der Anfang des Films gibt sich bedeutungsschwanger und baut schon in den ersten Sekunden gekonnt eine bedrückende Atmosphäre auf. Hilfreich dabei ist vor allem die Ästhetik, denn Regisseur Robert Eggers setzt in seinem Film auf Schwarzweiß-Bilder und das fast quadratische 1.19:1-Format. Der Zuschauer soll sich bewusst eingeengt fühlen, Geheimnisse sollen versteckt bleiben. Der Leuchtturm ist kein Ort in den freien Weiten des Meeres, sondern er ist eine Gefängnisinsel.

Sisyphos-Arbeit und Wahn

Für Winslow werden die vier Wochen als Gehilfe zur Tortur. Täglich wird er vom vorgesetzten Leuchtturmwächter Wake zu niedrigen, kräftezehrenden Arbeiten gezwungen, nur um abends wieder und wieder von ihm dieselben betrunken vorgetragenen Seemannsgeschichten zu hören. Eins bleibt dabei für ihn immer unerreichbar: das Licht des Leuchtturms, um das sich nur Tom Wake persönlich kümmern darf. Die Tage beginnen einander zu gleichen, verschwimmen im Strudel der Zeit, und nach und nach werden die Zuschauer auch selbst in diesen Malstrom aus Verlangen und Wahn hineingezogen.

“Wie lange sind wir beide schon auf diesem Felsen? 5 Wochen? 2 Tage?
Hilf mir, mich zu erinnern…”

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Zeit wird nicht nur für die Protagonisten zum Mysterium. (Bild: A21 Films)

Seemannsgarn

Die Grenze zwischen Seemannsgarn und wahren Geschehnissen wird dabei immer unklarer. Robert Pattinson und Willem Dafoe spielen ihre durchtriebenen Charaktere großartig; wer hier gerade wen manipuliert, wer wahnsinnig ist und wer nicht, bleibt bis zum Ende ein Rätsel. Leider verliert vor allem die archaisch poetische Sprache vom alten Seebären Tom Wake durch die deutsche Synchronisation einiges von ihrer Anziehungskraft. Glücklicherweise aber ist es vor allem die Stille im Film, die den Zuschauer in seinen Bann schlägt: Die Namen der Protagonisten erfahren wir erst spät, es dauert sieben Minuten, bis überhaupt das erste Wort gesprochen wird. Der Leuchtturm macht damit vieles richtig, denn es wird so manches angedeutet oder gezeigt, aber wenig erklärt; ein Film also, der seine Zuschauer ernst nimmt.

Mythisch statt typisch

Der Leuchtturm überzeugt an vielen Fronten, er ist bildgewaltig, die schauspielerischen Leistungen sind großartig und vor allem die bedrückend-geheimnisvolle Atmosphäre überträgt sich voll und ganz auf den Zuschauer. Die Handlung hätte stellenweise noch etwas mehr gestrafft werden können, aber ungeachtet dessen ist Der Leuchtturm ein ebenso spannender wie untypischer Horrorfilm, der sich lohnt.

Der Leuchtturm ist ab 28. November 2019 im Kino zu sehen.