Kommentar
Catcalling – Strafen statt Präventionsgespräche
“Catcalling” – Diese Form der sexuellen Belästigung auf der Straße kann das Gefühl von Sicherheit und Freiheit stark einschränken. Wir als Gesellschaft sollten uns gegen Catcalling einsetzen und den Betroffenen Gehör schenken – findet Loren Sagebiel.
Stell dir vor, du gehst nach einem langen Arbeitstag durch die Straßen der Stadt. Die Sonne steht tief und taucht die Gebäude in ein warmes Licht. Plötzlich hörst du ein Pfeifen und ein „Hallo, schöne Frau!“ aus einer Gruppe von Männern, die an einer Straßenecke stehen. Du fühlst dich erschrocken und unwohl, spürst, wie sich ein Kloß in deinem Magen bildet. Ihr Lächeln soll vielleicht freundlich wirken, doch du weißt, dass es nicht aus Freundlichkeit gemeint ist. Die Blicke der Männer folgen dir, während du schnell weitergehst, deine Schultern straff und den Kopf gesenkt, um den Kontakt zu vermeiden. Doch als du nicht reagierst, legen sie begleitet von einem spöttischen Lachen nach: „Tu doch nicht so, du Schlampe du willst doch auch ficken!“
WAS IST DAS EIGENTLICH?
Der Begriff „Catcalling“ stammt von dem englischen „catcall“. Das beschreibt ursprünglich den lauten Ruf eines Katers, der in der Paarungszeit versucht, Weibchen anzulocken. Ich muss um die 12 Jahre alt gewesen sein, als mir das erste Mal auf offener Straße anzüglich hinterhergerufen wurde ich weiß nur noch: Ich war noch sehr, sehr jung – die Männer im Vergleich zu mir sehr sehr alt. In diesen Moment habe ich begriffen, dass Frau zu sein auch mal bedeuten kann: Als Teenager bei 30 Grad im Sommer einen Pullover anziehen statt eines T-Shirts, um kein Aufsehen zu erregen. Denn oftmals können Frauen keinen normalen Alltagstätigkeit nachgehen, ohne unaufgefordert sexuelle Bemerkungen in ihre Richtung über sich ergehen zu lassen. In diesen Momenten sind Opfer nicht nur irritiert und überrascht, sondern fühlen sich objektifiziert, für die Fantasie einer anderen Person benutzt und in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Oftmals fühlen sie sich sogar selbst schuldig, ihre Betroffenheit wird ihnen abgesprochen „denn so sind die Männer halt“. Catcalling führt sogar dazu, dass Frauen bestimmte Orte meiden, die sie früher gerne besucht haben.
EINE KLARE DEFINITION IST LÄNGST ÜBERFÄLLIG
Viele europäische Länder haben sie bereits, in deutschen Gesetzesbüchern sucht man danach vergeblich – eine klare Definition. Wer einer Frau wie im genannten Beispiel den Satz: “Du Schlampe du willst doch auch ficken” hinterherruft, wird nur für die Beleidigung “Schlampe”, nicht aber für sexuelle Belästigung angeklagt. Eine Strafbarkeit würde nicht nur für mehr Sicherheit auf den Straßen sorgen, sondern auch für eine Signalwirkung in der Gesellschaft. Die Grünen und die Linke haben sich dafür bereits ausgesprochen. Sie betonen, dass nur so eine gesellschaftliche Veränderung funktionieren kann. Die CDU bleibt bei diesem Thema zögerlich. Sie spricht sich eher für präventive Maßnahmen als für konkrete gesetzliche Änderungen aus. Doch was sind Präventionsgespräche wert, wenn die Betroffenen weiterhin regelmäßig im Alltag mit derartigen Belästigungen konfrontiert werden?
DIE NORMALISIERUNG MUSS BEENDET WERDEN
Es ist an der Zeit, dass Deutschland endlich versteht, dass diese Belästigungen für viele Frauen keinen Spaß, sondern einen tiefen Eingriff in ihr Leben darstellen. Diese Form des Übergriffes muss strafrechtlich verfolgt werden, um den Opfern eine klare rechtliche Handhabe zu geben und Catcalling als das zu entlarven, was es ist: eine Form der sexuellen Belästigung, die nicht toleriert werden darf. Wir müssen die Bagatellisierung von Catcalling beenden. Es wird Zeit, dass wir als Gesellschaft diese Form der Belästigung nicht länger hinnehmen. Catcalling muss endlich strafbar gemacht werden, damit Frauen nicht länger ihre Bewegungsfreiheit einschränken müssen, nur um unangemessene „Komplimente“ zu vermeiden.