Filmkritik

Deep Sea

/ / Bild: © 2023 October Media All Rights Reserved/ LEONINE Studios

Animation meets chinesische Tusche-Malerei! Ganze sieben Jahre lang arbeitete Regisseur Tian Xiaopeng an seinem Film Deep Sea und erschuf damit einen neuen faszinierenden Stil in der Animationswelt, der zum Träumen einlädt. Aber lohnt es sich, diesen Traum auf der Kinoleinwand mitzuerleben?

Saftiges Orange, Gelb, Rosa, Lila und Blau ziehen sich bis zur aufgehenden Sonne. Ein Meer aus Farben, das so wunderschön ist, dass Zuschauende gerne darin versinken würden. Vögel ziehen ihre Kreise Richtung Horizont. In der rechten Ecke ist ein phantasievoll gestaltetes Boot zu sehen. Dies ist nur eines der spektakulären farbenfrohen Bilder, die der chinesische Regisseur, Drehbuchautor und Animationskünstler Tian Xiaopeng in Deep Sea (sein zweiter Film nach seinem Regiedebüt Der Affenkönig – Ein Held kehrt zurück) schafft.

Farbenfroher Sonnenaufgang/ Bild: © 2023 October Media All Rights Reserved/ LEONINE Studios

Die Protagonistin von Deep Sea ist das Mädchen Shenxiu. Sie macht zusammen mit ihrem Vater, seiner neuen Frau und ihrem kleinen Bruder eine Kreuzfahrt an ihrem Geburtstag. Wer fehlt, ist allerdings ihre leibliche Mutter, die Shenxiu als sie noch sehr klein war, verlassen hat und nun nur noch mit sporadischen SMS in Kontakt bleibt.

Als ich kleiner war, hast du mir eine Geschichte über das Meer erzählt. Du hast gesagt eines Tages würdest du am Meer wohnen. Kannst du jetzt genau wie ich aufs Meer sehen Mama?

Shenxiu

Shenxiu vermisst ihre Mutter sehr und erinnert sich deswegen an eine Geschichte, die sie ihr erzählt hat: Wenn du dir an deinem Geburtstag etwas wünscht, wird das magische Wesen Hyjinx dir diesen Wunsch erfüllen. Bei einem starken Sturm geht Shenxiu über Bord des Schiffes. Sie landet zusammen mit einem Hyjinx in einer farbenvollen Unterwasserwelt mit vermenschlichten Meereskreaturen und dem verrückten Kapitän Nanhe. Zusammen begeben sie sich auf die Suche nach ihrer Mutter und dem Auge der Tiefsee.

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Der Trailer zu Deep Sea

Aussehen ist nicht alles

Während die Zuschauenden die faszinierende Wasserwelt im Design der Tusche-Malerei nur so in den Bann zieht, gelingt das der Story leider weniger. Für einen Großteil der Filmlänge von knapp zwei Stunden bleibt Shenxius einzige Charaktereigenschaft, dass sie ihre Mama vermisst. Das reicht aber nicht aus, um den Film zu tragen. Da hilft irgendwann auch die schönste Animation nicht weiter, wenn in der ersten halben Stunde gefühlt 90 % der Worte aus Shenxius Mund nur “Mama” in unterschiedlichen Tonlagen ist. Was dagegen besser funktioniert als die gesprochene Sprache, ist die Verbildlichung von Gefühlen. Der Film strotz nur so vor Symbolik – jede einzelne Figur und jedes Wesen um Shenxiu steht für etwas. Zum Beispiel werden Shenxius Emotionen, vor allem ihre Ängste, durch das Wesen der Hyjinx sehr eindrücklich dargestellt. Hat das Mädchen Angst wird Hyjinx größer und verwandelt sich in einen Albtraum, fühlt sie sich wohl, ist Hyjinx klein und niedlich.

Kindliche Fantasie vs. Drogen-Trip

Mit der Zeit verwandelt sich Deep Sea allerdings immer mehr weg von der schönen kindlichen Traumwelt zu einem Durcheinander an grellen Farben und Ereignissen. Zusammen mit der überzogenen ausdrucksstarken Mimik, die man aus Comics kennt, und dem Fokus auf Szenen, in denen sich die überdimensionalen Meeresbewohner Essen in ihr riesiges Maul werfen, erinnert Deep Sea zeitweilig eher an einen Drogen-Trip als an kindliche Fantasie. Dabei bekommt der Film auch einen gruseligen Touch. Gepaart mit einem sehr kindlichen, aber leider auch unraffinierten flachen Humor, fragen sich Zuschauende irgendwann, was genau die Message des Films denn jetzt sein soll beziehungsweise ob er überhaupt eine hat.

Nanhe mit einem Schuh in der Hand/ Bild: © 2023 October Media All Rights Reserved/ LEONINE Studios

Tiefsee = Tiefe Emotionen?

Erst in den letzten zwanzig Minuten bekommt Deep Sea wirklichen Tiefgang. Dadurch ergibt der Film dann auch im Ganzen Sinn und bekommt die gesuchte Message. Leider kommt dieser Aha-Moment nur so spät, dass der Film einen davor schon fast verloren hat. Deep Sea ist ein wunderschöner Film, der viel Potenzial hätte, wenn die Storyline bereits von Anfang an so ausgeklügelt wäre wie am Ende. Zu empfehlen ist er vor allem für Verpackungsliebhaber:innen, denen eine schöne Ästhetik wichtiger ist als der Inhalt – denn die farbreichen Landschaften lassen einen wirklich träumen.

Deep Sea läuft ab dem 10. August im Kino.