Filmkritik
Coup
Tagsüber seriöser Banker, nachts Biker – Sven O. Hill lässt seinen Helden in Coup ein Doppelleben führen. In der unkonventionellen Mischung aus Dokumentar-, Animations- und Spielfilm erzählt der Protagonist in lapidarem Tonfall, warum ihn dieses Dasein langweilt und was er dagegen tut – er heckt einen fantastischen Bankbetrug aus.
Eigentlich führt er ein perfektes Leben: Filialleiter einer Bank mit Anfang zwanzig, Aufstiegsmöglichkeiten und gesichertes Einkommen, feste Freundin und Kind. Bei Tag ist er Familienvater und Banker, bei Nacht ist er Biker. Mit seinen Freunden feiert er im Rockerclub durch und geht danach direkt wieder ins Büro. Weil der namenlose Protagonist außergewöhnlich clever ist, macht er seinen seriösen Beruf trotz Schlafmangel und Restalkohol so gut, dass er schnell die Karriereleiter erklimmt. Einziges Problem: Der vorgezeichnete Lebensweg ist ihm zu vorhersehbar, er will etwas Aufregenderes, ein Abenteuer. Zusammen mit einem Kumpel nutzt er eine Sicherheitslücke in der Bank aus, die ihnen ein paar Millionen Mark bringen soll, in den 80er Jahren viel Geld.
Auf Hamburgerisch erzählt der Mann im Zentrum der Geschichte ganz gelassen, wie der Plan zustande kommt. Hauptdarsteller Daniel Michel, der sonst Sänger in der Band Liedfett ist, trifft den stoischen Ton seiner Figur perfekt. Daraus entsteht die Komik des Films, dass einer eine Bank ausnimmt und dabei ganz cool bleibt. Als die Jungs nicht wissen, in welchem Land sie sich nach getaner Untat verstecken können, wenden sie sich an den Playboy-Berater. Googlen, welche Länder kein Auslieferungsabkommen mit Deutschland haben, konnten sie in den 80er Jahren schließlich noch nicht.
Coup idealisiert das Verbrechen nicht. Zwar leben die beiden Gauner in Australien im Luxus und ergattern dort dank eines – wie es in der Filmbeschreibung heißt – „Windigen Winkeladvokaten“ (gespielt von Rocko Schamoni) sogar eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung. Doch obwohl sie dort vor den deutschen Behörden sicher sind, will sich kein rechtes Glücksgefühl einstellen. Der eine vermisst seine Familie, der andere wird depressiv. Also geht die Planung von vorne los: Wie können sie nach Hause, ohne ins Gefängnis zu müssen?
Echt oder nur gut ausgedacht?
Knapp anderthalb Stunden dauert dieses gemächlich-absurde Abenteuer. So ganz sicher kann man sich nicht sein, ob Coup ein Doku-Drama oder eine Mockumentary ist. Würde diese Story auf Tatsachen beruhen, müsste man doch irgendwann einmal davon gelesen haben. Andererseits könnten solche irrwitzigen Geschichten aus der Prä-Internet-Ära auch einfach verloren gegangen sein. Egal, ob real oder ausgedacht, Coup liefert den Beweis, dass man auch mit kleinem Budget ziemlich großes Kino machen kann.
Übrigens: 2019 hat Coup den Förderpreis Neues Deutsches Kino bei den Hofer Filmtagen erhalten. Die Jury schrieb in der Urteilsbegründung: „Stellen Sie sich vor, Martin Scorsese und Guy Ritchie machen einen Film ohne Geld. Im Norden von Hamburg.“
Coup läuft ab 26. August in den deutschen Kinos.