Interview zum Underdox Filmfestival
“Das ist bewusstseinserweiternd!”
Filme, die Grenzen sprengen, experimentieren, die sich außerhalb des Mainstreams bewegen. Diesen Filmen gibt das Underdox Festival eine Plattform. Die Veranstalter*innen Dunja Bialas und Bernd Brehmer erzählen im Interview, wodurch sie sich von anderen Festivals unterscheiden und wieso das Analoge auch in Zeiten des Streamings unersetzbar ist.
Der Titel des Festivals ist “Underdox”. Das hört sich ein bisschen an wie “underdogs”, also das englische Wort für Außenseiter. Inwiefern seid ihr anders?
Dunja Bialas: Es ist natürlich der Underdog damit gemeint. Aber dieses X, das ist so ein Kokettieren mit dem Experiment, was im Untertitel dann steht. Außerdem ist Dox die Kurzform für Dokumentarfilm und Underdog spielt dann so ein bisschen da mit. Aber um zu signalisieren: Unsere Filme sind anders, aber keine Außenseiter-Filme. Das sind eher Insider-Filme, also Filme, die in einer bestimmten Community absolut bekannt sind. Filmemacher, die total bekannt sind. Bloß kennt die, ich sag jetzt mal böse, im Mainstream halt keiner.
Bernd Brehmer: Genau, das “unterdoxige” ist auch, dass wir uns an Filme und Filmemacher heranwagen, an die sich die etablierten Festivals nicht heranwagen. Wir sind sozusagen die Underdogs für Filmemacher, die irgendwann Overdogs werden, indem sie dann doch ihren zweiten, dritten, vierten Film auf den großen Festivals präsentieren.
Nach welchen Kriterien wählt ihr eure Filme aus? Oder habt ihr irgendwelche Kriterien, die ein Film erfüllen muss?
B.B.: Kriterien gibt es keine. Wir müssen einfach begeistert sein. Es muss etwas sein, das uns überrascht. Es gibt nichts Langweiligeres als Filme, die einen nur bestätigen in der eigenen Sichtweise.
D.B.: Also wir haben ein Adjektiv geprägt, das heißt “underdoxig” . Also wir merken quasi intuitiv, wenn ein Film underdoxig ist. Das heißt, wenn er zu uns passt. Wir haben ja ein relativ starkes Konzept, Filme zu finden, die in keine Schublade passen, die die Grenzen des Dokumentarfilms sprengen oder auch des Spielfilms. Alle Mischformen sind uns willkommen. Das sind jetzt aber keine strengen Kriterien, sondern es ist einfach nur dieses Feeling, dass die Filme etwas anders machen wollen als die Norm oder der Standard. Dass man eben irgendetwas Neues entdeckt, wenn man diesen Film sieht.
B.B.: Man kommt aus einem Underdox-Film anders raus, als man reingegangen ist.
Wie kommt man dann raus? Und wie kommt man rein?
B.B.: Na, das ist bewusstseinserweiternd!
D.B.: Deswegen heißt das Festival auch im Untertitel wie unser Claim, den ich mir irgendwann mal ausgedacht habe: Underdox ist das Festival, das die Augen öffnet. Tatsächlich geht es darum, dass die Filme auf der Leinwand etwas anders machen, also dass man wirklich etwas sieht, dass man etwas hört, dass man etwas erlebt. Und deswegen heißt es beim Eröffnungsabend auch Eye Opener.
Wie ist das Ganze entstanden? Ihr beide habt ja das Festival mitbegründet. Wie kamt ihr auf die Idee?
B.B.: Es war eine Mangelerscheinung in dieser Stadt. Weil, wie vorhin schon angesprochen, die großen etablierten Festivals sich an viele Sachen, die wir spannend und interessant finden, nicht herangetraut haben. Also es gab und gibt immer noch sehr viele, sehr spannende, interessante, wichtige Arbeiten, die durch das Raster fallen. Und die haben wir aufgefangen.
Was ist denn dieses Jahr im Programm? Was sind eure persönlichen Eye Opener oder Filme, die man sich anschauen sollte?
B.B: Ich weiß, es ist schwierig. Es ist ein pralles cineastisches Füllhorn. Aber man muss natürlich herausstellen, dass wir tatsächlich die ersten sind, die den österreichischen Experimentalfilm-Gott Peter Tscherkassky nach München holen. Er wird eine Lecture geben, also seine Filme zeigen und darüber erzählen, wie die entstanden sind, was natürlich super spannend sein wird. Seine Lebensgefährtin Eva Heller, ebenfalls Experimentalfilmerin, zeigt nicht nur ihre eigenen Arbeiten, sondern stellt auch die Arbeiten des kürzlich verstorbenen Experimentalfilm-Kollegen Phil Salomon vor. Labore unserer Liebe, Labor of Love, heißt eine unregelmäßige Serie mit DIY Werkstätten und Laboren, wo man hinkommen kann, und sagt: “Okay, ich habe einen Film gemacht, ich möchte den hier bearbeiten, entwickeln – händisch. ” Also alles ist sehr, sehr, sehr physisch, sehr haptisch. Das Labor ist in Paris und von dort zeigen wir eine große Auswahl kurzer Filme.
D.B.: Und dieses Jahr haben wir eigentlich einen Städte-Schwerpunkt. Das ist Beirut, also Libanon. Wegen der Explosion in einem Hafen im August machen wir ein Fundraiser-Film-Screening, das heißt “Beirut Over and Over Again”. Das ist entstanden zusammen mit Filmemachern, die in Beirut leben. Und da zeigen wir Kurzfilme.
Euer Motto des Underdox Festivals ist auch, analog zu sein statt digital – zumindest dieses Jahr. Wie spiegelt sich das in dem Festival wider?
D.B.: Wir sind nicht analog statt digital. Wir haben natürlich digitale Filme im Programm, sonst könnten wir kein Festival bestücken. Aber warum machen wir das? Das Analoge in den Vordergrund stellen ist weil man Analoges Filmmaterial nicht streamen kann. Du kannst nie in einem Stream wiedergeben, was ein Erlebnis auf der Leinwand ist, wenn da wirklich eine 35-Millimeter-Kopie im Cinemascope-Format projiziert wird. Und dann haben wir konsequenterweise auch Gäste eingeladen. Wir wollen den persönlichen Austausch. Das ist uns total wichtig. Wenn fünf Leute sich das anschauen und total geflasht sind von den Filmen, dann ist das super.
Vom 8. bis zum 14. Oktober 2020 findet das Underdox Festival statt. Programm und Tickets findet ihr auf der Website des Festivals.