radikal jung 2019
Café Populaire
Zur Eröffnung des diesjährigen Theaterfestivals für junge Regie hat das Volkstheater sich eine sozialpolitische Komödie aus Zürich auf die Bühne geholt: “Café Populaire” liefert in angenehm seichten Pastelltönen eine ebenso angenehm seichte Gesellschaftssatire.
Svenja kann auf den ersten Blick erkennen, ob sie sich mit jemandem über die feine Bildsprache eines Wes Anderson unterhalten kann oder nicht. Den Kultiviertheitsgrad einer Person sieht man ihr immerhin direkt an der Nasenspitze an. Klassismus nennt sich diese Art der Diskriminierung, die abschätzig auf Menschen geringerer Bildung und letztlich geringerer Mittel herabschaut. Genau diese Diskriminierung möchte Café Populaire nun gezielt aufs Korn nehmen – und macht das ausgerechnet in Form allerschönster Wes-Anderson-Ästhetik. So viel Selbstironie muss sein; und die gibt’s in Café Populaire zur Genüge.
Satire einmal weichgespült
Svenja tritt also in einer schmalen, sanft rosa strahlenden Box vor das Publikum. Puppenhaus-Optik und pastellige Farbpalette sind gewollt brav und unanstößig, denn sie schmeicheln dem Betrachter. So auch Svenja: Sie ist angepasst, höflich und möchte auf keinen Fall anecken. Als Mitglied des Bildungsbürgertums ist sie stets auf politisch korrekte Formulierungen bedacht, achtet darauf, welche Güteklasse ihre Eier haben, und isst am liebsten vegane Chia-Bowls zum Frühstück. Diese überspitzte Figur soll dem meist gut betuchten Theaterpublikum den Spiegel vorhalten: Schau mal, wie spießig du bist, hältst dich auch noch für was Besseres. Doch: Das funktioniert nur mäßig.
Zwar wird Café Populaire als spitzzüngige Satire angekündigt, bleibt dann aber verhältnismäßig brav. So neu, wie das Regisseurin Nora Abdel-Maksoud in Gestalt ihrer Figuren propagiert, ist der Klassismus auf der Theaterbühne gar nicht. Es sind Sätze zu hören, die TheatergängerInnen schon häufiger an den Kopf geworfen wurden, wie: “Wieso man über die Armen im Theater so gut Witze machen kann? Weil sie sich die Tickets eh nicht leisten können.” Sätze, die dem Zuschauer das Gefühl geben sollen, ertappt worden zu sein in seiner gutbürgerlich-gefälligen kleinen Blase. Dafür fehlt dem Text allerdings der Biss, den Witzen und Anspielungen ihre Originalität. Auch wenn man sich hier und da möglicherweise wiedererkennt, geht die Provokation nicht über den Punkt hinaus, der tatsächlich zum Denken anregen würde. Café Populaire bewegt sich an einer unterhaltsamen und sehr leicht verdaulichen Oberfläche.
Bequemer Spaß ohne Risiko
Wenn sich das Stück auch vornehmlich in seichten Gewässern bewegt, so sind dennoch einige Glanzleistungen zu verbuchen, vor allem schauspielerisch. Denn die liebe, brave Svenja wird plötzlich heimgesucht von ihrem Alter Ego: Don. Das ist der Persönlichkeitsanteil in ihr, der auf Arme und Schmarotzer schimpft, den eigenen Wohlstands als verdientes Privileg ansieht und ihn gehörig manipulativ auszunutzen weiß. So switcht Schauspielerin Eva Bay innerhalb von Sekunden zwischen der leisen Piepsstimme von Svenja und dem protzigen Gebrülle von Don. Das ist oft over the top, aber es funktioniert.
Auch funktioniert die gnadenlose Stereotypisierung der Figuren: Svenja und Don gegenüber stehen Aram, seines Zeichens Kellner, Postbote, Uber-Fahrer und allem voran Vertreter des “Dienstleistungsproletariats”; und Püppi, brüllende Altlinke auf der Suche nach einem “bolschewistischen Stahlarbeiter” für ihren Lebensabend im Hospiz. Dieses reduzierte Ensemble an Prototypen bietet natürlich zahlreiche Steilvorlagen für Pointen – die selten überraschen, aber trotzdem landen. Das Publikum lacht herzlich. Sieht so wirklich ein ertapptes Bildungsbürgertum aus?
“Café Populaire” eröffnete am 27. April 2019 das Radikal Jung im Münchner Volkstheater. Uraufgeführt wurde es am Theater Neumarkt in Zürich.