Filmkritik

Call Jane

/ / Joy (Elizabeth Banks) im Auto © DCM / Wilson Webb

Contentwarnung: In Call Jane geht es um Schwangerschaftsabbrüche. Selbst- und fremdverletzende Tätigkeiten werden zudem erwähnt. Falls ihr euch mit diesen Themen unwohl fühlt, zieht in Erwägung, die folgende Rezension nicht zu lesen.

Seit dem 24. Juni 2022 sind Schwangerschaftsabbrüche in den USA nicht mehr überall legal möglich. Viele Schwangere machen sich jetzt Gedanken darum, was sie tun sollen. An einem ähnlichen Punkt in der Geschichte waren die Vereinigten Staaten schon mal: Ende der 60er war es bereits möglich, eine Ausnahme zum Verbot für Schwangerschaftsabbrüche anzufragen. Zu dieser Zeit spielt auch der Kinofilm Call Jane.

Joys (Elizabeth Banks) Leben ist durch ihre Schwangerschaft gefährdet. Nach einem Besuch beim Arzt steht deshalb die Idee eines Schwangerschaftsabbruchs im Raum – im Chicago der 1960er Jahre ist das allerdings nicht so einfach. Joy und ihr Mann Will (Chris Messina) probieren zunächst alle tendenziell legaleren Optionen, eine Abtreibung durchführen zu lassen. Verzweifelt findet die Protagonistin schließlich an einer Bushaltestelle Zettel mit der Aufschrift “Call Jane”. Ein Anruf, durch den sie eine empathische Frauen-Organisation für Abtreibungen – gegründet von der willensstarken Virginia (Sigourney Weaver) – kennenlernt.

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Deutscher Trailer zu Call Jane

It is a man’s world

In ihrem Kinodebüt arbeitet Regisseurin Phyllis Nagy mit kontrastierenden Bildern. Etwa wenn Joy mit ihrem Mann an einem weißen Tisch voller männlicher Ärzte sitzt und diese durchgängig in dritten Person von ihr reden. Als Frau, als Patientin, als Schwangere ist ihre Meinung hier nicht gewollt. Das gegenteilige Gefühl stellt sich ein, wenn sie mit den Mitgliedern von “Call Jane” spricht – allen voran mit dem Gründungsmitglied Virginia. Hier wird gegessen, es spielt Musik und die braune Einrichtung strahlt Ruhe aus. Der Kontrast ist eindeutig.

Joy (Elizabeth Banks) und Virginia (Sigourney Weaver) mit einer jungen Frau © DCM / Wilson Webb

Emotionale Szenen, thematische Oberflächlichkeit

Ein Verbot von Abtreibungen kann mit vielen emotionalen Schwierigkeiten verbunden sein. Die psychisch härteste Situation des Films findet statt noch bevor Joy die Frauen-Gruppe kennenlernt: Es ist Nacht. Joy ist zuhause und steht am Treppenabgang. Eine Frau hatte ihr erzählt, dass es für sie funktioniert habe, die Treppe herunterzufallen. Ein Moment, der nicht die Augen verschließt.

Auch wenn Szenen wie diese einen mitnehmen können, werden viele politische Themen, die der Film anschneidet, nur oberflächig behandelt – ein Beispiel: die Situation von Schwarzen Schwangeren bei Schwangerschaftsabbrüchen. Die Oberflächlichkeit hierlässt ein Gefühl der Unzufriedenheit, das auch nicht durch das exzellente Schauspiel, vor allem von Elisabeth Banks und Sigourney Weaver, abgefangen werden kann. Regisseurin Phyllis Nagy verfolgt in Call Jane einen Fokus auf Joy und die Untergrundorganisation, bietet aber weiteren Themen keinen Raum.

Joy (Elizabeth Banks) und Virginia (Sigourney Weaver) bei einem organisatorischen Treffen © DCM / Wilson Webb

MUT – die Message des Films

Der Kinofilm Call Jane ist ein mutmachender Protest, der sich eindeutig für legale Schwangerschaftsabbrüche einsetzt – unabhängig von Zahlkraft und sexueller Vergangenheit oder Einstellung. Eine besonders starke Message, weil der US-amerikanische Film somit gegen das Kippen von Roe v. Wade in den USA Position einnimmt. Durch den Fokus des Mut-Machens fällt jedoch ein essenzieller Aspekt des Betreibens einer Untergrundorganisation etwas flach: Die Angst davor, von der Polizei entdeckt zu werden. Zwar wird das an einigen Stellen thematisiert, aber sichtbare Konsequenzen drohen hier erst mal niemandem. Virginia behauptet sogar, Gefängnis mache ihr nichts aus. So wird viel zu wenig behandelt, wie gefährlich die Mitgliedschaft in einer Pro-Abtreibungs-Untergrundorganisation eigentlich sein kann.

Proteste
Proteste © DCM / Wilson Webb

Call Jane – ein Abtreibungsdrama, dass mit starkem Schauspiel und feministischer Haltung punktet. Leider hinterlassen thematische Oberflächlichkeit und ein einseitiger Fokus ein Gefühl von Unvollständigkeit, das auch nicht durch die mutmachende Intention des Films wettgemacht wird.

Call Jane läuft ab dem 01.12.2022 in den deutschen Kinos.