Kommentar

Bundesprogramm Patriotismus – ein Antrag ohne Zweck?

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Es gibt Frischfleisch für den Bundestag: Die CDU und CSU warten mit einem Antrag auf, der den Titel Bundesprogramm Patriotismus trägt. Dieses Programm soll Patriotismus und nationale Symbole in Deutschland stärker fördern. Doch Pavel Fridrikhs hat da seine ganz persönlichen Erfahrungen und eine eigene Sicht der Dinge.

Die eigene Flagge hissen und mit Inbrunst die Nationalhymne singen. In Deutschland eher nicht so ein Ding. Hier ist es ja auch Volkssport, einen Tapetenwechsel zu schwarz-rot-gold nur bei der WM offen zu zeigen und den vermeintlichen Nationalstolz danach prompt zu vergessen. Die Unionsfraktion hat nun die Nase voll davon und möchte den Patriotismus in Deutschland stärken. Dieser könne laut ihnen ein verbindendes Band sein, das unserer Gesellschaft zugutekommt. 

Das Vorhaben der Union

“Gerade in Zeiten einer zunehmenden Polarisierung und Fragmentierung der Gesellschaft” schreibt die CDU/CSU-Fraktion dem Grundgesetz und dem Patriotismus großes Potential zu. Ob das wirklich gerechtfertigt ist, bleibt mir dabei schleierhaft. Es stimmt, die Polarisierung hat zugenommen. Aber es wäre nicht das erste Mal, dass Machtinhaber:innen Patriotismus und das Versprechen von Zusammengehörigkeit als Zuckerbrot verwenden. Wichtig an der Stelle: Die Unionsfraktion unterscheidet natürlich schon zwischen Patriotismus und Nationalismus, nur ist das erklärte Ziel ihres Vorstoßes mehr als fraglich. Und das hat seine Gründe.

Zielgruppe: Ausländer:innen

Mein ganzes erwachsenes Leben bin ich schon zwischen zwei Ländern gefangen – zwischen Russland und Deutschland. Ich lebe seit meiner frühen Kindheit hier. Trotzdem fühle ich mich Deutschland nicht verbunden. Von Russland habe ich mal anderes behauptet, aber das ist die letzten Jahre auch flöten gegangen. Und nun hänge ich im Limbo. Einem Limbo, das ich als ein Privileg ansehe, weil es mich zu einem Beobachter macht. Diese Rolle spiele ich und diese Rolle entfernt mich geistig so meilenweit von allen Versuchen, an meine Zugehörigkeit zu appellieren. Und so kommt es, dass ich mich von vielen Seiten einfach nur manipuliert fühle.

Das wäre halb so schlimm, wenn das Bundesprogramm Patriotismus sich nicht auch explizit an “hierzulande lebende Ausländer[:innen]” wenden würde. Damit will mich die Union also endlich auch mal ergattern. Das endet in einem Fehlgriff. Was nach gut gemeinter Integration riecht, schmeckt mir nach billigem Stimmenfang. Warum sollten sich die Ausländer:innen Deutschlands durch plumpe Symbolik hier besser aufgehoben fühlen? Meiner Meinung nach ist die Zielgruppe eine ganz andere, aber das lässt sich ja nicht so schön framen wie das Buzzword ‘Identifikation’.

Aufplustern oder Lenken?

Klar ist: Leute, die sich davon abgeholt fühlen, dürfen das sicher auch. Nur muss Patriotismus eben so vermittelt werden, dass man ihn hinterfragen kann. Und diese Mühe gibt sich die Union offensichtlich nicht.

Als zwischen den Ländern eingeklemmter Mensch ist meiner Erfahrung nach die Aufgabe eines Nationalstaates eher: Für seine Einwohner:innen zu sorgen und Ausländer:innen fair in alle Lebensbereiche einzubinden. Das Land ist wie ein Kinoproduzent: Du siehst ihn nicht, aber er zieht die Fäden. Sobald ein Nationalstaat sich aufplustert, läuft irgendwas nicht ganz richtig. Wir haben schon genug Erfahrungen mit patriotischem Gedankengut gemacht, das krass ausgeartet ist. Wir wissen über die Gefahren Bescheid. Wir sollten nicht die Büchse der Pandora öffnen, um ein paar Prozent mehr bei einer Wahl zu erreichen.