Die Mikrochip-Industrie
Das neue Öl des Tech-Sektors
Ein Mikrochip ist kleiner als ein Fingernagel. Von Autos über Computer bis hin zur Mikrowelle in der Küche befindet sich das kleine Teilchen heutzutage in so ziemlich jedem Elektrogerät. Ein Leben ohne sie ist mittlerweile quasi unvorstellbar.
Nicht nur Komfort und Alltag, sondern die gesamte Wirtschaft ist abhängig von Mikrochips. Dementsprechend hoch ist auch das Interesse der Länder an dieser immer bedeutender werdenden Industrie. Der US-Senat verabschiedete 2022 den Chips and Science Act, der hohe Investitionen und Subventionen in den Mikrochip-Sektor der USA ermöglicht. China gab 2020 mit 350 Milliarden Dollar mehr für Microchips aus als für Rohöl. Weltweit gibt es einen Produktionswettlauf um ebendiese kleinen Mikrochips. Doch die gesamte Entwicklung ist vorwiegend konzentriert in den Händen weniger Unternehmen, vorwiegend aus den USA stammend. Zu den großen Entwicklern gehören Intel, Nvidia und Samsung. Doch auch Apple investiert gerade massiv. Im Standort München sind kürzlich erst eine weitere Milliarde Euro zugunsten der Chipentwicklung geflossen.
Doch es gibt einen großen Unterschied zwischen Chipentwicklung und Chipproduktion. Letztere kann nämlich extrem komplex werden, und wird von einer Firma dominiert: TSMC in Taiwan. Sie kriegt die Fertigungsanträge von den großen Entwicklerfirmen wie Nvidia und produziert diese Chips dann. Ihr Marktanteil: 55 Prozent der weltweiten Aufträge. Bei komplexeren Chips steigt ihr Marktanteil sogar bis auf 90 Prozent. Große Teile der Weltwirtschaft sind dementsprechend von TSMC abhängig. Umso höher sind die geopolitischen Implikationen: Sollte China tatsächlich in naher Zukunft Taiwan angreifen, hätte die Großmacht ein signifikantes Druckmittel auf den Westen.
“By 2030, 20% of the world’s microchips production should be in Europe”
Umso stärker steigen deswegen die Investitionen auch in Europa in diesem Sektor. Ziel ist unter anderem, sich unabhängiger von Produktionsstätten wie Taiwan zu machen. Außerdem wird die Nachfrage nach Chips in den nächsten Jahren stark ansteigen. So rechnete Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos 2022 damit, dass sich die Nachfrage in den nächsten zehn Jahren in Europa verdoppeln wird. Gleichzeitig stellte sie den European Chip Act vor, der auch in Europa den Chipsektor stark ankurbeln soll: “By 2030, 20% of the world’s microchips production should be in Europe”. Das Ziel ist also, den jetzigen Stand von 10 Prozent bis 2030 zu verdoppeln. Wenn man die Steigerung der Nachfrage bedenkt, bedeutet das faktisch eine Vervierfachung der jetzigen europäischen Produktion.
Was den Standort Deutschland angeht, so ist das Land die wichtigste Produktionsstätte in Europa. In einem Bericht des Wirtschaftsprüfers KPMG, auf den sich auch der deutsche Bundestag beruft, heißt es:
„Germany is extensively investing in next-generation microelectronic components focusing on automotive and healthcare markets. The microelectronics sector in Germany is organized into strong clusters. Germany is a leader in European semiconductor [Mikrochip] production. One in every three chips produced in Europe is made in Germany. German companies are particularly strong in energy-saving electronics and sensor systems.“
Doch in einem weiteren Dokument des deutschen Bundestages wird konstatiert: “In anderen Bereichen (z. B. höherwertige Prozessoren u. a. für das autonome Fahren) ist Europa vielfach auf Importe angewiesen.” Für einfachere Mikrochips in Bereichen wie der Elektromobilität ist Europa dagegen technologisch unabhängig.
Ein Marktanteil von bis zu 90 Prozent
Doch Maschinen, die zunehmend immer komplexer werden, brauchen gleichzeitig auch immer komplexere Microchips. Und dort haben Deutschland und die EU einen großen Schwachpunkt. Einem Bericht von Boston Consulting aus dem Jahr 2021 zufolge werden die komplexesten Chips zu 90 Prozent in Taiwan produziert. Auch Hubert Aiwanger (Freie Wähler), Wirtschaftsminister in Bayern, gibt in einer Pressemeldung vom September 2022 zu: ,,Die Zukunft der Halbleiter liegt auf dem Chip-Design und weniger auf der Produktion. Hier haben Taiwan und Südkorea bei der Fertigungstechnologie einen Vorsprung”.
Aiwanger gründete in Bayern 2021 das bayerische Halbleiterbündnis, das den Chip-Standort Bayern ankurbeln soll. Daraus ist die Bavarian Chip Alliance entstanden, die Unternehmen und Akteur:innen in dem Feld miteinander vernetzt. Doch in der Frage, wie weit Bayern alleine kommen kann, ist sich Aiwanger auch unsicher. Es sei nicht klar, wieweit ,,die Landespolitik dieses weltweite Problem überhaupt entschärfen kann.” Ob und inwiefern Europa – und da ist Deutschland natürlich mit inbegriffen – sein Ziel des starken Ausbaus der Mikrochipproduktion erreichen kann, wird sich spätestens in sechs Jahren zeigen.