Dance 2019
Dance History Tour
Es war einmal vor langer Zeit, da war München ein Ort voller Maler*innen und Schriftsteller*innen, Bildhauer*innen und Tänzer*innen. Das kulturelle Leben florierte um die Jahrhundertwende und Künstler*innen aus aller Welt kamen in die Landeshauptstadt. Eine avantgardistische Geschichte voller Skandale und Verstöße gegen Konventionen ist die des freien Tanzes. Wieder zum Leben erweckt wird sie auf der Dance History Tour.
Wer dabei sein möchte bei der Dance History Tour, der muss nicht unbedingt gut tanzen können. Man braucht nicht einmal ein besonders ausgeprägtes Vorwissen. Wichtig ist aber: Ein funktionstüchtiges Fahrrad, mit dem ist man quer durch München unterwegs und erfährt, wer damals alles in München tanzte. Auf der Suche nach historischen Orten, die etwas über die Geschichte des freien Tanzes erzählen, geht es vom Münchner Künstlerhaus am Lenbachplatz zum Palais Schrenck-Notzing, dem Lenbachhaus am Königsplatz, um dann zu den Kammerspielen und abschließend zur Villa Stuck zu gelangen. Die Führung übernehmen Theaterwissenschaftlerinnen der LMU, die für alles eine passende Anekdote parat haben. Jeder besuchte Ort gewährt tiefere Einblicke in die Kunstform des freien Tanzes, die damals radikal neu und absolut anders war. Um illustrieren zu können, was damals geschah, haben die Guides einen Bildband mit historischen Fotografien dabei, die bedeutende Tänzer*innen der Zeit zeigen.
Androgyn und anders: Alexander Sacharoff
Ein wichtiger Tänzer, der einem auf der Tour näher gebracht wird, ist Alexander Sacharoff. Zusammen mit seiner Partnerin Clotilde von Derp hat er die Münchner Tanzszene maßgeblich beeinflusst. 1905 kam er in die Landeshauptstadt und debütierte als erster freier männlicher Tänzer Europas in der Münchner Tonhalle. Er hat die abstrakte Pantomime geschaffen und war stets für seine Exzentrik und seine ausgefallenen Kostüme bekannt. Ähnlich viel Aufsehen wie sein neuartiger Tanzstil erregte sein androgynes Aussehen. Clotilde von Derp und Alexander Sacharoff gelten als eines der berühmtesten Paare in der Tanzgeschichte und brachen bewusst mit Genderrollen. Nicht nur trat Alexander betont weiblich auf, auch war Clotilde des Öfteren in Hosenrollen zu sehen. Später waren die beiden als Tanzpädagog*innen beschäftigt. Eines der bekanntesten Porträts von Sacharoff hängt im Lenbachhaus und auch an der U-Bahnstation Königsplatz.
Barfuss und befreit: Isadora Duncan
Ein weiterer Name, der auf der historischen Spurensuche nicht fehlen darf, ist der der US-Amerikanerin Isadora Duncan. Sie gilt als die Pionierin des modernen Ausdruckstanzes. Orientiert war sie am griechischen Schönheitsideal und entwickelte ein neues Körper- und Bewegungsempfinden. Als sie nach München kam, musste sie zunächst Franz Stuck von ihrem Tanzstil überzeugen, um im prachtvollen Künstlerhaus am Lenbachplatz auftreten zu können. Sie machte so einiges anders als klassische Tänzer*innen es vor ihr getan haben. So trug sie etwa weite fließende Kleider anstatt eines engen Korsetts und tanzte barfuß, was zur damaligen Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts einem kleinen Skandal gleichkam.
Nackt und neuartig: Adorée Villany
Es blieb jedoch nicht bei dem einen Tanzskandal. Die heutigen Theatergänger*innen mag es kaum verwundern, dass es ausgerechnet in den Kammerspielen war, wo es im Jahr 1911 zu einem weiteren Eklat kam. Schuld daran war Adorée Villany, die dort vor Publikum tanzte. Das Besondere daran? Die Tänzerin war bis auf einen halb durchsichtigen Schleier vollkommen nackt. Nach nur einer Stunde Performance kam deshalb die Polizei und verhaftete sie. Ähnliche Auftritte hatte es zwar schon zuvor gegeben, jedoch nicht im öffentlichen Raum. Schon in privaten, geschlossenen Gesellschaften erweckten solche Darbietungen viel Aufmerksamkeit und trotz Geheimhaltung oftmals ein großes Medienecho.
Was damals für heute bedeutet
Nach etwa drei Stunden endet die historische Reise durch München an der Villa Stuck. Dank der beiden engagierten Tourführerinnen Miriam Bornhak und Sabrina Kanthak hat man Orte in der Stadt ganz neu entdeckt und viel über die Geschichte des modernen Tanzes gelernt. Mit erfrischenden Anekdoten, veranschaulichendem Bildmaterial und stärkenden Snacks für zwischendurch, haben die beiden eine unterhaltsame, kurzweilige und spannende Tour auf die Beine gestellt. Nach all den Geschichten über skandalträchtige Momente, die an bekannten Orten in München das internationale Tanzgeschehen nachhaltig mitbestimmt haben, hat man richtig Lust bekommen, selbst zu tanzen. Vielleicht nicht unbedingt nackt mit Seidentüchern in der Rolle der Salome, aber Dank den mutigen und revolutionären Vorbereiter*innen des modernen Tanzes auf jeden Fall offen und frei.
Wer die Dance History Tour selbst mitradeln möchte, kann das an folgenden Terminen tun:
Di, 21.05.2019, 16:00 Uhr
Mi, 22.05.2019, 16:00 Uhr
Do, 23.05.2019, 16:00 Uhr
Fr, 24.05.2019, 16:00 Uhr
Sa, 25.05.2019, 11:00 Uhr
So, 26.05.2019, 11:00 Uhr
Treffpunkt ist das Künstlerhaus und der Preis liegt bei 15,00 €.