Kommentar

Das Wahlrecht als Grundrecht

/ / Bild: M94.5 / Vroni Kallinger

In Deutschland dürfen nicht alle Menschen wählen. Genauer gesagt: Mehr als zehn Millionen Menschen sind aktuell in Deutschland nicht wahlberechtigt, weil sie keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Dabei sollte Wählen kein Privileg, sondern ein Recht für alle in Deutschland lebenden Menschen sein. Ein Kommentar von Maja Aralica.

Im deutschen Grundgesetz heißt es:  

Art. 20 (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

Das heißt in die Praxis übersetzt, dass sich nur deutsche Staatsbürger:innen an den Bundestagswahlen beteiligen dürfen. Nach den letzten Bundestagswahlen im September 2021 waren die Hoffnungen auf eine Wahlrechtsreform hoch – wurde das Wahlrecht in Deutschland doch im Vorfeld viel thematisiert und diskutiert. Die endlich ernst zu nehmende Frage stand im Raum: Würde sich am Wahlrecht für ausländische Bürger:innen durch die neue Ampelkoalition etwas ändern? 

Einbürgerungen zu erleichtern, ist nicht die Lösung!

Klar ist mittlerweile: Am Wahlrecht für Nicht-Staatsbürger:innen wird laut Koalitionsvertrag nichts verändert. Dafür sollen im Ausland lebende Deutsche ihr Wahlrecht leichter ausüben dürfen. Welcher Logik folgt das? Warum dürfen sich Menschen, die seit Jahren in Deutschland leben, sich aktiv am gesellschaftlichen Leben beteiligen, hier arbeiten und Steuern zahlen, nicht an den Wahlen beteiligen; Menschen, die nicht mehr hier wohnen und arbeiten, einzig und allein aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit aber schon?

Natürlich ist es nicht komplett unmöglich, sich als Mensch mit Migrationshintergrund an den Wahlen zu beteiligen. Man kann ja einfach Deutsche:r werden! Und das soll tatsächlich leichter werden. Im Koalitionsvertrag steht:

“Wir schaffen ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht. Dafür werden wir die Mehrfachstaatsangehörigkeit ermöglichen und den Weg zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit vereinfachen.”

Aber ganz so leicht ist das eben nicht. Denn eine Einbürgerung ist ein sehr komplexer Prozess voller Voraussetzungen und Bedingungen. Die erste Voraussetzung ist ein unbefristetes Aufenthaltsrecht. Dies können Menschen beantragen, sofern sie lange genug in Deutschland leben, einen Beruf ausüben und gesicherten Lebensunterhalt ohne Sozialhilfe und Arbeitslosengeld nachweisen können. Somit werden befristet Beschäftigte, Arbeitslose, Geringverdiener:innen usw. schon einmal von der Möglichkeit zur Einbürgerung ausgeschlossen. Hinzu kommen finanzielle und bürokratische Hürden. 

Und selbst wenn dieser Prozess erleichtert wird, wie vom Koalitionsvertrag angepriesen, sollte das demokratische Recht zu wählen, nicht von der Nationalität abhängig sein, wenn man sich als Bürger:in in Deutschland am demokratischen Prozess beteiligen will.

Wählen ist ein Recht – kein Privileg

Dass die Möglichlichkeit zur demokratischen Teilhabe für Nicht-Deutsche kein Ding der Unmöglichkeit ist, beweist das Wahlrecht auf kommunaler Ebene. Denn hier dürfen EU-Bürger:innen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit das Leben in ihrer Kommune aktiv bei den Wahlen mitgestalten. Genauso dürfen sie bei den Europawahlen für ein gemeinsames Europa abstimmen.  

Warum also auch nicht auf Bundesebene? Warum sollten Menschen, die unabhängig davon, ob sie “nur” EU-Bürger:innen oder Drittstaatsangehörige sind, nicht in ihrem Hauptwohnsitz wählen dürfen?

Ein moderner demokratischer Staat sollte niemandem, der/die in Deutschland seine/ihre neue oder seit Generationen andauernde Heimat gefunden hat, aufgrund der Nationalität das Recht zu wählen verwehren. Ein moderner deutscher Staat sollte vielmehr um die Vorteile einer echten integrativen Demokratie wissen.  

Die Initiative “Nicht ohne uns 14 Prozent” setzt sich für das Ausländerwahlrecht ein. Hier geht’s zur Petition.